Was es wiegt, das hat’s XII: Was macht den Künstler aus?

(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)

Der momentane Anlaß: „Hannes Schwarz, Klubobmann und Kultursprecher der SPÖ im steirischen Landtag, unterhält sich mit KünstlerInnen und KulturarbeiterInnen quer durch die Steiermark. Er will wissen: wo drückt der Schuh, wie kann man helfen, wie schaut’s in der steirischen Kulturszene aus.“

Dezember 2009: Thema „Regionale Kulturarbeit“ im Kontext Lokale Agenda 21.

Im vierten Clubgespräch kommt die Frage vor, was einen Künstler ausmache. Schwarz bekommt keinerlei konkrete Antwort. Was also kann einen in diesem Beruf ausmachen? Die Intention und die konsequente Arbeit an den eigenen Möglichkeiten. Ich halte es da mit Markus Lüpertz, der meinte, das sei ein stetes Ringen und Qualität und Vollendung

Dort ist dann auch die „Freiheit der Kunst“ zuhause, also ein rigoroses Vorgehen in den selbstgewählten Fragen, die mit künstlerischen Mitteln bearbeitet werden, ohne dabei Rücksicht auf Konventionen und Tabus zu nehmen. (Es gibt keine „gewissen Grenzen der Kunst“!)

Aber das ist kein soziales Konzept, sondern eben eines der künstlerischen Zusammenhänge. Das heißt, ich bin als Künstler in Gemeinschaft nicht davon befreit, mich den Konsequenzen meines Tuns zu stellen. Die „Freiheit der Kunst“ ist keine Freiheit des Künstlers im Sinne einer Befreiung aus sozialen Bindungen. (Darum muß bei Bedarf extra gerungen werden.)

Ich bin bloß im Rahmen meines Werkes so frei, wie es etwa die Wissenschaft in der Grundlagenforschung ist. Da geht es also nicht um Fragen der praktischen Anwendbarkeit, sondern eher um Fragen der Erkenntnis. Wir kennen seit der Antike die Empfehlung, Erkenntnis solle sich nicht bezahlt machen, sondern erweisen.

Das können Sie auch als Hinweis darauf deuten, daß wir bei einem Werk den künstlerischen Wert und den Marktwert unterscheiden müssen. Übrigens, das Wort Ästhetik kommt vom altgriechischen „Aisthesis“ her. Das bedeutet Wahrnehmung.

Programme können Kulturarbeit begleiten und versträken

Ästhetische Erfahrungen sind also Wahrnehmungserfahrungen. Die nützen uns beim Verfeinern unsere Sinne und Möglichkeiten, sind überdies Beiträge zu Fragen nach Erkenntnisgewinn. Deshalb sehe ich meine Kunstpraxis als einen Teil der Wissens- und Kulturarbeit; und zwar jenen Teil, der – wie Grundlagenforschung- keiner direkten praktischen Nutzung unterworfen ist.

Was mich dann als Künstler ausmacht, hat mit diesen immateriellen Vorgängen zu tun, aber auch mit dem Wunsch, daß ich mein Handwerk beherrsche und mit meinen Werkzeugen gut umgehen kann.

Diese Ambitionen teile ich mit jedem guten Handwerker, wie zur Zeit auch meine Reise über die Dörfer bestätigt. Ich besuche versierte Kräfte und führe mit ihnen Gespräche, um „Die Ehre des Handwerks“ zu erkunden.

Wußten Sie, daß der Begriff „Téchne“ in der Antike gleichermaßen für Handwerk, Kunst und Wissenschaft stand? Es ist also plausibel, daß ich gemeinsam genutzte Quellen entdecke, aus denen wir so und so schöpfen. Ich finde auch bei Handwerk und Kunst einige gemeinsame Ansprüche an uns selbst.

Wie ich mich dann aber als Künstler im Gemeinwesen verhalte, steht auf einem anderen Blatt. Frei, kritisch, störrisch oder moderat, versunken oder angepaßt, da gibt es tausend Varianten. Das sind keine Kategorien der Kunst, sondern – wie erwähnt – soziale Zusammenhänge. (Nur Spießer assoziieren ein Künstlerdasein a priori mit Verhaltensoriginalität.) Dazu kommt, daß ebenso der Broterwerb eine soziale Kategorie ist und keine der Kunst.

Der arme Poet, der Bohemien, der Bürgerschreck, der Rebell, das sind lauter populäre Klischees, mit denen sich vor allem das Bildungsbürgertum dieses Genre zurechtdenkt. Mit meinem Metier hat das essentiell eigentlich nichts zu tun. Mit solchen Posen ist künstlerisch nicht viel anzufangen.

Und der Zusammenhang zwischen Marktwert und erzielbaren Preisen eines Kunstwerkes? Ein Geldsumme läßt noch keine brauchbare Aussage über den künstlerischen Wert zu, der Markt berührt die Regeln der Kunst bloß am Rande. Wer sein Brot verdienen will, muß auf dem Markt reüssieren oder ökonomisch auf Nebenfelder ausweichen.

Aber wie wissen wir denn überhaupt, was ein Kunstwerk ist und was nicht? Eine populäre Ansicht besagt, Kunst sei das, was Leute, die etwas von Kunst verstehen, für Kunst halten. Darauf werde ich in folgenden Glossen noch näher eingehen. (Hier die Rezension des verten Klubgespächs.) [Fortsetzung: Was ist Kunst?]

— [The Long Distance Howl] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
Dieser Beitrag wurde unter Feuilleton, Kulturpolitik abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.