Routen 299: Mythos Puch

Weshalb ist es unersetzlich, zu Belangen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit Menschen sprechen zu können, die damals dabei waren?

Manfred Haslinger (links) Und Markus Rudolf.

Weil vieles nicht dokumentiert wurde. (Ich gebe Ihnen im Laufe dieser Notiz ein markantes Beispiel.) Auf dem Weg zum „Bankett der alten Meister“ und um unsere „Konferenz in Permanenz“ an den Start zu bringen, sprachen wir im Büro von Richard Mayr eben zwei Experten in Sachen Puch G. Manfred Haslinger war einst im „Versuch“ tätig, also in der Entwicklungsabteilung der historischen Puchwerke.

Markus Rudolf ist ein Sohn des letzten Werksdirektors, wuchs mit dem G-Wagon auf. Er kennt den Puch G seit jenen Tagen, da erste Prototypen noch aussahen, als hätte man sie aus Pappendeckel zusammengetackert.

Markus Rudolf (links) und Manfred Haslinger .

Puch-Fans wissen, daß Graz nach dem Krieg ein Zweiradstandort war. In Steyr wurden dagegen nicht bloß Nutzfahrzeuge gebaut, sondern auch Lizenzversionen einiger PKW aus dem Hause Fiat. Mit der Entwicklung des Steyr-Puch 500 fiel die Entscheidung, PKW (und schließlich die Haflinger) in Graz zu bauen.

Rudolf: „Da wär dann der G eigentlich für die Produktion in Steyr gut geeignet gewesen.“ Aber es kam anders. Der G wird bis heute in Graz gebaut. Dieser Teil der Geschichte, die Entwicklung des H2 (Haflinger zwei) begann vor 50 Jahren, also anno 1974.

Erhalten gebliebene Designskizzen zum Thema Puch G sind teils mit 1972 datiert. Rudolf erwähnte, daß erste Entwürfe dazu aus dem Haus Mercedes-Benz kamen, zeigte uns auch die Ideen von Louis Lucien Lepoix und…

Ein 230GE aus dem Jahr 1980 (Magna Werksfeuerwehr).

Dann erfuhr ich erstmals von einem bemerkenswerten Detail. Der G-Wagon ist selbstverständlich auf technischer Ebene längst nicht mehr, was er ursprünglich war. Aber das Design ist – wenngleich in vielen Aspekten verändert – immer noch unverwechselbar. Haslinger und Rudolf sind sich einig, daß der G-Wagon mit der Werkskennung W463 bei seiner Einführung anno 1989 eine neue Ära eröffnet habe.

Haslinger: „An dem ist nichts mehr von Puch, außer dem Verteilergetriebe.“ Rudolf: „Alles Mercedes.“ Aber was immer sich geändert hat, ein spezielles Detail vom Ursprung finden Sie in der G-Klasse bis heute, obwohl es dafür keine sachliche Notwendigkeit mehr gibt. Die Dachlinie macht am Heck einen Schwung nach oben. Rudolf: „Das Spekner-Bürzel.“

Haslinger bestätigt. Dieser Schwung stammt vom hauseigenen Designer Fritz Spekner und war einst für eine ausreichend große Hecktüre nötig, damit Soldaten mit dem Sturmgewehr problemlos ein- und aussteigen konnten. Kurios, daß man dieses Detail auch beim aktuellen Suzuki Jimny findet, dessen formale Verwandtschaft mit der G-Klasse unübersehbar ist.

Heckpartie: Links die aktuelle G-Klasse, rechts der Suzuki Jimny.

Die Historie der G-Klasse deckt sich übrigens grob mit der Geschichte der Personal Computers, die unser aller Leben verändert haben. Die Abfolge: Rechenschieber, programmierbarer Taschenrechner, PC. Und mittlerweile Mobile Phones mit Rechenkapazitäten, die in den 1970ern ein Vermögen gekostet hätten.

Dazu kommt ferner, daß die Volksmotorisierung per Kraftfahrzeug in Österreich erst während der zweiten Hälfte der 1950er Jahre eingesetzt hat und frühestens in den 1970ern ihre volle Blüte erreichte. Da waren dann für meine Generation die Kiesplätze reich belegt. Es gab Gebrauchtwagen in allen Preisklassen. Es wurde ganz normal und banal ein Auto zu besitzen…

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Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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