Raum der Poesie: Gespräche

Im Sport nennt man das eine fliegenden Start. In die Fliegerei nennt man das durchstarten. Daran ist nichts Sensationelles. Es bedeutet bloß, daß man in einem Vorhaben nicht erst aus dem Stand beginnen muß.

Graphic Novelist Jörg Vogeltanz downtown Gleisdorf.

Doch solche Floskeln wurden in rustikalen Public Relations schon bis auf die Knochen abgenutzt. Brauchen wir nicht! Was sich hier gerade verdichtet, entsteht aus der ohnehin kontinuierlichen Arbeit einiger inspirierter Leute.

Das bedeutet auch, der „Raum der Poesie“ stützt sich im Moment neben ersten Praxisschritten vor allem einmal auf Gespräche. Verständigungsschritte. So wie eben mit Graphic Novelist Jörg Vogeltanz.

Ein virtuoser Zeichner, mit dem mich etliche Jahre einer kontrastreichen Vorgeschichte verbinden. Vogeltanz war einer der drei maßgeblichen Akteure, als im Jahr 2000 Kultur.at in die Gänge kam. Wir haben damals gemeinsam mit IT-Fachmann Jürgen Kapeller ein Stück heimischer Netzkulturgeschichte geschrieben.

Ich hatte in der ersten Hälfte von 1998 im Web die v@n-site aufgemacht. Das waren frühe Jahre dessen, was uns heute selbstverständlich erscheint. (Österreich wurde etwa 1992/93 über das Internetprotokoll TCP/IP in das Netz der Netze eingebunden worden.)

Damals war für uns der „virtuelle Raum“ irritierend neu, mußte erkundet werden. Heute ist in all dem ein völlig anderes Tempo. Und vieles, was sich aktuell als dominant erweist, bleibt in ganz seichten Gewässern. Das war für mich eines der Themen in diesem aktuellen Gespräch mit Vogeltanz. Wir waren uns einig: An der Tiefe und an der Komplexität festhalten. (Auch wenn rundum sehr viel Gefälliges gefeiert wird.)

1998: Meine erste eigene Splash Screen im World Wide Web.

Es steht selbstverständlich jedem Menschen frei, sich bezüglich Kunst und Kultur lieber in seichten Gewässern aufzuhalten. Wie Vogeltanz treffend betont, da ist man dann freilich schnell im Bereich eines Dekorationsgeschäftes. Er unterscheidet in seinem Tun lieber genau, was Auftragsarbeiten sind, also angewandte Formen, und was er in einer autonomen künstlerischen Praxis realisiert.

Bei all dem nützt dann auch die Unterscheidung, wie ich sie eben auf der Startseite der Episode XXXI vorgenommen hab. Poiesis: das Erschaffen. Praxis: der Umgang damit. Ich bezeichne Leute wie uns, die mit Poiese bafaßt sind, folglich künstlerische Werke erschaffen, als „Primäre Kräfte“. Das ist keine hierarchische Betrachtung.

Für ein reges kulturelles Leben sind in einem Gemeinwesen auch die anderen Kräfte unverzichtbar. Deutung, Vermittlung, Vermarktung, das Feuilleton, die Agenturen des Kunstmarktes und generell, jene des Kunstbetriebes etc.

Es hängen also etliche Metiers dran. Selbst Politik und Verwaltung können nicht ignoriert werden. Auch die „Hobbyliga“ (Voluntary Arts) ist genuiner und legitimer Bestandteil des kulturellen Lebens. Aber wir unterscheiden all das nach den Agenda, nach den Intentionen und Fertigkeiten der handelnden Personen.

Praxis ist eben nicht Poiesis. Kunst und Voluntary Arts sind verschiedene Genres. Eine Metapher in der Sache: Sie können auf einem Sessel sitzen, auf einem Sofa, aber auch auf einem Tisch, auf einem Mäuerchen… Wozu all die verschiedenen Begriffe, wenn es einerlei wäre. Dann könnte das Wort Sitzgelegenheit völlig genügen. Nein, es genügt natürlich nicht.

Zeit.Raum Gleisdorf
+) Episode XXXI:  Die Startseite

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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