Stimmung und Besinnlichkeit

Wer darf die Außenhaut der Innenstadt mit Themen bespielen? Welche Inhalte kommen da zur Wirkung? Wir rutschen in die Adventzeit. Deren Dekorationsgegenstände verzahnen sich nun mit der aktuellen Wahlwerbung. Zu den Weihnachtssternen kamen in Gleisdorf ein paar Hakenkreuze. Wie heißt es in einem heutigen Facebook-Posting der Stadtgemeinde? „Es wird stimmungsvoll.“

Stimmung. Das kann allerhand bedeuten. Die abendländische Mythologie besagt, wir gehen auf den Geburtstag eines Mannes zu, der den Christen als Erlöser gilt, als Heiland. Das ist ein großes Thema. Die Legende erzählt, er habe Huren, Zöllner und Verbrecher eher gemocht als selbstgerechte Stützen der Gesellschaft. Jesus gehörte zu den Hauslosen, war ein Wanderprediger ohne Obdach, ist jemand gewesen, der Autoritäten seiner Zeit oft zur Weißglut brachte.

Das Evangelium nach Matthäus warnt ausdrücklich, es werde dereinst der Menschensohn selbst, also Jesus, von den Gerechten Rechenschaft verlangen, ihnen vorhalten: „Denn ich war hungrig und ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir nichts zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich nicht aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir keine Kleidung gegeben; ich war krank und im Gefängnis und ihr habt mich nicht besucht.“

Die guten Leute sollen, derart zur Rede gestellt, erwidert haben, daß dies so nicht geschehen sei, denn sie hätten ihn, Jesus, nie in solchen Situationen angetroffen. Die Antwort fiel unmißverständlich aus: „Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.“ (Mt 25,31-46)

Ist derlei gemeint, wenn aus dem Rathaus „Es wird stimmungsvoll“ zu vernehmen ist? Das trifft es vermutlich nicht so genau. Stimmungsvoll. Das schließt Störenfriede eher aus. Die Sache läuft nun etwas ritualisierter ab, könnte sich mit Lichtspiel, Glöckchenläuten und Papiergeraschel entfalten.

Wie viele Tage wird es dauern, bis wir erfahren, daß nun die Zeit der Besinnlichkeit anstehe? Das paßt ja vorzüglich! Die steirische Landtagswahl haben wir dann hinter uns. Wenige Monate später, nämlich im März 2020, folgt allerdings die Gemeinderatswahl. Es wird erneut Poster auf den Straßen geben, allerhand Plakate. In unseren Postkästen werden wir Drucksorten verschiedener Parteien finden.

Mag uns das politischer Personal dann erneut mitteilen, WAS es tun möchte, ohne uns zu erläutern, WIE es getan werden soll? Da bin ich gespannt! Wird es wieder vereinzelt beschmierte Plakate geben und ein Gezeter darüber, wie es jüngst bei der Nationalratswahl vorgekommen ist?

Wir haben nach dem Zweiten Weltkrieg einen beispiellosen Weg in Wohlstand, Sicherheit und Freiheit erlebt, befördert durch eine bis dahin nie dagewesene Volksmotorisierung. Nun steht die Menschheit vor einer radikalen Herausforderung. Nicht ein Land. Nicht Europa. Die Welt. Die Menschheit. Auch das ist neu. (Das wirft übrigens Verteilungsfragen auf.)

Ich würde von politischen Kräften gerne auf allen Ebenen anregende Aussagen dazu hören. Es schert mich einen Schmarren, was dieser oder jener Amtsträger über drei, vier beschmierte Plakate denkt. Ich möchte etwas über die großen Herausforderungen der Gegenwart erfahren.

— [Das politische Feuilleton] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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