Routen 271: Scooter im Kino

Die Spielfilme sind zwar aus dem Kino hervorgegangen, doch entlang technischer Entwicklungssprünge bleiben sie nicht mit den „Lichtspieltheatern“ fix verknüpft.

Ein Moment in „Quadrophenia“: Jimmy.

Da haben sich allerhand Formate herauskristallisiert, die über sehr verschiedene Wege ihr Publikum finden. Komplexe Transportsysteme der Popkultur. Aber es gibt auf jeden Fall eine Filmgeschichte des 20. Jahrhunderts, in der sich zum Thema Scooter ein paar wenige Fixpunkte finden lassen.

So sehr Autos und Motorräder in Spielfilmen wichtige Requisiten sind, manchmal auch im Rang eine Rolle auftauchen, Motorroller kommen dagegen kaum vor. Naja, „kaum“ ist übertrieben. Ich kenne eigentlich nur drei erwähnenswerte Beispiele.

Was Motorräder angeht, habe ich hier zwei markante Beispiele herausgegriffen, die im Kontrast zueinander stehen. Einerseits die Rabauken und Motorrad-Outlaws, wie sie verallgemeinernd oft „Rocker“ genannt werden, andrerseits die friedfertigen Motorrad-Hippies. Was sie gemeinsam haben, sind die Reibungspunkte mit einem etablierten Kleinbürgertum.

Aber vorweg mein Hinweis auf einen Film, der „Hell’s Angels“ heißt und 1930 herauskam. Das ist allerdings keine Rocker-Geschichte. Der Hells Angels Motorcycle Club (HAMC) ist ja Legende. Hier geht es um Flugzeug, bloß die Klamotten ähneln sich.

Der obsessive Howard Hughes, selbst ein leidenschaftlicher Flieger, hatte sich vorgenommen, das Thema Luftkrieg, wie es im Ersten Weltkrieg völlig neu war, zu bearbeiten. Dabei engagierte er unter anderem reale Flieger-Asse aus dem Großen Krieg, die sich im Frieden teilweise in Flugshows ihr Geld verdienten.

Das wiederum, derlei Spektakel, sehe ich als einen der Vorboten jener Massenkultur, zu der Kino zählt. Spätestens ab dem Jahr 1909 waren erstens Shows mit Flugzeugen und Luftschiffen, zweitens Autorennen große Publikumsattraktionen, wurden mit viel Aufwand entsprechend promotet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten sich verschiedene Subkulturen entwickelt, in denen Motorrad-Outlaws für Terz sorgten. Das waren teilweise junge Kriegsheimkehrer, die auf den Schlachtfeldern überlebt hatten und sich zuhause schlecht zurechtfanden.

Solche Charaktere zeigt uns „Der Wilde“ von 1953, in dem Marlon Brando eine Hauptrolle spielt. Von diesem Film erzählte übrigens Helmut Qualtinger in seinem Lied „Der Halbwilde“. Nach dem Kinobesuch kauft er einer Witwe „billig das Gwand ab“, offenbar eine Motorradkluft. Dann legte er ausdrücklich „beim Daimler-Puch“ eine Anzahlung hin.

An einer Stelle des Liedes hat Qualtinger zusammengefaßt, worum es ging: „Bis jetzt war i in meiner Plattn der Gfüllte, / jetzt wissens alle in mir steckt noch was drin, / in meiner Gasse nennt mich jeder jetzt der Wilde mit seiner Maschin. / Weil ich fahr jetzt jeder Limousin vor / schließlich liebt der Mensch von heut den Sport, / Ich hab zwar ka Ahnung wo ich hinfahr / aber dafür bin ich gschwinder dort!“ („In meiner Plattn der Gfüllte“ heißt: in meiner Clique der Dicke.)

Im gleichen Jahr wie „The Wild One“ erschien ein romantisches Rührstück, in dem eine Vespa den vermutlich prominentesten Auftritt der Filmgeschichte hat. In „Ein Herz und eine Krone“ („Roman Holiday“) von 1953 haut eine junge Königin aus ihem Alltag ab und fährt dabei kurz den italienischen Scooter.

Im Jahr 1969 konnten wir Peter Fonda und Dennis Hopper in „Easy Rider“ als die eingangs erwähnten Motorrad-Hippies sehen. Das spielt gewissermaßen nach dem „Coming of age“, dem Erwachsenwerden mit all seinen Konflikten. Die beiden Hippies sind Dropouts, hatten das also längst hinter sich.

Die Teenager-Sache ist das Hauptereignis in „Quadrophenia“ von 1979. Dabei haben die Scooter eine zentrale Bedeutung, die Vespas und Lambrettas. Ein Aspekt der Story ist die Rivalität zwischen Rockern und Mods, also zwischen Greaser Boys und Modernists. Hier, wie auch in anderen Subkulturen, ist die Wahl des Fahrzeugtyps ein Statement. Die „Schluchtenflitzer“ von 1979 sind zwar verwandten Themen gewidmet, aber das ist Moped-Territorium.

Ich hab drei Filme mit markanten Rollern erwähnt. Da fehlt jetzt noch „Rollerball“ von 1975. In der Zukunft angesiedelt, rund um einen harten Mannschaftssport, der auf einem Rundkurs in einer Arena ausgetragen wird. Dabei dienen Scooter als „Schleppfahrzeuge“ für die Spieler, die auf Rollschuhen Tempo machen. Sonst noch ein exponierter Roller in einem Spielfilm? Mir fällt nichts weiter ein.

— [Scooter: Piaggio, Puch und Popkultur, ein Rückblick] —

Überblick
+) Die 23er Scooter Session
+) Siehe auch: „Museum, Kino, Wissenserwerb„!
+) Routen (Übersicht)

Postskriptum: Quadrophenia?
Jimmy, die Hauptfigur in “Quadrophenia” ist amphetaminsüchtig und zeugt einen Zug zur Schizophrenie. Der Titel des Films deutet eine Verdoppelung der “Zweigesichtigkeit” an, aus “schizophrenia” wird “quadrophenia.”

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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