Wer sich nicht schindet, gilt nichts

Berufe verschwinden. Neue Aufgaben tauchen auf. Vieles, nein, alles ändert sich. Was für spannende Zeiten! Politisches Personal verkündet schon seit Jahren: „Leistung muß sich wieder lohnen!“

Ist das so? Es geht also nicht in tausend Momenten Protektion vor Kompetenz? Es wird von etlichen politischen Formationen also nicht der Eigennutz vor das Gemeinwohl gestellt? Na, das glaub ich ja sofort, denn ich bin hier der Dorfdepp.

Bedaure! Meine persönlichen Erfahrungen widersprechen der Legende, daß sich Leistung lohnen müsse und werde. Das Prinzip lautet an vielen Stellen nach wie vor: „Gefolgschaft muß sich lohnen!“ (Ein Prinzip aus der Feudalzeit.) Gefolgschaft heißt vor allem Unterordnung. Der Leistungsbegriff bleibt dabei gerne unscharf. Mit solchen Verhältnissen wird freilich unsere Zukunftsfähigkeit nicht zu sichern sein.

Nun steht der Einleitungsantrag des Volksbegehrens „Bedingungsloses Grundeinkommen“ zur Debatte und liegt zur Unterschrift auf. Könnten wir im Zuge dessen die überfälligen Diskussionen auf eine breitere Eben bringen?

Verschonen Sie mich aber bitte mit altbackenen Argumenten, in deren Kern das Lied vom „arbeitsscheuen Pöbel“ klingt. Dieses Motiv stammt wenigstens aus der Renaissance. Im Frühkapitalismus dachten Sekretäre darüber nach, was ihren Fürsten zu empfehlen wäre, um die subalternen Schichten zu mehr Leistung anzutreiben, wovon der Pöbel bekanntermaßen keinen Vorteil hatte. Ganz im Gegenteil!

Unsere heutigen Vorstellungen von Arbeit und Leistung basieren ganz wesentlich auf den Erfahrungen mit der Ersten Industriellen Revolution. Darin stecken die vorhin erwähnten Ideologie-Produkte der Renaissance, als die Geldwirtschaft sich durchsetzte, der Fernhandel erblühte und Europa die Welt ausplünderte.

Schließlich haben uns die Prinzipien des aufstrebenden Bürgertums geprägt, weshalb man ja bis heute von „bürgerlichen Tugenden“ „gutbürgerlicher Küche“ etc. spricht. Von der Selbstbeherrschung, der Bildung, der Kulturbeflissenheit ist aber nicht viel geblieben, dafür der Zug zu makelloser Kleidung und aufgeräumten, geputzten Wohnungen, zu repräsentativen Automobilen.

Für die Drecksarbeit haben wir inzwischen reichlich billiges Personal aus armen Ländern. Wie nannte das die funktionslose FPÖ-Politikerin Ursula Stenzel kürzlich? „Billige Hausafghanen“. Und Europas Bordelle haben auch keine Nachschub-Probleme. Leistung soll sich eben lohnen, zumindest für jene, die solche Deals am Laufen halten.

Aber zurück zu nötigen Debatten, in denen es auch um das Bedingungslose Grundeinkommen geht. Können wir uns jetzt wenigstens darauf einigen, daß uns ein Arbeitsbegriff und ein „Leistungskonzept“ aus dem 19. Jahrhundert nicht hilfreich in die nahe Zukunft begleiten werden?

Wir müssen derzeit unsere Koexistenz mit Maschinen, mit selbstlernenden Systemen, neu klären und ordnen. wir müssen Erfahrungen machen, was Maschinenintelligenz an menschlicher Gemeinschaft bewirkt. Wir müssen daher auch Fragen des Broterwerbs neu stellen.

Dabei kommen wir um das Thema Verteilungsgerechtigkeit nicht herum. Diese Diskussionen sind überfällig, müßten längst auch als Wahlkampfthemen auftauchen. Die Zukunft ist nämlich schon da, unsere Zukunftsfähigkeit hängt aber noch in den Seilen.

— [Das politische Feuilleton] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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