Ansage/Absage

Europa erlebt seit geraumer Zeit teils erbitterte Kämpfe um Deutungshoheit. Wer darf sagen, was es ist? Das hat auch seine lokalen und regionalen Entsprechungen. Flüchtlingsbewegungen, Klimaprobleme, die galoppierende Erosion alter politischer Formationen, Corona, Fragen nach Verteilungsgerechtigkeit, es ist eine Fülle von Anlässen für Streitgespräche verfügbar.

Die 2021er Gemeinderatswahl in der steirischen Landeshauptstadt Graz brachte einen Sieg der KPÖ und eine Abwahl der ÖVP. Nun könnte sich jemand der Frage widmen, weshalb etwa alte Volksparteien bei Wahlen quer durch Europa unter die 30 Prozent-Marke sacken. Oder was die steirische ÖVP geleistet hat, daß ihr die KPÖ in der Sache derart um die Ohren fährt.

Es könnte sich auch jemand fragen, woran es liegt, daß die Zahl der Nichtwähler so merklich hochgeht. Aber selbst vor meiner Haustür ereifern sich nun allerhand Betroffene darin, den steirischen Kommunisten ihre Ideengeschichte und deren Konsequenzen in den düstersten Farben auszumalen.

Was ich davon in den Social Media finde, zeigt einmal mehr, daß Meinung dem Wissen gerne auf- und davongaloppiert. Eifer und Ömpörung rennen jede Sachkenntnis nieder und produzieren sich auf allen nur erreichbaren Bühnen. Wo stehen nun seriöse Debatten zu einigen der heute brisanten Themen?

Ich hab in einer vorangegangenen Notiz schon jenen Erwin P. zitiert, der mir ein verstaubtes Phrasenpaket aus dem Kalten Krieg zugeschickt hat: „Wer den Kommunismus verteidigt und solchen Unsinn schreibt, sollte auf der Stelle nach Nordkorea gehen !!!!! Von Geschichte hast du keine Ahnung !!!!“ (Siehe dazu: „Kummerl oder nicht Kummerl“!)

Wovon könnte man nun eine Ahnung haben? Ich ziehe ein paar Bücher aus meiner Hausbibliothek, die nach meiner Einschätzung ausdrücken, wo seriöse Debatten nach dem Zweiten Weltkrieg angekommen sind. Ich werde diese Bücher in kleinen Rezensionen beschreiben und daraus im Projekt „Prisma“ eine eigene Reihe bauen.

Das Buch „Der Faschismus in seiner Epoche“ von Ernst Nolte war Anlaß für den sogenannten „Historikerstreit“. Diese „Habermas-Kontroverse“, etwa vom äußerst anregenden Immanuel Geiss beschrieben, hatte sich unter anderen jenen Fragen gewidmet, die Vergleiche von Hitlerismus und Stalinismus aufwerfen.

Ich hoffe auf Verständnis, daß ich mit aktuell ömpörten und erregten ÖVP-Gefolgsleuten und anderen Sympathisanten der/einer bürgerlichen Mitte (wo auch immer die liegen mag) eine Debatte über einen Kommunismus a la Lenin, Stalin und Mao nicht von vorne beginne. Machen Sie Ihre Hausübungen, ich warte gerne, bis wir das dann auf der Höhe der Zeit erörtern können!

— [Bücher] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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