Die Künstlerhaus-Debatte #3

Die Selbstachtung zurückholen!

Der Titel kommt muskulös daher: „Peter Weibels Paukenschlag im Joanneum“. Im Text kracht es dann nicht so recht. Aber der Bericht „Zur Eröffnung des verplanten Joanneumsviertels eine großartige und plausible Ausstellung über den ‚Selbstmord der Kunst‘ – von Günter Brus bis Damien Hirst.“ in der Presse [Quelle] läßt doch erahnen: Sollte gesehen werden!

Eben wurde die Ausstellung "Selbstmord der Kunst" eröffnet (Foto: UMJ / N. Lackner)

Die zwei Kunstheoren im Vorspann – Brus und Hirst – sind von der Autorin bemerkenswert ausgewählt; sicher nicht die interessantesten Burschen in dieser Geschichte, aber immerhin welche, auf die auch ein an Kunst völlig desinteressiertes Publikum zu reagieren vermag. (Skandal-Potenzial!)

Eine besonders wichtige Passage im Text von Sabine B. Vogel scheint mir folgende zu sein: „Das Entscheidende sei die Ablösung der Repräsentation durch die Realität. Erst wurde der Gegenstand mit der Abstraktion aus der Malerei vertrieben, dann kam er als reales Ding wieder zurück.“

Das ist ein Zusammenhang, den wir bis heute nicht angemessen unter die Leute gebracht haben. Da läßt auch das steirische Feuilleton keine besonderen Ambition erkennen, eine größere Anstrengung zu erbringen. Damit meine ich, Kunstschaffende (quasi als „primäre Akteurinnen und Akteure“), Kunstgeschichte und Feuilleton haben es bis heute weder miteinander noch gegeneinander geschafft, eine allgemeine und grundlegende Kenntnis dessen zu verbreiten oder wenigstens allgemein ruchbar zu machen. Da liegt also noch viel Arbeit vor uns.

Marcel Duchamp, Boîte (Die große Schachtel, Foto: CROCE & WIR, Graz)

Zur Zeit geht es in den Debatten rund um das Grazer Künstlerhaus unter anderem auch um Ansprüche der steirischen Berufsvereinigung Bildender Künstler und Künstlerinnen. Daher sei aus einem Bericht zu deren aktueller Ausstellung „Mit Hirn“ zitiert: „Wohl uneinlösbar: der Anspruch der ambitionierten Schau, gewissermaßen die letzten Fragen des Kunstbetriebs beantworten zu wollen.“ [Quelle]

Das Motiv der „letzten Fragen“ ist der Metaphysik entlehnt. Diese radikalen Fragen mögen zwar die Kunst selbst betreffen, aber es würde mich sehr wundern, wenn der Kunstbetrieb damit, nämlich mit „letzten Fragen“, aufwarten könnte. Wenn also ein ganzes Kollektiv Kunstschaffender Fragen nicht beantworten kann, die ohnehin nicht gestellt werden, wovon erzählt der Autor dann NICHT, indem er diese Passage schrieb?

Falls das nun etwas verwirrend klingt, darf ich bekräftigen: Es IST verwirrend. Wovon reden wir denn da die ganze Zeit, wenn wir über die Kunst und den Kunstbetrieb sprechen? Ich hab hier kürzlich ein kulturpolitisches Papier deponiert, das von einem bemerkenswert besetzten Konsortium verfaßt wurde und eine sehr gute Grundlage für eine kulturpolitische Debatte abgibt: [link]

Inzwischen las ich allerdings: „Der Appell der heterogenen Gruppe ist kein Schnellschuss: Man trifft sich seit vielen Monaten und erarbeitete ein rund 30 Seiten starkes Papier.“ [Quelle] Satte 30 Seiten? Wie bedauerlich, daß ich die nicht finden kann. Dabei ist etwa die IG Kultur schon eine Weile damit befaßt, diese Diskurse voranzutragen, hat dieses Papier ja auch mitverfaßt.

In der steirischen Netzkultur-Szene geht es im Netz etwas schleppend voran.

Werde ich bei der IG fündig? [link] Leider nein! Diese IG hat uns eine eigene Themen-Website avisiert: [link] Dazu hieß es kürzlich: „Morgen geht die Homepage dann ONLINE…“ Leider nein!

Ich muß keine böse Absicht unterstellen, es genügt, daß wir, die „Initiativenszene“, allein schon durch unser Kommunikationsverhalten und die von uns entworfene Mediensituation genau zu der „Seilschaften-Lage“ beitragen, die wir gerne kritisieren.

Denn es ist zeitraubend, sich relevante Informationen über den Status quo zusammenzutragen. Also haben nur Kleingruppen entsprechendes Wissen zur Verfügung, die geben es aber nicht adäquat weiter. (Das läuft letztlich auf eine Art Anhäufung von „Herrschaftswissen“ hinaus, das hinter diversen Kulissen gelagert wird.)

Seit Wochen oder Monaten könnte mindestens ein WIKI laufen, das von der steirischen Community gefüttert würde, damit wir eine leicht findbare Evidenzstelle für verfügbare Informationen hätten. Haben wir aber nicht. Wir? Eben! Das wird so gerne und so leicht dahingesagt. Doch wodurch wird es konstituiert?

Mehr noch, man könnte in Panik ausbrechen, wenn man liest, wie viel Tendenz zur Selbstaufgabe in diesem steirischen Kulturbetrieb mittlerweile herrscht. Da lese ich etwa in einem Brief von Politikerin Christa Hahn: „Ausführliche Runden und Reflexionen über die Grazer Kulturpolitik, über Gelungenes und aber auch über Misserfolge und nötige Veränderungen und Reformbedarf, eine Debatte über sinnvolle und weniger sinnvolle Schwerpunktsetzungen, den Umgang mit der freien Szene, dem Auftreten der Stadt gegenüber den großen Kunsteinrichtungen oder aber auch ein lebhafter Diskurs mit der steirischen Landes-Kulturpolitik sind unter diesen Rahmenbedingungen zu meinem Bedauern nicht möglich.“ [Quelle als PDF-Dokument]

Wie beunruhigend, wenn dann auf der bisher noch toten IG-Diskurs-Website als Motto zu lesen ist: „WIR HOLEN UNS DIE SELBSTVERANTWORTUNG FÜR UNSERE ARBEIT ZURÜCK“.

Mein Vorschlag: Die Selbstverantwortung aufpolieren, denn die muß doch da noch irgendwo sein. Ich will stark hoffen, daß sie niemandem von uns genommen wurde oder womöglich von jemandem in Eigeninitiative beim Salzamt abgegeben wurde. Aber da wäre noch eine Mission zu erfüllen. Vielleicht sollten wir uns langsam unsere SELBSTACHTUNG zurückholen…

[Die Debatte: Übersicht]

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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