Gute Karten, schlechte Karten

Wenn das Leben in der Kunst sehr wesentlich am Kontakt mit Publikum festgemacht ist, wird das Ringen um nächste Modalitäten besonders hart. Für Musiker Oliver Mally ist das eine viel radikalere Anforderung als für mich, der ich als Autor wenigstens gut 80 Prozent meiner Arbeit ohne direkten Publikumskontakt leisten kann.

Wie oft habe ich nun während der laufenden Pandemie und ihren Bedingungen erlebt, daß Mally mir von der nächsten Konzeption erzählt? Das hat inzwischen ein Muster. Er konzipiert eine Veranstaltung inhaltlich, trifft Absprachen mit den Kräften der Lokalpolitik, mit Künstlerinnen und Künstlern, beauftragt seine Grafikerin… und dann: Absage! Okay. Nächster Ansatz!

Dazwischen ist gerade das neue Album entstanden; siehe dazu meine vorige Notiz „Seelenbeutel“! Außerdem beginnt Mally eben, an seinem nächsten Album zu arbeiten. Klar, dann wäre da auch noch ein Privatleben. In diesen Tagen muß sich vieles ausgehen. Weshalb ich das erzähle?

Es braucht derzeit eine fast sture Zähigkeit, um Dinge auf solche Art in Gang zu halten und diese wiederkehrenden Frustrationen zu verdauen, wenn Anstrengungen ins Leere gingen, weil das Projekt dann aufgrund der aktuellen Reglements nicht realisiert werden kann.

Das hat unter anderem diesen sehr wesentlichen Grund: wer heute für sich keine sinnvollen Aufgaben findet, in denen man sich bewähren und Zuversicht wahren kann, ist hart von einem möglichen Untergang bedroht. Wer sich jetzt ohnmächtig erlebt, hat ganz schlechte Karten.

Ich hatte mit Mally schon im ersten Lockdown vor rund einem Jahr Übereinkunft: wir sind nun auf uns gestellt. Da kommt nichts von außen, um uns in Sicherheit zu bringen. Diese Einschätzung hat sich weitgehend bestätigt.

Ich hab übrigens Anfang März 2021 begonnen, die Inzidenzzahlen in meinem Bezirk täglich zu notieren. Ich will einen Eindruck bekommen, wie sich Menschen um mich herum verhalten, wo es um die Reduktion der Infektionsgefahr und die Vermeidung von Ansteckung geht.

Das ist ja ein wichtiger Punkt in der Frage, was etwa an Live-Veranstaltungen möglich ein wird und welche Modi wir dafür entwickeln sollten. Momentan ist die Erkrankungs-Kurve wenig ermutigend. Inzidenzzahlen nennen nicht die Infektionen, sondern die dingfesten Erkrankungen.

Das heißt, im Umfeld der Erkrankten, die erfaßt wurden, gibt es natürlich weit mehr Infizierte, die ja nicht alle zwingend erkranken müssen, aber das Virus weitergeben können. Solche Dinge müssen wir wissen, um zu brauchbaren Einschätzungen zu gelangen, wie sich der künstlerische Live-Betrieb entwickeln kann.

Entsprechend der verschiedenen Metiers und Arbeitsbedingungen gehen Mally und ich da unterschiedliche Wege, tauschen uns aber über die praktischen Erfahrungen aus. Ich meine, so arbeiten wir auch an Fragen, wovon eine nächste Kulturpolitik handeln möge, denn wir werden nicht zu alten und vertrauten Verhältnissen zurückkehren.

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Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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