Rechtsruck im Kulturbetrieb #2

Korruption der Debatten

Kein Rechtsruck ohne stabile Hierarchien. Kein Rechtsruck ohne Message Control durch die Funktionstragenden. Wer führen will, braucht Definitionshoheit. Darin liegt auch eines der wirksamsten Werkzeuge gegen Kritik.

Wie früher in der ständischen Gesellschaft, so wird heute nach Kräften restauriert, was Untertanen einst im Blut lag: Unmut darf von oben nach unten, aber nicht von unten nach oben geäußert werden. Notfalls kann jederzeit eine formelle Klagsdrohung nachgeschoben werden, um einen kritischen Diskurs zu unterbinden.

Ein künstlerischer Freelancer mit wackeliger Existenz müßte eben diese Existenz umgehend riskieren, um in der Kontroverse mit zum Beispiel Landesbediensteten oder Stadtangestellten auch nur einen ersten Durchgang bei Gericht zu überstehen, während sich sozial stärkere Leute auf eine Reihe von schützenden Optionen stützen können.

Wo seitens der Zivilgesellschaft ansatzweise autonome Strukturen geschaffen werden, also Bereiche, in denen die Beteiligten ihre Regeln selbst formulieren, kann von Institutions-Leuten jede Form der Kooperation mit derlei Initiativen genutzt werden, um da einen Hebel hineinzubekommen. Wozu? Das Bottom up-Prinzip ist gut für Konzeptpapiere, um Budgets zu lukrieren, wird aber hinter den Kulissen besser wieder in Top down-Verhältnisse umgewandelt. (Ich werde das noch mit einem Praxisbeispiel belegen.)

Gesamtsteirisch muß man sich fragen: Wieso reden wir zum Beispiel von „autonomen Kulturinitiativen“ selbst da, wo sie eigentlich staatsnahe Betriebe sind? Damit meine ich: Wer Infrastruktur und Personal hält, wer eine Spielstätte betreibt und in all dem nur durch staatliche Kofinanzierung existieren kann, ist nicht autonom, ist nicht frei, sondern – wie erwähnt – ein staatsnaher Kulturbetrieb.

Sprachregelungen
Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn die Kulturlandsachft ohne Etikettenschwindel auskäme und wenn darin auch durch Ethos gesichert wäre, daß eine Formation nicht versucht, einer anderen Budgets abzujagen. Gibt’s nicht? Na, und ob es das gibt!

Hannah Arendt folgend: Das Sprechen ist Handeln. Unsere Sprachregelungen haben unter anderem strategische Funktionen. Wo ein ebenso offener wie öffentlicher Diskurs Bedingung sein müßte, finde ich in meinem Metier oftmals ausgesprochene Geheimbündelei. Das rückt der Kulturbetrieb ein Stück nach rechts, zumal dabei unsere Sprachregelungen korrumpiert werden.

Da aber unsere Sprache unsere Auffassung von Realität moduliert, unsere Sprachregelungen gesellschaftliche Realität herstellen, vor allem in der heutigen Mediensituation, ist der Ruck nach rechts ganz stark von Euphemismen getragen, auch von vorsätzlichem Etikettenschwindel.

In einem jüngeren Fallbeispiel werde ich zeigen, wie Geheimdiplomatie und die Bildung einer hierarchischen Struktur im Widerspruch zu den erklärten Intentionen eines landesweiten Vorhabens standen. Per Sprachregelungen wurde das einfach kaschiert.

Wo primäre Kräfte und Funktionärskreise aus unserem Milieu solche Entwicklungen mittragen, sind Einwände vorerst recht aussichtslos, denn jeder Pragmatiker aus Politik und Verwaltung sagt mir: „Du mußt Mehrheiten bilden. Sonst wird das nichts.“

Es gibt Momente, da zeigt uns die Verwaltung ganz deutlich: „Das einzige was stört, ist der Bürger, der mitreden will.“ Natürlich muß das bemäntelt werden, weil zum Beispiel manche Budgets an das Bottom up-Prinzip, an konkrete Formen der Partizipation etc. gebunden sind und ohne diese Qualitäten nicht lukrierbar wären. Voilà! Weiter rechts läßt sich sowas regeln.

+) Die Übersicht: Rechtsruck

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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