Archipel: Das große G (Folge 1)

Weshalb denn ein Automobil mitten in einem Kulturprojekt? Sie werden überrascht sein. Es gibt gute Gründe!

Schöckl-Tour: Auf der historischen Teststrecke der Puchwerke.

Wer sich einen Hauch für die Automobilwelt interessiert, wird wissen, was mit der Formulierung „G-Klasse“ bezeichnet ist. Vor 50 Jahren begann in Graz die Entwicklung eines etwas grob geschnitzen Nutzfahrzeuges, das dann in diversen Armeen zum Einsatz kam. Solche Deals versprachen die Stückzahlen, dank derer ein Return of Investment möglich schien und einiger Profit ebenfalls.

Dieses Massenprodukt steht exemplarisch für eine ganze Reihe von Zusammenhängen, die auch kultureller Natur sind. Die Grazer Werksbezeichnung lautete „H2“, was für „Haflinger zwei“ steht. Als die rollende Blockhütte 1979 auf den Markt kam, waren zwei verschiedene Badges in Verwendung. Das wurde vom jeweiligen Abnehmerland bestimmt. Der Puch G oder das Mercedes-Benz G-Modell. Dieses Nutzfahrzeug enstand in einer Ära des Umbruchs.

2012: Erstmals mit dem G im schweren Gelände, Altmeister Fredi Thaler als mein Instruktor.

Dazu kommt, daß der G-Wagon Grenzen seines ursprünglichen Genres durchbrach. Vom militärischen zum zivilen Arbeitstier, dann zum geschätzten Qualitätsprodukt in privaten Kreisen, schließlich zum hochpreisigen Luxus-Gut (von Betrieben wie AMG oder Brabus aufgewertet).

Kategoriensprünge
Die G-Klasse wird bis heute gebaut. Natürlich im überarbeiteten Design, aber nach wie vor leicht identifizierbar, technisch auf Stand, neuerdings sogar elektrisch. Auf dem Weg vom Puch G zum aktuellen Fahrzeug wird ein historischer Kategoriensprung anschaulich.

Das gilt auch für Produktionsweisen. Kategoriensprünge, die dem klassischen Handwerk in unserer Kultur nun einen anderen Platz zuweisen und vieles davon untergehen lassen. Das hat eine Brisanz, von der ich meine, daß sie vorerst erheblich unterschätzt wird.

Wir brauchen Handfertigkeit und etliche handwerkliche Kompetenzen nicht bloß dafür, Dinge herzustellen und zu warten. Was unsere Finger tun (oder nicht tun) hat prägende Wirkung auf unsere kognitiven Möglichkeiten. Dazu kommen soziale Konzepte wie das von dar „Ehre des Handwerks“.

Direktor Egon Rudolf mit Holzmodellen des G. (Foto: Archiv Markus Rudolf)

An derlei individuellen Leistungen hängen schließlich Optionen wie etwa Werkstolz: dieses besondere Gefühl, wenn einem etwas Handwerkliches gelungen ist. Das spielt für Identitätsfragen eine wesentliche Rolle. Rechnen Sie ein, daß der Begrff „Techne“ in der Antike gleichermaßen für Handwerk, Kunst und Wissenschaft stand. Da wird teilweise aus den selben Quellen geschöpft. Das deute ich als Verbindungen der drei Genres in ihren Fundamenten. Sehen Sie nun die besondere Relevanz des Themas in einem Kulturprojekt?

Von Ära zu Ära
Im Rückblick sehen wir, daß diese Zeit – die 1970er – zum Ende der Dampfmaschinen-Moderne wurde. Ich nennen meine Gründe! Damals waren noch „Rechenschieber-Ingenieure“ am Werk, um Fahrzeuge zu entwickeln. Die Umsetzung wurde sehr wesentlich ein Pendeln zwischen technischen Zeichnern und Modellbautischlern. Der vorhin erwähnte Rechenbehelf ist heut meist nur mehr älteren Menschen bekannt.

Das vergessene Werkzeug: Rechenschieber.

Erst kamen programmierbare Taschenrechner in Gebrauch, von denen die Rechenschieber zunehmend abgelöst wurden. Für größere Aufgaben wurde dsamals Computerzeit in einem Rechenzentrum gekauft. Bald verfügten die Betriebe aber selbst über taugliche EDV.

Das wurde zu einem kulturellen Paradigmenwechsel, in dem das Handwerk und das Können der Handwerker in neue Zusammenhänge gestellt wurden. Es entfaltete sich die Digitale Revolution, über die wir auch als Dritte Industrielle Revolution sprechen.

Das EQG Versuchsfahrzeug hab ich in Graz erwischt. [Feature]

Was soll den heute anders sein? Die Vierte Industrielle Revolution läuft ja mehr denn je mit Computern. Die EDV vergangener Tage war von leistungsfähigen Rechnern geprägt, die Tempo und Komplexitätsbewältigung dessen anbieten konnten, was Menschen ihnen vorgaben. Es war ein Verhältnis von Wetware, Software und Hardware zueinander; also der Menschen, Programme und Apparate.

Das gehört, wie erwähnt, noch zur Dampfmaschinenmoderne. Die neuen selbstlernenden System, das Internet der Dinge und andere Innovationen sind davon nicht mehr eingefaßt. Es ist eine andere Ära… Siehe zu diesem Text auch: „Im Spiel der Veränderungsschübe“ (Der Konstrukteur Egon Rudolf)! [Wird fortgsetzt!]

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Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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