Howl: Jahr 18, sechs

Kulturpolitik nach dem Lockdown

Die Corona-Pandemie wurde zu einer bemerkenswerten Prüfung für unsere Gesellschaft; und für unsere Politik. Was macht eine unsichtbare Bedrohung mit uns? Wie gehen wir mit Nichtwissen um? Wo reagieren wir zuerst, wenn Instanzen der Gemeinschaft Schaden nehmen? (Das berührt Fragen nach Systemrelevanz.)

Aber auch: Wo stehen wir kulturpolitisch in der Provinz nach wenigstens 30 Jahren „Eigenständige Regionalentwicklung“? Wo befinde ich mich in dieser Frage nach fast 20 Jahren „The Long Distance Howl“?

Wir haben heuer erlebt, daß sich in unserer Gesellschaft verschiedene Lager bilden, die mit Auffassungsunterschieden stellenweise auch hart kollidieren. Was bewirkt das alles an unserem sozialen Leben? Wie beeinflußt es unser geistiges Leben? Das berührt zwangsläufig auch Fragen nach der Kulturpolitik.

Am 6. Juni 2020 titelte die Steirerkrone: „Steiermark feiert Rückkehr zur Kultur“, nannte im Vorspann explizit Oper, Schauspielhaus und Literaturhaus. Das ist nur einer von mehreren Hinweisen, wie sehr das Stichwort Kultur meist mit Repräsentationskultur, Bildungsagenda und Publikumsbetreuung assoziiert wird.

Konsumation und Partizipation
Diese Situation verlangt nach Überlegungen, wie sich Konsumation und Partizipation zueinander verhalten sollen. Genau hier hätte Kulturpolitik anzusetzen; auch um jener Willenserklärung zu folgen, die im §1 des Steiermärkischen Kultur- und Kunstförderungsgesetzes formuliert ist. (Der Gesetzestext als Text-Datei.)

In diesem Sinn hätte ich erwartet, daß aus den politischen Referaten der oststeirischen Städte im Lockdown die eine oder andere Botschaft an ihre Kunst- und Kulturschaffenden gekommen wäre. Die Kulturreferenten sind naturgemäß die politischen Anwälte des geistigen Lebens ihrer Kommunen, nicht bloß für unterhaltende Programme und Zeitvertreib zuständig.

Kulturreferate wären eigentlich am wenigsten Dienstleister für das City- oder Tourismusmanagement. Sie sind für das Gedeihen eines geistigen Klimas zuständig, das vor allem auch der inspirierten Kräfte aus der eigenen Region bedarf, die begleitet und verstärkt werden sollten.

Acht Städte, kein Konzept?
Gleisdorf, wo ich lebe, hatte eben den 100 Jahrestag seiner Stadterhebung zu feiern. Der Ort mit seiner räumlichen Schlüsselstellung zur Oststeiermark ist Teil einer Kooperation: „Wir sind 8 oststeirische Städte, die zusammenarbeiten…“ (Link) Dort stammt übrigens der letzte Eintrag unter Aktuellesvom 6. November 2029.

Ich hab den Begriff Kulturreferat in der Suchmaschine mit der jeweils offiziellen Websites der Städte verknüpft. Das ergab gleich bei Bad Radkersburg überhaupt keinen Treffer und mußte auf das Stichwort Kultur verkürzt werden. Außerdem hab ich die Datenbestände mit den Stichworten Kulturbüro und Kulturreferent abgefragt.

Es hat mich interessiert, ob die politisch verantwortlichen Kräfte der Kommunen eher nur auf Veranstaltungsangebote (Konsumation) setzen oder ob sie auch die kreativen Kräfte vor Ort ansprechen, um ihnen Wege zu ebnen, aktuelle Rahmenbedingungen anzubieten (Partizipation) etc.

Haben die Kulturreferate Präsenz im Web, wo ich etwa Leitbilder und aktuelle Konzepte nachlesen kann? Leisten sich Kulturreferenten eigene Kolumnen, um zu berichten, womit sie befaß sind und was sie vorhaben? Gab es aus der Lockdown-Erfahrung womöglich die eine oder andere Einladung zu einem inhaltlichen Gespräch mit Kulturschaffenden?

Es hätte ja einen Round Table geben können, der auf diesen fundamentalen Umbruch eingeht und wo debattiert wird, was nun im Kulturgeschehen hohe Priorität hätte. Wollte jemand nach all dem fragen, lautet die Antwort: „Leider nein!“

— [Stadt-Land] —

Ergänzend
Ich weiß freilich auch von keinen Kunst- und Kulturschaffenden in der Oststeiermark, die Transparenz eindringlich gefordert hätten. Hier die Übersicht:

+) Bad Radkersburg (Info, keine politische Instanz)
+) Fehring (Info, keine politische Instanz)
+) Feldbach (Info, keine politische Instanz) (Namensliste)
+) Friedberg (Kein Eintrag)
+) Fürstenfeld (Info, keine politische Instanz)
+) Gleisdorf (Info, keine politische Instanz) (Kulturpakt Gleisdorf)
+) Hartberg (Info, keine politische Instanz)
+) Weiz (Das Kulturbüro ist formell Verwaltung, nicht Politik)

Siehe dazu auch: Das Schweigen regionaler Kulturinitiativen!



Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
Dieser Beitrag wurde unter Feuilleton, Kulturpolitik abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.