Kulturpolitische Ansage

(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)

Ich übernehme hier eine Glosse aus meiner Gastkommentar-Serie bei der Übü-Familie: „Hart am Wind“. Sie erschien dort am 27.7.2021 und kommt mir auch für diesen Themenkomplex passend vor; als ein Stück individueller Offenlegung.

Na klar, wenn ich öffentlich behaupte, daß der steirische Kulturbetrieb in etlichen Segmenten kühn korrumpiert wurde, erwarte ich doch nicht, daß mir jemand öffentlich zugestimmt. Ich weiß aus eigener Erfahrung, was es kosten kann, wenn man Leute, die in der sozialen Hierarchie über einem stehen, brüskiert.

Nun ist ein Leben in der Kunst kein Sozial-Porno. Es muß Menschen also völlig freistehen, sich an öffentlichen Diskursen zu beteiligen oder sich ausschließlich auf die künstlerische Arbeit zu konzentrieren. An diesem Prinzip kann nicht gerüttelt werden.

Das ist auch eine Frage von Diversität. Das Leben in der Kunst handelt von vielen verschiedenen Lebenskonzepten. Außerdem haben manche Leute ihre größten Kompetenzen nicht im Diskurs, sondern in einem der künstlerischen Genres.

Aber Corona hat eine Menge Gezänk und Ömpörung in die Öffentlichkeit getragen. Proteste, Verlautbarungen, Slogans boomen neben Verwünschungen und heftigen Unmutsäußerungen. Soll sein! Können wir uns dabei auch eine kleine Bestandsaufnahme leisten? Wo steht unser Metier? Wie verhalten sich Politik und Verwaltung zu uns? Was sind vorrangige Anforderungen im aktuellen Umbruch?

Wir Freelancers wissen nur zu gut, daß bloß sehr wenige unter uns aus rein künstlerischer Tätigkeit ein adäquates Jahreseinkommen erwirtschaften können. Der österreichische Markt ist zu klein und eine Reihe von Rahmenbedingungen sind diesem Bereich nicht förderlich, erweisen sich als zusätzliche Belastungen. So ist eben der Beruf.

Wer sich in einem kritischen kulturpolitischen Diskurs exponiert, riskiert erhebliche Konsequenzen, die auch jemandes wirtschaftliche Basis treffen können. Das ist klar. Da dürfen wir nicht prüde sein. Wer auf dem Kunstfeld sein Brot verdient, hat auch das Recht, sich still zu verhalten, um die kommenden Geschäfte nicht zu gefährden.

Wenn ich nun in einer Serie von Glossen diese Zusammenhängen ignoriere, ist das weder heldisch noch rebellisch. Es ist pragmatisch. Ich hab die Schnauze voll von dem, was mich gerade an Heuchelei umgibt. Ich habe keine Duldsamkeit mehr gegenüber dieser neuen Bourgeoisie, die sich da hervortut und auf dem Kulturfeld Begriffe wie Budgets kapert.

Wenn ich das nun dichter und konsequenter als je zuvor anspreche, dann deshalb, weil ich kalkuliert habe, daß ich diese Haltung ökonomisch überstehen kann. Das kommt, weil ich vor ein paar Jahren in genau solchen Zusammenhängen untergegangen bin, was sehr teuer wurde. Das war zwischen 2015 und 2018 eine harte Zeit mit allerhand bitteren Stunden. Ich stehe dieser Erfahrung erst jetzt ziemlich unaufgeregt gegenüber.

Zugleich bin ich im Finish meines auf 20 Jahre angelegten Projektes „The Long Distance Howl“, das intendiert war, ins reale Leben und in den konkreten Kulturbetrieb hineinzuwirken. Es ist also die passende Zeit für Reflexion und für die Diskursleiste „Was es wiegt, das hat’s“. Unter anderem, weil nach meiner Überzeugung zwischen 2010 und 2020 eine Ära geendet hat. Wir sind im Umbruch und haben Klärungsbedarf; siehe daher: [Link] [„Hart am Wind„]

— [The Long Distance Howl] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
Dieser Beitrag wurde unter Feuilleton, Kulturpolitik abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.