Themenkonzentration und Praxisschritte

Wie kann eine Kulturinitiative jene Relevanz erringen, auf die sich Politik und Verwaltung einlassen und beziehen mögen? Wie nähert man kulturelle Projekte einer Zone an, in der Witschaftstreibende Investitionen erwägen?

Winfried Lehmann (links) und Karl Bauer bei unserem jüngsten Arbeitsgespräch

Wo sich nun eine Kulturinitiative nicht einfach als Kulturproduzentin an populärer Nachfrage orientieren mag, sondern innovative Kultur- und Wissensarbeit anstrebt, die dann eben anderen Instanzen wert erscheint, sie mitzutragen, bleibt zu Beginn die Frage nach relevanten Themen.

Also eine Frage danach, welche Themen im gemeinsamen Lebensraum gerade hohe Priorität haben. In der Oststeiermark ist das sicher so manches Teilthema im markanten Zentrum-Provinz-Gefälle eines Raumes, wo agrarische und industrialisierte Welt in einander verschränkt sind, dabei in einigen urban geprägten Orten ihre Schnittpunkte haben.

Das zeigt sich in Gleisdorf und Weiz natürlich mit jeweils anderen Nuancen als etwa in Hartberg oder Feldbach. Das hat bei unseren Kollegen in Anger (KOMM.ST) mit dem Bergbau im Nacken völlig andere Gewichtungen als im ländlich geprägten Pischelsdorf, wo aber das Kulturzentrum „Kulturstock 3“ (K.U.L.M.) daran erinnert, daß hier zum Beispiel einst eine Schuhfabrik ansässig war.

Von vorangegangenen Stationen zum Thema...

Nun hat uns keine Tourismus-Agentur erklärt, wie das alles zusammenhängt, welche sozialgeschichtlichen Hintergründe jene Prozesse bedingen, in denen es dazu gekommen ist und wohin aktuelle Umbrüche uns hier derzeit führen werden.

Es ist auch kein mir bekanntes City-Management mit derlei Fragen befaßt. Unter uns Kunst- und Kulturschaffenden sehe ich das freilich permanent in Arbeit.

Das heißt, wir sind daran, diese Region, unseren Lebensraum, zu „lesen“. Wir sind mit Deutungsarbeit beschäftigt und wir gehen folglich in unzählige Gesprächssituationen, um die gefunden Deutungen zu erörtern.

Zusätzlich erweist sich künstlerische Arbeit als Deutungsbeitrag und als Weg, manche Annahmen, auch Erkenntnisse, der Öffentlichkeit zu kommunizieren.

In einem gestrigen Arbeitsgespräch standen für uns nächste Orientierungspunkte zur Debatte, die über das aktuelle Arbeitsjahr hinausweisen. Dabei ist inzwischen deutlich geworden, daß unser Themenzusammenhang „Zwischen Landwirtschaft und High Tech“ nun für eine neue Arbeitsebene reif geworden ist.

Wir hatten das auf dem Weg zum „April-Festival“ von 2011 schon bearbeitet und verschiedene Stationen durchlaufen, um zu klären, wir das große Thema zu fassen sei. Dabei war Tierarzt Karl Bauer für uns eine wesentliche Schlüsselfigur im Zugang zu Fragen der agrarischen Welt. Siehe dazu: [link] und [link]

Im heurigen Herbst gehen wir konzentriert auf das Thema Mobilität zu, hier aber nicht bloß in der Ausdeutung technischer Zusammenhänge. Es sind darin auch die Fragen der Leiblichkeit angeschnitten (Santigli), die Fragen nach unseren Auffassungen von Schönheit über Mittel der Gegenwartskunst thematisiert (Barsuglia).

Eine Arbeit von Alfredo Barsuglia

Auf diesem Weg also, nach unserer Leiblichkeit zu fragen und diese im Zusammenhang mit Ideologie, Marktlogik und Gesundheitskonzepten auszuleuchten, gelangen wir fast zwangsläufig zum Betrachten der Grundlagen dieses Gemeinwesens. Die liegen unter anderem in eben jenem „Grund und Boden“, der unsere Nahrung prägt, Pflanze oder Tier gleichermaßen Fundamente gibt, der uns besseres oder schlechteres Wasser bietet etc.

Wenn wir also auch in der Stadt ein urbanes Leben führen, das von allen Annehmlichkeiten städtischer Kultur handelt, so sind wir doch zugleich stets in all die anderen Zusammenhänge verwoben, ganz konkret in ein Kräftespiel „Zwischen Landwirtschaft und High Tech“, das sich gerade hier, in der Oststeiermark, auch so anschaulich abbildet.

Das sind komplexe Verhältnisse, die sich derzeit in vielfachen Umbrüchen befinden; von Neuordnungen der Verwaltung bis zu Technologiesprüngen. Also erheben wir einen Chor von Stimmen inspirierter Menschen, um diese Komplexität sinnlich und intellektuell erfahrbar zu machen.

Ich denke, wir werden über den kommenden Herbst hinaus das „April-Festival“ 2014 in diesem Sinn thematisch ausrichten. Dabei nehmen wir über das „Zweite Gleisdorfer Kunstsymsposion“ auch die Route tief in ein großes Thema Europas, das 2014 zur Debatte steht: 100 Jahre nach den Schüssen von Sarajavo…

+) Unsere Session zur „Langen Nacht der Museen“ [link]
+) das zweite gleisdorfer kunst-symposion [link]
+) Alfredo Barsuglia [link]

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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