Generationenwechsel?

Ich hatte bei der Ankunft zu unserem Gespräch um rund eine Viertelstunde überzogen. Der Weg via Moosgraben nach Nitscha, Regenwolken im Genick, erhebliche Bautätigkeit an vielen Stellen. Ich sehe mich auf meinen Rundgängen sehr neugierig um, was sich aus den aktuellen Pandemieerfahrungen an der Außenhaut der Stadt zeigen mag.

Gottfried Lagler mit einem Foto, das Albin Dimnik in seinem Wolsley zeigt

Bei der Pizzeria: Stille. Wirt Gottfried Lagler ringt – wie andere – per Abholservice um ökonomische Stabilität. Es scheint ihm und seiner Frau ganz gut zu gelingen, aber er ist merklich verärgert über das Ausmaß der Einschränkungen.

Lassen wir das Partyvolk in der Betrachtung beiseite, beachten wir die herkömmliche Gastronomie, sind uns ja keinerlei Zahlen bekannt, aufgrund derer man Betriebe wie jenen von Lagler als Orte eines erhöhten Infektionsrisikos betrachten müßte.

Aber unser Gespräch hatte einen anderen Anlaß. Albin Dimnik, Gründungsmitglied des „Oldtimer-Stammtische Figaro“, ist kürzlich gestorben. Über ihn war zu reden. Und über die gesamte Situation. Ich hab Lagler schon mehrmals als sehr verläßlich Kooperationspartner bei Stationen von „Mythos Puch“ gehabt.

Wir sehen uns an einer Grenze ankommen. Es ist eine Art Generationswechsel, von dem im Augenblick noch nicht recht klar scheint, ob er sich nun vollziehen wird und wohin er führen mag. Dieses Thema „Rollendes Kulturgut“ ist zunehmend in unseren Händen, da uns Routiniers zwischen dem 80. und 90. Lebensjahr mit ihren Kompetenzen nur mehr für einen überschaubaren Zeitraum zur Seite stehen.

Es gilt meist als etwas unschicklich, darüber zu sprechen, aber da ist eben dieses große Thema „Volkskultur in der technischen Welt“, in sehr flüchtiges Wissen eingehüllt, von dem vieles nicht dokumentiert wurde, sondern durch die Menschen erhalten, die uns nun teilweise gerade verlassen.

Albin Dimnik ist ein gutes Beispiel. Er war eine Art wandelnde Enzyklopädie des Oldtimer-Fachwissens. Mit seinem Tod ging ein Schatz verloren. Weitergabe. Wovon handelt das? Nun zähle ich ja selbst mit meinen 65 Jahren nicht mehr zu den Jünglingen. Das gibt den offenen Fragen eine neue Färbung.

Was möchten wir erreichen und was sichern? Wie soll das im kulturellen Leben einer Region praktisch umgesetzt werden? Wo können die Jungen andocken, falls sie das überhaupt möchten? Wohin entwickelt sich die Kraftfahrzeugtechnik und welche Reglements blühen den Menschen, die derzeit Klassiker fahren?

Es scheint, daß sich momentan Fragen auftürmen, daß Antworten unter Pandemie-Bedingungen schwierig zu finden sind. Gottfried Lagler hat diesen Zug zum Dynamischen, das nicht zu sehr in fixen Strukturen festgemacht sein will. So läßt sich im Moment noch nicht sagen, worauf er sich in seinem Engagement für das rollende Kulturgut in naher Zukunft konzentrieren wird.

Mit dem Tod von Albin Dimnik endet auf jeden Fall eine Ära, in der sich der Oldtimerstammtisch Figaro herauskristallisiert hatte, zu einer steirischen Sektion der ÖGHK wurde, der Österreichischen Gesellschaft für historisches Kraftfahrwesen, und sich im Anwachsen der Mitgliedszahlen ausdifferenzierte, in mehrere regionale Clubs auffächerte. Lagler steht für ein „Miteinander statt gegeneinander“. Was das für die Praxis in der nahen Zukunft bedeutet, muß sich erst zeigen.

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Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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