30 Jahre LEADER V

Das Bottom up-Prinzip II

In meiner LEADER-Glosse #2 hab ich notiert, weshalb ich mich auf steirischer Ebene seit 2007 mit diesem Prinzip befaßt hab. Davor war ich schon einige Jahre mit vergleichbaren Überlegungen beschäftigt, als wir ab den 1980ern über „Eigenständige Regionalentwicklung“ nachdachten.

Gleisdorfer Licht-Installation von Alfredo Barsuglia

Im Mai 1990 erschien dann die erste Ausgabe des Periodikums „Regung“, dessen Titel wir mit dem Begriff Regionalentwicklung verzahnt hatten. Wer „Wir“? Redaktion: Luis Fidlschuster & Martin Krusche. [LEADER-Glosse #2]

Fidlschuster ist heute Bereichsleiter im „Fachbereich Basisdienstleistungen, LEADER und Regionalentwicklung“ beim „Netzwerk Zukunftsraum Land“. Von etwa 1990 bis 2020 hat die Bedeutung des Begriffs „Bottom up“ aus der Praxis allerhand Veränderungsschübe erfahren. Laufende Debatten in den Regionen und manche Einwände von Behördenseite haben die Vorstellungen präzisiert, was als „Bottom up“ gelten dürfe und was nicht.

Das bleibt bis heute wichtig, weil die Beachtung dieses Prinzips bei allerhand Budgetvergaben zu den Kriterien zählt. Das heißt unter anderem: kein EU-Geld für Projekte, wo das Bottom up-Prinzip zu den Grundlagen des Programmes zählt, wenn sie ohne dieses Prinzip auskommen möchten.

Das erste Heft von 1990

Dezentralisierung
Ich hab bei mehr als einer Veranstaltung zu hören bekommen, wie Kräfte der Regionalpolitik von der Landesebene her ermahnt wurden, das ernst zu nehmen. Dabei oft auch der Hinweis: „Hören Sie auf, uns ein Schwimmbecken als LEADER-Projekt zu verkleiden, dann ersparen Sie uns die Mühe, das Konzept zurückzuweisen.“

Das hat sich inzwischen geändert, indem die Entscheidungsbefugnis zu Projektgenehmigungen an die zuständigen Gremien der einzelnen LEADER-Regionen abgegeben wurde. Das heißt, in meiner Region wird von der zuständigen Jury entscheiden, was umgesetzt werden soll, folglich auch was Bottom up ist und was nicht.

Damit ist neu geordnet worden, was Bottom up bedeutet. Die zwei dominanten Positionen:
a) Bottom ist die Zivilgesellschaft: von den Bürgerinnen und Bürgern aufwärts.
b) Bottom ist die Funktionärswelt: von den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern (sowie deren Gewährsleuten) aufwärts.

Ich habe ursprünglich gemeint, die Funktionärswelt (b) solle der Zivilgesellschaft (a) unterstützend entgegenkommen und deren Kompetenzen abfragen. Das hat sich nicht als vorrangig durchgesetzt. Inzwischen scheint mir für den Kulturbereich, die Funktionärswelt dominiert bei uns das Programm und kommt der Zivilgesellschaft bestenfalls dort entgegen, wo eine Idee sich den Eigeninteressen der Funktionärswelt unterordnet.

Eines der Motive dafür läßt sich leicht ausmachen. Wir haben seit 2010 einen permanenten Prozeß der Reorganisation laufen, weil Budgets dauernd knapper werden. Das sind Effekte im Kielwasser der Weltwirtschaftskrise von 2008/2009 (Lehman Bros. etc.). Im Wettrennen um noch verfügbare Gelder wollen allerhand Leute aus Politik und Verwaltung die Budgets nicht den „Laien“ überlassen, sondern brauchen sie für den eigenen Personalstand und nötige Projekte. Das führt etwa im Kulturbereich manchmal zu den abenteuerlichsten Simulationen eines vitalen Kulturbetriebs.

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Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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