und dann 2050? #7

Seit Ende der 1980er beschäftigt mich das Thema „Eigenständige Regionalentwicklung“ und die Frage nach angemessenen Zusammenhängen im Kulturbereich. Es gab ab etwa Mitte der 80er ein deutlich sichtbares Milieu von Kulturschaffenden, die damals vieles von dem erprobten und einführten, was heute Standard ländlicher Kulturreferate ist.

Dennoch ist der kulturpolitische Status quo in der „Provinz“ momentan mehr als besorgniserregend. Wie war das möglich, wo doch so viel kulturelles Engagement Platz gegriffen hatte? Außerdem gingen viele Leute aus diesem damaligen Inituiativenmilieu in verschiedene Institutionen der Gesellschaft, die ein waches Verständnis von Kulturgeschehen fördern könnten. Ich nenne ein regional prominentes Beispiel: Erwin Eggenreich wird der nächste Bürgermeister von Weiz sein. Er war damals ein engagierter Akteur dieser kulturellen Entwicklung.

Gerhard Ziegler (links) und Erwin Eggenreich waren tragende Akteure der regionalen Kulturinitiativenszene in den späten 1980ern. Ziegler ist heute im Projektmanagement tätig, Eggenreich wird der nächste Weizer Bürgermeister.

Ich habe keinen Zweifel, daß einer der Hauptgründe des aktuellen Zustandes im Auseinanderfallen der Milieus liegt, zwischen denen Kommunikation weitgehend abgebrochen ist. Damit meine ich, wir haben aufgrund unserer biografischen Entwicklungen höchst unterschiedliche Felder betreten und weder Anlaß noch Wege gefunden, die Kommunikation zwischen diesen Felder aufrecht zu erhalten, obwohl wir uns aus der Vorgeschichte gut kannten. (Oder vielleicht eben deshalb.)

Ich sehe das übrigens auch als ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Innerhalb der letzten zwölf Monate haben Konfliktlagen im sozialen und kulturellen Bereich deutlich gezeigt, daß mindestens auf der Landesebene die Politik und die Zivilgesellschaft, als zwei Sphären eines größeren Zusammenhangs, auseinandergefallen sind und daß die Kommunikation zwischen diesen beiden Sphären stellenweise bloß noch Simulation ist.

Aber auch auf kommunaler Ebene ist Kommunikation sehr schwierig geworden. Gremien der Gemeinden scheinen eher auf sich zurückgezogen zu sein. Ratlosigkeit nimmt zu. Das Thema Gemeindezusammenlegungen dominiert offenbar viele Arbeitsbereiche. Auch die „Großregion“, eben erst schwungvoll konstituiert, läuft anscheinend auf ein Schwimmen in Gelee hinaus.

In der Kleinregion Gleisdorf heißt es: „Gemeindezusammenlegung nein danke!“ Mit einer kuriosen Ausnahme, wo zwei Winzlingsgemeinden die Fusion erwägen. Allerdings unter der Bedingung, daß ihnen vom Land ein neues, gemeinsames Gemeindezentrum gebaut würde. Lustig!

Die Sitzungen des Gleisdorfer Gemeinderates haben einen öffentlichen Teil, der besucht werden kann, um aus erster Hand zu erfahren, was im Rathaus läuft

Das Thema „Großregion“ wurde 2009 eingeführt: [link] Die Politik hatte entschieden, es sollen in der Steiermark sieben Großregionen formiert werden. Im Gleisdorfer Gemeinderat erfuhr ich: Die Aufgaben sind noch unklar. Auch die Zusammenarbeit mit LEADER sei weitgehend unbestimmt. Es sei eben ein „Werdungsprozeß“. Die regionalen Mühlen mahlen also sehr langsam, während uns die Probleme galoppierend entgegen kommen.

Das korrespondiert freilich mit dem rasenden Servicebedürfnis der Bevölkerung, deren Großteil offenbar von öffentlicher Hand Leistungen erwartet, ohne ausreichend zu klären, was dabei an Eigenverantwortung und Selbstorganisation verstärkend ins Spiel kommen könnte. Dazu hat sich Helmut Kienreich, derzeit Bürgermeister von Weiz, recht deutlich geäußert: [link]

Ich sehe sehr deutlich im Kulturbereich, wie das Servicebedürfnis die Eigeninitiative überlagert. Was ist in den letzten Jahren „bottom up“ entstanden? Welche Kulturschaffenden treffe ich etwa bei Meetings der „Kleinregion Gleisdorf“, wo man völlig zwanglos mit Funktionstragenden der Kommunen ins Gespräch kommen kann?

Es ist verlockend, Politik und Verwaltung mit Vorhaltungen zu konfrontieren. So lassen sich die Ursachen für Stagnation und Kompetenzverluste bei anderen finden. Ich tendiere dazu, primär auf dem eigenen Feld für neue Klarheiten zu sorgen und Handlungspläne zu entwickeln. Parallel müssen wir uns überlegen, was getan werden soll, damit Leute in Politik und Verwaltung zu verstehen beginnen, wovon wir reden. Das ist nämlich nicht von hausaus gegeben. Kommunikation. Übersetzungsarbeit. Das erledigt sich nicht von selbst.

"kunst ost" und die bereichsübergreifende kooperation: gleisdorf, hainfeld (feldbach) und graz, hier gerhard flekatsch und eva ursprung

Ab da lassen sich Kooperationen entwerfen und erproben. Klare Inhalte, gelingende Verständigung, ohne diese Ausgangspunkt droht jede weitere Bemühung in leere Kilometer zu münden. Mein Credo für diese Prozesse: Klären wir zuerst quer durch verschiedene Metiers, ob wir gemeinsame Fragen haben, deren Bearbeitung uns interessant erscheint. Falls ja, klären wir, welche gemeinsamen Aufgaben eine Bündelung unserer verschiedenen Kompetenzen nahelegen würden.

[2050: übersicht]

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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