Dorf 4.0: Das Neue als das Notwendige

Zwei Bürgermeister machen sich mit mir eine Gaude und geben mir die Präsidenten-Pose. Noch dazu in einem Schloß. Total amtlich. Der Anlaß? Wir haben eine sehr detaillierte Übereinkunft, regionale Wissens- und Kulturarbeit in einem ortsübergreifenden Modus längerfristig voranzubringen.

Seriöse Arbeit plus Augenzwinkern: Robert

Seriöse Arbeit plus Augenzwinkern: Robert Schmierdorfer (links) Und Peter Moser unterschreiben einen Gründungsakt

Es könnte so erzählt werden: Wie die Kulturpolitik in die Dörfer kam. Das ist eben auch ein Ausdruck von Ereignissen auf der Höhe der Zeit.

Landläufig wird Kulturpolitik ja oft so verstanden: Verfügbare Budgets verwalten, Veranstaltungen eröffnen, möglichst oft aus der Zeitung lachen. Das ist aber bloß Beiwerk.

Was ich nun mit den Bürgermeistern Peter Moser (Ludersdorf-Wilfersdorf) und Robert Schmierdorfer (Albesdorf-Prebuch) erlebe, ist die Arbeit an mehreren Teilthemen, die sich komplementär verzahnen lassen, um sich als große Themenstellung zu ereignen.

Dazu gehören eine Jahresplanung und Blicke über den nächsten Jahreswechsel hinaus. Dazu gehören Kooperationslagen, denn niemand ist alleine schlau und niemand schafft so ein Pensum alleine.

Was aber noch wichtiger ist, das mußte diesen Männern nicht erklärt werden, so ein Prozeß kann nur abheben, wenn dabei nicht zentralisiert wird, wenn autonome Ortsformationen ihre Anteile ganz eigenständig entwickeln können.

Das hat seine Gründe nicht bloß in den Eigenheiten der Dörfer. Es geht weit über diese Dimension hinaus, in der hierarchische Konzepte a la 19. Jahrhundert hinfällig geworden sind.

Nach der Unterschrift werden Hände geschüttelt!

Nach der Unterschrift werden Hände geschüttelt!

Jeremy Rifkin hat das in einem seiner wichtigen Beiträge zur aktuellen Debatte deutlich gemacht. Er beschrieb „die vertikal integrierten Monopole der Zweiten Industriellen Revolution des 20. Jahrhunderts“ als hinfällig, da in der längst angebrochenen Vierten Industriellen Revolution völlig andere Aufgaben auf uns zukommen, die mit völlig anderen Mitteln zu bearbeiten sind.

Sie meinen, solche Erörterungen werden in den Dörfern nicht geführt? Sie werden staunen!

Freilich, die Bürgermeister kleiner Provinzorte haben keine Abteilungen unter sich, Referate zur Hand, Ausschüsse bei der Arbeit. Wozu braucht also ein Dorf Kulturpolitik?

Aus dem gleichen Grund, warum es Politik braucht; im klassischen Sinn europäischer Erfahrungen. In der Antike hatte man die Vorstellung, daß Gemeinwesen (Polis) und „Staatskunst“ (Politike) zusammenwirken mögen. Das meint ursprünglich der Begriff Politik.

In heutiger Deutung finden Sie das zum Beispiel im „Bottom up-Prinzip“. Bürgerinnen und Bürger bringen ihre Themen ein, engagieren sich im Gemeinwesen, die Politik holt sie dabei ab, die Verwaltung begleitet und verstärkt solche Prozesse. Genau DAS meint Politik im klassischen Sinn der europäischen Kulturgeschichte.

Solche Orientierung ist inzwischen eben auch in den Dörfern angekommen. Jetzt müssen wir erst einmal eine Weile arbeiten, um rauszufinden, was unsere Ansätze taugen und wie tragfähig sie sein mögen.

— [Dorf 4.0] —

P.S.:
Hier wurde ein simples Prinzip sehr gründlich verstanden. Was anderen Kräften gelingt, festigt genau den Boden, auf dem auch meine Arbeit gedeiht.

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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