Pop: Soziale Schübe und Mobilität

Der Rückblick macht deutlich, die Pop-Kultur Österreichs hat als ein herausragendes Vehikel das Mopperl. Mopeds waren bei uns — bis auf recht wenige Ausnahmen — Puch-Mopeds. Lohner, HMW und schließlich auch KTM hielten dem heimischen Marktdruck der Grazer „Schlurfraketen“ nicht stand.

Die "Stangl-Puch", der "Maurer-Bock", als Paradegaul individueller Mobilität nach dem Zweiten Weltkrieg

Das Puch-Mopperl war natürlich mit dem Puch-Schammerl assoziiert, denn wer ein Moped fuhr, träumte damals nicht von einem Motorrad, sondern von einem Auto. Aber ein richtiges Auto für Hinz und Kunz, das ist bis zum Zweiten Weltkrieg nur ein Traum gewesen.

Das Puch-Schammerl, Pucherl, der Puch-Wagen, der Steyr-Puch 500 war ein Meilenstein dieser Entwicklung und ist daher Pop. Das Pucherl als österreichische Folklore, deren Aufarbeitung bis heute noch nicht tiefergehend betrieben wurde, ergibt eine Themenstellung, die sich aus mehreren Ereignislinien speist.

Betrachtet man diese Geschichte in einer Gesamtschau, werden einem wesentliche Kräftespiele der Industriellen Revolution klar. Hier eine kleine Skizze in Stichworten und wenigen Sätzen.

Der serienmäßige Steyr-Puch 500 DL (Dach, Luxus) erhielt sogar einen Anflug von Heckflossen

+) Johann Puch, als Janez Puh in der damaligen Untersteiermark geboren, ein Keuschlerbub, der es zum Handwerker und schließlich zum Fabrikanten bringt, das ist eine sozialgeschichtlich brisante Geschichte, die den „Sonderfall industrielle Revolution“ sehr anschaulich illustriert, uns eine Vorstellung verschafft, was mit „The Great Transformation“ (Karl Polanyi) gemeint war.

+) Mit der Ablöse des Hochrades durch das „Safety“ (Niederrad) begann eine radikale Revolution der individuellen Mobilität, die vorerst noch viele Jahrzehnte den „Personen von Stand“ vorbehalten war.

+) Bis zum Zweiten Weltkrieg waren die meisten Automobile auf unseren Straßen nicht in Privatbesitz, sondern Firmen- oder Behördenfahrzeuge. Der Erwerb und Erhalt von Autos ist derart teuer gewesen, daß sie für breitere Kreise unerreichbar blieben.

Das Puch-Schammerl als Flügeltürer: Pop-Paraphrase auf Supersportwagen (Foto: MIchael Toson)

+) Schon ein Fahrrad war eine sehr kostspielige Anschaffung. Das Konzept des „Volkswagens“ als ein Versprechen persönlicher Freiheit und Teilhabe am kommenden Wohlstand erlangte in der Nazi-Ära große Popularität.

+) Der italienische Fiat Nuova 500 und der österreichische Steyr-Puch 500 waren herausragende Produkte zwischen zahlreichen Mopedautos, Cycle Cars, Bubble Cars. Sie waren neben Fahrzeugen wie etwa dem Glas Goggomobil und dem BMW 700 keine „verkleideten Mopperln“, sondern „richtige“ Automobile mit Potential, deren enorme Reserven sich zum Beispiel im Rennsport zeigten.

+) Das Puch-Schammerl kam 1957 auf den Markt. Das war auch die Zeit, in der etliche Regierungen Europas eine eigene Fahrzeugklasse definierten, die bezüglich Steuern und Versicherung das Publikum weitgehend entlastete. Die Ära der Mopeds brach an.

+) Mit dieser rasant ansteigenden Verfügbarkeit eines eigenen Kraftfahrzeugs (im Privatbesitz) wurde ein enormes kreatives und handwerkliches Potential erschlossen. Plötzlich begann der „Pöbel“ seine Fahrzeuge zu modifizieren und nach eigenem Geschmack zu verschönern, aber auch für Rennen zu optimieren.

Unsere Vorstellungen von Modernität, Weltgewandtheit und Wundern der Technik kam aus solchen Heften

+) Simultan hatten diese Entwicklungen zu Veränderungen im sozialen Gefüge und in der Arbeitswelt geführt. Keine Ebene der symbolischen Darstellung blieb davon unberührt. Ob Mode oder Kinofilme, ob Werbeästhetik oder die Ausstattung von Cafés und Gasthäusern, ob die Inhalte der Popmusik oder der Groschenhefte, überall gewannen die Motive der Volksmotorisierung und die daran geknüpfte Räume an Weite und Reichweite.

+) Elaborierte visuelle Codes, Modetrends und soziale Wettbewerbe, deren Ergebnisse ihrerseits wieder kodifiziert wurden, all das nahm Einfluß auf die Gestaltung unserer Gebrauchsgegenstände im Alltag, prägte verschiedene Bereiche der Arbeitswelt, zeigte Spuren in der Gestaltung des „trauten Heims“.

+) Darüber lasen wir nicht in Schöner Wohnen nach, schon gar nicht in der Vogue. In unseren Gemeindbauwohnungen hatte man Readers Digest abonniert und durfte man sich gelegentlich ein Hobby-Heft kaufen.

+) Siehe auch „Spurtreue“, eine kleine Historie des Mopeds: [link]

— [The Track: Pop] [Generaldokumentation] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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