Was es wiegt… #92: Eine feine Wuchtel

(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)

Jetzt einmal Themenwechsel. Oder doch nicht? Nach etlichen Glossen zur Aufarbeitung des Weizer Panels (Kulturstrategie 2030) tut ein Blick Richtung a) Zukunft und b) Praxis gut. Klar, für mich bleibt das stets eng verzahnt. Manche sagen: Theorie und Praxis. Ich sag: Grundlagenarbeit und angewandte Arbeit.

Bei mir geht’s auch nicht ohne Beuys-Zitat

Vorweg: Karl Bauer, Gleisdorfs Kulturreferent und jüngst einer von zwei Hosts beim Tisch 3 des Weizer Panels, hat grade einen interessanten Schritt gesetzt. Er untersucht den „Mythos Sommerloch“. Das bedeutet: Gleisdorfs MIR (Museum im Rathaus) ist langfristig ausgebucht. Sowas wirft man nicht einfach um.

Das hieße a) schon getane Arbeit vernichten und b) Widerstände provozieren, die dann ihrerseits Arbeitskraft binden würden. Aber! Während der Sommerferien steht das MIR leer. Und wer sagt denn, daß da kein Publikum zu finden wäre?

Daher hat Bauer einige vorzüglicher Sammler-Kontakte genutzt, um einen speziellen Akzent zu setzen. Vom 7. Juli 2022 bis zum 15. August 2022 gibt es im MIR „Joseph Beuys – 101.“ (Arbeiten aus steirischen Sammlungen).

Damit ist ein starker Akzent auf Gegenwartskunst gesetzt und ein Künstler betont, der für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg so enorme Wirkung entfaltet hat, daß er sogar jenen, die Gegenwartskunst eher ablehnen, ein Begriff ist und als Referenzpunkt dient. (Das teilte übrigens Hermann Nitsch mit Beuys. Er war ein Lieblingsfeindbild von zahllosen Lerserbrief-Enthusiasten, wenn es um’s Thema Kunst ging.)

Es gibt also einige gute Gründe, auf diesen Bauer’schen Akzent zu reagieren und im Raum Gleisdorf die Frage aufzuwerfen, was uns Gegenwartskunst bedeutet und welche Vorgeschichte das allenfalls hat.

Ich hab da auch so meine Ressentiments. Das meint zum Beispiel meine Überzeugung: Acht von zehn Leuten kaschieren ihr völliges Desinteresse an Gegenwartskunst dadurch, daß sie bei Gesprächen über Kunst dennoch den Mund aufmachen, statt das Thema einfach zu meiden, und dabei zweierlei erwähnen: „Josef Beuys“ und „Soziale Plastik“.

Wer das als Referenz zum Thema Kunst dahersagt, hat in den überwiegenden Fällen kein Interesse am Thema, will aber als weltgewandt und gebildet erscheinen. Sie ahnen gewiß, der Bauer’sche Beuys-Fall ist für mich – wie es bei uns heißt – eine aufgelegte Wuchtel. Daran kann ich nicht vorbei, ohne die Wuchtel zu kicken. Also: Beuys!

— [Das Weizer Panel] —
— [The Long Distance Howl] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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