Klartext #3

Eugen Lendl sagt an einer Stelle der Debatte: „Du mußt dich entscheiden, ob du eher Geld machen willst oder eher Reputation.“ Damit deutet er an, Kunstschaffende müßten von sich aus sehr aktiv sein, grundlegende Entscheidungen fällen. Er hält es für Unfug, darauf zu warten, daß man „entdeckt“ werde. Überdies kennt er Geschichten von Leuten, die genau das täten, auf Entdeckung arten, dabei aber die Tür verschlossen hielten.

Eugen Lendl

Wir sind nun schon mehrfach an das Thema EPU herangekommen. „Einpersonenunternehmen“. Die dominante Betriebsgröße in Österreich. Mehr als 60 Prozent von 100 Prozent österreichischer Betriebe sind EPU. Mehr als 90 von 100 sind Klein- und Mittelbetriebe.

Wer sich selbst vormacht, Künstler zu sein enthebe einen kaufmännischer Aufgaben, träumt. Zumindest dann, wenn das Metier einen ernähren soll.

Wer seinen Brotberuf hat oder passend heiraten konnte, wer von gut situierten Eltern durchgefüttert oder von mitfühlender Verwandtschaft durch alle Unbilden getragen wird, darf sich derlei Überlegungen schenken. Der Rest muß sich die Ärmel aufstricken.

Privatklinik der Kreuzschwestern, Werkbundausstellung Gratkorn, Literaturcafe Graz, Kräutergarten GmbH Trofaiach, Springbrunnengalerie Laßnitzhöhe…

Die Liste führt penibel diverse Arztpraxen, Provinzsparkassen, zwei chinesische Lokale und ein paar Kaffeehäuser an. Ein Bildungshaus ist dabei. Eine Tankstelle auch. Über die Jahre kamen mehr als 20 solcher Ausstellungsorte zusammen. Dazu „Künstlerklausuren“ an der Adria und eine in den Bergen.

Martin Krusche (links) und Winfried Lehmann (Foto: Bosnic)

Weit länger ist die Liste der „Beteiligungen“. Zuzüglich der Nennung jener Personen, bei denen jemand Kurse absolviert hat. Darunter ist zwar niemand, der im Feuilleton je mehr als regionale Bedeutung erlangt hätte, aber es klingt so nett: „Kurse besucht bei“, „regelmäßige Workshops bei“ und „Mag. art“ bis „Prof.“ paßt allerweil drauf.

Muß ich weitermachen?

Eugen Lendl sagt ganz unmißverständliche: „Ein Insider versteht ein CV zu lesen.“ Man könne sehr schnell unterscheiden, ob jemand in der Ausstellungstätigkeit eher auf das Verkaufen aus sei oder auch auf den künstlerischen Rang im gegenwärtigen Betrieb. Privatkliniken, Tankstellen und Provinzsparkassen spielen für den Rang keinerlei relevante Rolle. Außer daß sie den Ruf in Frage stellen.

Lendl spricht ungeschminkt von „Punkte sammeln“. Das ist keineswegs rätselhaft. Gehen wir davon aus, daß die Notiz „Zahlreiche Ankäufe“ nichtssagend und daher überflüssig ist. Gibt es allerdings namhafte Sammlungen, in denen jemand vertreten ist, Punkte!

Lendl: „Alles bringt Punkte. Wenn du gute Kataloge hast. Wenn über dich geschrieben wird.“ Sichtbarkeit. Wahrgenommen werden. Rezeption und Rezension sollten nachvollziehbar werden. „Wenn du nichts investieren kannst, ist es schwierig, etwas zu erreichen.“

Ivan Redi (Foto: Bosnic)

All das spielt sich keinesfalls in den Dörfern ab. Lendl: „Ein internationaler Kurator kommt nicht nach Graz.“ Dem muß man selbstverständlich an anderen Orten auffallen.

Ivan Redi ergänzt: „Kuratoren gewinnen, Ausstellungen machen, Publikationen, das kostet viel Zeit.“ Damit scheint klar, falls man die Zeit dafür selbst nicht aufbringen kann, muß man jemanden für solche Arbeiten bezahlen.

Wir kennen die üblichen Ressentiments gegenüber solchen Erörterungen. Was alles nicht Sache der Künstlerinnen, der Künstler sei. Dabei kommt es vorzugsweise zu einer bemerkenswerten Verwechslung von Kategorien der Kunst mit jenen des Sozialen.

Wer würde bestreiten, daß man in eigener Kunstpraxis meist ganz ohne die Kompetenzen eines Buchhalters oder eines Werbefachmannes auskomme? Die künstlerische Arbeit und deren Vermarktung sind freilich zweierlei.

Typische Arbeitsplatz-Situation von diSTRUKTURA

Lendl sagt: „Künstler sollten lernen, daß Business nichts Böses ist.“ (Wie lauten allfällige Einwände?) Falls aber Business etwas „Böses“ wäre, warum sollte das wer anderer übernehmen? Warum sollten Kunstschaffende sich davon suspendieren und diesen Teil des Jobs anderen Leuten aufbürden?

Fragen über Fragen.

Milan Bosnic erwähnt im Lauf des Gespräches: „Heute ist es so, daß ich meinen Traum lebe. Reisen und arbeiten.“ Das hat eine klare Konsequenz. Wenn Milicevic und Bosnic nicht gerade vor der Leinwand sitzen oder andere Teile eines Werkes auf den Punkt bringen, agieren sie als Geschäftsleute.

— [The Styrian Sessions] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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