Wechselhafte Zentren

Das Zentrum der Stadt ist nach wie vor mit besonderer Bedeutung belegt. Damit wird gewöhnlich das „alte Zentrum“ hervorgehoben, denn die Städte sind quer durch Europa längst polyzentrisch. Sie haben außerhalb der alten neue Zentren erhalten. Oftmals sind das Einkaufszentren.

Gleisdorfs Zentrum bleibt letztlich immer im Umbruch

Gleisdorfs Zentrum bleibt letztlich immer im Umbruch

Unsere besondere Zuneigung zu alten Zentren hat verschiedene Quellen. Dazu gehört eine Auffassung von Stadt aus dem Mittelalter. Das Palais des Fürsten, der Dom und der Bischof, der Marktplatz, die Stadtmauer. Solche Anordnungen waren oftmals von Toren und Zugbrücken umgeben, auf daß sich die Zivilisation gegen die Wildnis abschotten konnte. (Kommt Ihnen dieses Motiv bekannt vor?)

Wo Städte an Handelsrouten lagen, herrschte eventuell die Pflicht zur Niederlage. Das bedeutet, durchreisende Kaufleute mußten ihre Waren einige Zeit in der Stadt anbieten. Massengüter konnten freilich ohnehin nicht über Land transportiert werden, sondern waren auf dem Wasserweg unterwegs.

Das können Sie in Graz noch finden, wo der Floßlendplatz seinen Namen von einer Anlegestelle am Fluß Mur erhielt. Das war am rechten Ufer eingerichtet, wo in der sogenannten Murvorstadt für die Bedürfnisse der Bürger am anderen Murufer gearbeitet, produziert wurde.

Später führte dort über Lendplatz und Griesplatz die Post- und Kommerzstraße, deren Reste man heute noch als Alte Poststraße finden kann. Sie verband einst Wien, das Zentrum der Monarchie, mit dem Hafen in Triest.

Das Gleisdorfer Gegenstück zu solchen Entwicklungen wäre wohl die vormalige Poststation im Stadtzentrum , von der wesentliche bauliche Elemente noch bestehen, wenngleich sie nicht mehr öffentlich zugänglich sind. Transport und Kommunikation waren ja Fundamente jeder gedeihlichen Entwicklung, das einstige Postamt daher eine Schlüsselstelle solcher Prozesse.

Postamt und Poststation Gleisdorfs lagen einst mitten in der Stadt

Postamt und Poststation Gleisdorfs liegen mitten in der Stadt

Hauptplatz und Bürgergasse weisen schon durch ihre Namen darauf hin, daß sich der Ort aus bescheidenen agrarischen Verhältnissen herausgeschält hat und über ein Kleinbürgertum verfügt, welches die Entstehung von urbanem Leben voranbrachte.

Was in dieser vergangenen Zeit das Ortszentrum geprägt hat, ist heute nur mehr in Teilen mit jener wirtschaftlichen Elite deckungsgleich, durch die ein Dörfchen zur Stadt wird und das auch bleibt. Die Wirtschaft hat Gleisdorf neue Zentren geschaffen und die Gemeindezusammenlegung aus dem Jahr 2015 hat das gesamte Gefüge grundlegend verändert.

So ist es interessant, das alte Zentrum heute eingehend zu betrachten. Es war seinerzeit selbst einmal ein neues Zentrum gegenüber dem Ensemble rund um die Marienkirche.

Nun legt es eine Neudeutung nahe, denn jene Funktionen, die es an die jungen Zentren am Stadtrand abgeben mußte, werden nicht mehr zurückzuholen sein. Positiv betrachtet schafft das Raum für neue Aufgaben. Und die sind?

— [Gleisdorf Zentrum] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
Dieser Beitrag wurde unter Feuilleton abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.