Was es wiegt, das hat’s XVIII: Kommunale Kulturpolitik I

(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)

Manche Verhältnisse erscheinen mir nicht reformierbar. Also: Schwamm drüber! Ich finde derzeit weder beim Kulturvölkchen noch bei Politik und Verwaltung Hinweise darauf, daß eine nennenswerte Anzahl von Menschen jene Situation verändern möchte, die von den gleichen Leuten stellenweise beklagt und kritisiert wird.

Keine Ahnung, warum das so ist. Lassen Sie mich vermuten, es liegt in unserem Wesen. Unsere Leute waren so lange Untertanen, da reichen offenbar wenige Generationen nicht, um ausreichend Eigenverantwortung zu übernehmen und politisch umzusetzen. Lagerbindungen und Seilschaften machen anscheinend die Tagesarbeit leichter, auch wenn sie uns letztlich im Weg stehen.

Neu ansetzen
Also will ich mich derzeit damit begnügen, erstens einen brauchbaren Befund des kulturpolitsuchen Status quo zu skizzieren, zweitens zu präzisieren, was ich für wünschenswert, weil funktional sinnvoll halte.

Ich suche mir Menschen, denen so ein Modus auch sinnvoll erscheint und dann schauen wir, welche Grundsätze der aktuelle Umbruch vertragen könnte, um diesem Metier mehr Zukunftsfähigkeit zu sichern. Was dann an Umsetzungen gelingen mag, steht auf einem anderen Blatt. In meinem Beruf hat es sich oft bewährt: schauen wir erst einmal, was nötig erscheint, dann läßt sich klären, wie wir es kriegen.

Nach meiner Einschätzung ist ein Hauptübel der steirischen Gegenwart, daß Kunst und Kultur zu Mägden des Marketings herabgewürdigt werden, damit Leute im Regional-, City- und Tourismusmanagement an Budgets kommen, die sie dem Genre Kultur nicht gönnen, weil sie diesem Metier geringschätzig gegenüberstehen und weil ihre eigenen Budgets laufend schrumpfen.

Zentrum/Provinz
Ich befasse mich seit mehr als 30 Jahren mit der Wissens- und Kulturarbeit abseits des Landeszentrums, und zwar im Wechselspiel mit künstlerischer Arbeit. Mich interessiert, was solches Engagement am alten Denkschema „Zentrum/Provinz“ bewirken kann.

Dazu gehört einerseits, daß ich auf etliche Jahre der Praxis einer kontinuierlichen Zusammenarbeit mit kleinen Gemeinden zurückblicke, also mit Dörfern, andrerseits dazu das Kleinstädtische im Kontrast sehe. In dieser Glosse geht es speziell um die Dimension der Kleinstadt. Das ist deshalb zum Dorf ganz unterschiedlich, weil ich es mit völlig anderen Strukturen zu tun hab.

Beim Dorf sind in meinem Fall die Bürgermeister vertraute Kooperationspartner, denn wo es Kulturbeauftragte gibt, haben die andere Agenda, sind in der Kommune gewöhnlich mit den tradierten kulturelle Feldern befaßt. Daß aber in einer kleinen Gemeinde etwas Experimentelleres erprobt werden kann, bedarf bei uns bürgermeisterlicher Befugnisse.

Anders die Kleinstadt. Da sind Politik und Verwaltung sehr personalintensiv etabliert. Es gibt im Rathaus Abteilungen mit Teams, die bestimmte Kompetenzbereiche bearbeiten und über bestimmte Budgets verfügen.

Den Abteilungen stehen im Gemeinderat Ausschüsse gegenüber, die politisch besetzt werden, was bedeutet, die jeweiligen Ausschußvorsitzenden sind im Prinzip für die Themen politisch verantwortlich und der entsprechenden Abteilung inhaltlich vorgesetzt.

Blicke ich nach Weiz und Gleisdorf fällt mir auf, daß diese simple Regelung nicht überall verstanden wird, womöglich stellenweise bewußt mißverstanden wird. Das heißt, ich kann etwa im Kulturbereich nicht erkennen, daß die Verwaltungskraft dem verantwortlichen Politiker gegenüber inhaltlich in der Pflicht sei, wobei der Kulturausschuß das entsprechend vorbereiten würde, um vorausschauend (konzeptionell) zu wirken.

Einige Fragen
+) Heißt „Kulturreferent“ bloß: ein Budget abwinken und Veranstaltungen eröffnen?
+) Gibt es gelegentlich ein kulturpolitisches Konzept, das a) auf den Stand der Dinge eingeht und b) die Fragen nach der Zukunftsfähigkeit eines Gemeinwesens berührt?
+) Dient die Verwaltung a) der Politik und b) dem Gemeinwesen? Oder darf sie Eigeninteressen entwickeln und etablieren?
+) Ist sichergestellt, daß eine Abteilung für Kultur und Marketing sich nicht in einem internen Wettbewerb der Abteilungen um Personalstand und Budgets verausgabt?
+) Wird im Kulturellen ein allfälliger Standortwettbewerb zwischen den Städten einer Region unterbunden?
+) Können sich Politik und Verwaltung aufraffen, das Bottom up-Prinzip zu beachten und die Arbeit engagierter Bürgerinnen wie Bürger zu begleiten, zu verstärken, statt sie in die eigenen Dispositionen hineinzudrängen?
+) Wird in diesem Sinn Bürgerbeteiligung gewünscht und unterstützt, auf eine Gängelung der Leute verzichtet? [Fortsetzung]

— [The Long Distance Howl] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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