Internetpräsenz

Reden wir über Netzkultur! Sie optimieren laufend Ihre Reichweite im Internet? Fein! Ich nicht. Das Internet ist mein kühles Extrazimmer. Aber ja, ich schätze es, Publikum zu gewinnen. Doch ich hab keine Laune, laufend auf ein mögliches Maximum zu zielen.

18.2.1999: Positionspapier der österreichischen Netzkultur-Szene

Meine persönlichen Facebook-Kontakte stehen momentan bei 855. Ich stutze das regelmäßig zurück, hau vor allem jene raus, die da offenbar eine Geschäftsverbindung einrichten, über die sie mir schließlich Produktangebote oder politische Botschaften zuschicken.

Ich schätze konkrete Kommunikation, die mit 500 oder 1.000 Leuten sowieso nicht machbar ist. Aber meine eigene Facebook-Präsenz nutze ich als eine Art Ariadne-Faden, der Verzweigungen hat, an denen man immer wieder anknüpfen kann. Von da tun sich Nischen auf.

Ich sehe und nutze Facebook in der Tradition der alten Salonkultur. (Der Salon und einige Nebenzimmer.) Dazu gibt es mit der Kunst Ost-Nische eine Art Feuilleton. Ferner ist die Origami Ninja Association (in Kooperation mit Musiker Oliver Mally) als eine neue Schiene eingerichtet, als eine Art operatives Feld. Ein Labor. Die Ecke Steyr-Daimler-Puch dient mir zum Erzählen von Mobilitätsgeschichte, was auch Volkskultur in der technischen Welt meint.

So bespiele ich einen Bogen zwischen Volkskultur, Popkultur und Gegenwartskunst. Nun gilt Facebook als veraltetes Revier, dem – so heißt es – die Jugend davongelaufen sei. Aber weshalb sollte ich den Youngsters plötzlich hinterherlaufen? Das ergibt keine sinnvolle Option. Wer nicht von sich aus bleiben mag, ist für mich kein Gewinn.

Künstler Niki Passath in einer Direktschaltung aus China: Ging via Smartphone schneller und besser als über diverse Internet-Kanäle.

Meinen Twitter-Account hab ich beizeiten wieder gelöscht, andere Dienste gar nicht erst beansprucht. Wollte ich täglich ein ganzes Bündel von Social Media-Präsenzen füttern, müßte ich zwangsläufig überaus kurz und sehr knapp werden, sehr auf Wow-Effekte umstellen. Ich wäre gezwungen, laufend markante Aktionen zu liefern, die Follower generieren.

Aber wozu? Meine Arbeit und alles, wofür ich stehe, ist nie auf kurz, knapp und Wow-Effet abgestellt. Nicht einmal meine Lyrik will so wirken. Mich interessiert die Pose des Influencers keinen Deut. Mich fesselt ein reges geistiges Leben, das inspirierte Menschen mit mir teilen möchten.

Mich interessieren Esprit und für viele Dinge die nötige Langsamkeit. Ich verdiene mein Brot nicht via Web, nicht via Clicks, nicht durch Companies, für die ich Clickbaits auslege, um ihnen mein Publikum an den Haken zu liefern.

Daher bleibt das Internet mein kühles Extrazimmer und Facebook mein nützlicher Salon für all die Plaudereien, die ich bevorzuge. Alle übrigen Vorhaben werden mit anderen Mitteln an anderen Orten realisiert. Ich bin einer der ganz frühen Akteure dieser österreichischen Netzkulturszene. Ich hab also schon zeitig zu fragen gehabt: Wo bin ich, wenn ich überall bin?

Außerdem bin ich an einigen Weggabelungen anders abgebogen als die Jungen. Alles gut!

Facebook: Der Salon

+) Krusche auf Facebook
+) Kunst Ost (Feuilleton)
+) Origami Ninja Association (Labor)
+) Steyr-Daimler-Puch (Mobilitätsgeschichte)

Ein Stück Hintergrundfolie

+) Mein kühles Extrazimmer (Vortrag anläßlich „BIONIC ARCHITECTURE focus wood“ … am 15. Mai 2001, im forum stadtpark, Graz)
+) Das kühle Extrazimmer: Enge und Weite sind hier der gleiche Zustand (Vortrag anläßlich der Sixth Annual Conference on Austrian Literature and Culture: „Visions and Visionaries in Literature and Film of Modern Austria“ october 18th – 20th 2001, at LAFAYETTE COLLEGE Easton, Pennsylvania)
+) 2010 bis 2012: Mein kühles Extrazimmer bei Kunst Ost
+) Da gibt’s kein Dort (Über Veränderungen im Verhältnis von Zentrum und Provinz)

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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