Museum, Kino, Wissenserwerb

Es muß in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre gewesen sein, als es nahe der Kleinstadt Gleisdorf, im kleineren Sankt Ruprecht, noch ein klassisches Plüsch-Kino gab.

Kult-Scooter im Kino-Hit von 1979.

Ich weiß nicht mehr, ob das die Ära war, in der landesweit von einem Kinosterben die Rede war. Mit den Kinozentren, wie sie längst Standard sind, hatte sich danach alles völlig verändert. Was ich Plüsch-Kino nenne, gab es aber nach wie vor als sogenannte Programmkinos.

Da sehe ich eine Parallele zum Museumswesen. Massenkultur folgt anderen Gesetzen als etwas, das zur Konsumation auch die Partizipation vorsieht. Es geht um die Teilnahme an einem öffentlichen kulturellen Leben, das als ein geistiges Leben von Relevanz identifiziert werden kann.

In den Programmkinos ist kein Blind- und Blockbuchen üblich. Dort regierte nicht der große Filmverleih, sondern cineastisch orientierte Menschen treffen laufend eine Auswahl, die im Kontrast zum Großkino-Betrieb steht. Zugegeben, das ist eine sehr polemisch verkürzte Skizze.

Kult-Motorräder im Kino-Hit von 1969.

Immerhin sind Spielfilme immer noch wichtig und prägend, aber der Umgang damit hat sich grundlegend verändert, seit ich als Teenager mit meiner „Blauen Zweisitzer“ (Puch DS 50) oft von Hausmannstätten über Fernitz nach Kalsdorf geknattert bin, denn dort gab es ein Kino.

Umbrüche
Als ich vor einer Weile meine Wohnung von zu viel Kram befreien wollte, habe ich auch einen Stapel Filme auf DVD aussortiert. Ich legte sie meinem Sohn vor: „Falls dir was zusagt, nimm es dir.“ Er winkte lächelnd ab. „Braucht niemand mehr“, war seine Erwiderung, „das wird heute alles gestreamt“.

Ich nehme an, dabei bleibt es einem nun auf andere Art überlassen, von interessanten Stoffen zu erfahren, bemerkenswerte Filme kennenzulernen. Vermutlich muß man sich darum keine Sorgen machen, denn jede Art der Liebhaberei leitet Menschen an, das zu finden, was einem Freude macht, was einem Wissen und Horizont erweitert. Oder doch nicht?

Ich bin ein Kulturoptimist. Was das Thema Puch, all die Mopeds Roller und anderen Fahrzeugarten angeht, fand ich mich immer von versierten Leuten umgeben, die ihr Wissen gerne zur Verfügung gestellt haben.

Popkultur: modifiziertes Maxi im Chopper-Look.

Das ist für mich auch heute die wesentliche Funktion eines Museums. Dieser Ort der realen sozialen Begegnung, mit einer Qualität, die uns keine Internetverbindung ersetzen kann. Netzkultur ist dazu eine gute Ergänzung. Sie bietet ebenfalls wichtige Funktionen eines Umschlagplatzes für Informationen.

Aber viel Wissenswertes ist nicht digitalisiert. Dazu kommt der Reiz des Originals, des Artefaktes aus der Zeit. Keine digitale Darstellung ersetzt einem die Eindrücke, wie wir sie durch reale Gegenständen gewinnen.

In der Notiz „Judenburg: Gute Fragen“ habe ich von meinem Gespräch mit Marketing-Boss Heinz Mitteregger erzählt. Dabei ging es vor allem um kulturpolitische Fragen. Und dabei waren wir mehr als einmal bei der Frage, warum in dieser Zeit der niedrigschwelligen Netzzugänge und der stürmischen Social Media manches so schwierig geworden sei.

Klassiker: die seltene Puch LM.

Eine der Ursachen für häufige Konfusion und daraus entstehende Konflikte ist der Mangel an Trennschärfe, die verbreitete Unfähigkeit zu unterscheiden: Information ist etwas anderes als Wissen.

Wir haben via Web Zugriff auf mehrere Galaxien der Informationen. Endlose Mengen. Ich kann mir zu jedem Thema mühelos Berge an Infos zusammenkratzen. Aber dann beginnt die eigentliche Arbeit des Wissenserwerbs. Eine Auswahl, rezipieren, reflektieren, um aus den relevant erscheinenden Informationen Wissen zu generieren. Dabei sind auch Widersprüche und Dissens zu bewältigen.

Das ist die Kulturleistung, auf die es ankommt. Sie ist aber nicht erledigt, wenn man mit dem Bagger Informationen anhäuft. Ein Museum könnte in eben diesem Sinn zugleich Mahnmal und Arbeitsraum sein, Evidenzstelle und Umschlagplatz; mit der speziellen Bedeutung, ein Ort der realen sozialen Begegnung zu sein. Denn das brauchen wir heute mehr denn je. Konkrete Orte, um zu wissen, wo wir real sind, während wir via Internet annehmen, nach Belieben überall zu sein.

Übersicht
+) Die 23er Scooter Session
+) Routen 271: Scooter im Kino

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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