Wovon handelt Kulturpolitik? #28

„…aber das obige Zitat kann ob seiner gewissen Überheblichkeit nicht ohne Kommentar bleiben: Es enthält nämlich ein gewisses Quantum schwer erträglichen Elitebewusstseins, welches mich immer skeptisch stimmt.“

Elitär sein? Na sowas! Und Überheblichkeit? Das geht schon gar nicht! Vor allem eine „gewisse“. Weil! Dann wäre da auch noch ein „gewisses Quantum“ festzustellen. Geht ebensowenig. Nicht in Graz. Nicht in Österreich.

Die Anwendung künstlerischer Technikeen bedeutet nicht, daß dadurch ein Kunstwerk entsteht. (Diese Arbeit legt offen, daß hier keinesfalls längerfristige Praxis und Talent zusammengefunden haben.)

Was wir außerdem am allerwenigsten wollen, ist ein Kunstdiskurs oder einer über kulturpolitische Fragen. Warum? Wer sich „phrasologisch absichert“, muß als verdächtig gelten.

Konsequentes Denken? Verdächtig! Seine Gründe nennen? Verdächtig! Ausloten, was Kulturpolitik auf der Höhe der Zeit bedeuten könnte? Verdächtig. Unerwünscht!

Was hab ich da bloß gemacht? Und was hab ich mir dabei bloß gedacht? Nämlich: „Außerdem besteht es in einer Platitüden-Beschreibung der eigenen Position,…“ so der Befund des Keramikers E. S. angesichts meines „Mission Statements“ zum „Kulturpakt Gleisdorf“; siehe: [link]

Zugegeben, ich freue mich, wenn in der Landeshauptstadt wahrgenommen wird, was wir auf dem Lande tun. Das kommt so selten vor, da vergnügen einen sogar Schelte.

Überdies, in diesem Landeszentrum Graz, wo satte drei Viertel des gesamtsteirischen Kulturbudgets konsumiert werden dürfen, ist öffentlicher kulturpolitischer Diskurs derart rar geworden, da darf die S.’sche Post als Frohbotschaft gelten: „Ah! Es wird dort doch noch kulturpolitisch gedacht.“

Aber woran mag er sich denn nun gestoßen haben? Ich vermute: An den Folgen eines Trugschlusses in der Deutung des Satzes, den er an den Anfang gestellt hat:

[Krusche:] „Hier treten keine Bittsteller auf, die um Förderung ersuchen, ohne womöglich sagen zu können, worin nun ihre privaten Partikularinteressen auch gesellschaftliche Relevanz hätten.“

S. dazu, nachdem er sicher nachgesehen hat, was der „Kulturpakt“ ist:
„Ich würde das nicht einmal dem/der bescheidensten BlumenmalerIn absprechen wollen/können…“

Darin sind wir völlig d’accord!

Ich spreche keinesfalls dem Tun der Hobby-Leute, Blümchen-Malerinnen, Bastler und Sonntags-Kreativen (ja nicht einmal dem von ausgemachten Stümpern) gesellschaftliche Relevanz ab. Ganz im Gegenteil! Und das mindestes aus dem einfach Grund, weil ich von der förderlichen Wirkung kreativen Schaffens aus eigener Erfahrung genug weiß UND weil etwa in der „Provinz“ ohne diese Leute fast gar nichts los wäre.

Es war vielleicht ein wunderbares Erlebnis, das zu malen. Dieses Blatt mag hohen persönlichen Erinnerungswert haben, dürfte aber für einen Finanzierung aus öffentlichen Mitteln kaum uin Betracht kommen.)

Oder, um es etwas seriöser zu formulieren: Die Voluntary Arts und ihre Leute sind ganz und gar unverzichtbar, wenn es um das kulturelle Klima der Region geht. Sie sind die gesellschaftlich äußerst relevante Lobby für ein kontrastreiches Kulturgeschehen, wo sonst nichts dergleichen wäre, denn die Gegenwartskunst hat ihre Orte meist nur in den Zentren, nicht auf dem Lande.

Wovon ich hier geschrieben hab und wofür der „Kulturpakt Gleisdorf“ steht, berührt freilich einen ganz anderen Aspekt des Themas, den S. allerdings beiseite läßt.

Worum geht es also, da ich geschrieben habe „Hier treten keine Bittsteller auf, die um Förderung ersuchen, ohne womöglich sagen zu können, worin nun ihre privaten Partikularinteressen auch gesellschaftliche Relevanz hätten.“?

Ich möchte mich da über das Verhältnis zwischen Kunstschaffenden und dem Staat äußern, über Rollen und Positionen, über gute Gründe zur Verwendung öffentlicher Gelder.

Meine Annahme und praktische Erfahrung:
Wo ich eine Kofinanzierung aus öffentlichen Mitteln suche, beanspruche, verlange, werde ich die gesellschaftliche Relevanz des jeweiligen Projektes formulieren, darstellen müssen.

Davon ist allerdings unberührt, was etwa mit Ankaufsbudgets für Kunstwerke geschieht, wo also Gelder unmittelbar in die Kunstproduktion gehen.

In diesem Bereich werden vermutlich Kategorien der Kunst zur Debatte stehen, die sich freilich von sozialen Kategorien unterscheiden. Beim Ankauf von Kunstwerken geht es hoffentlich nicht um gesellschaftliche Relevanz, sondern um das künstlerische Gewicht eines Werkes.

Manchmal, so höre ich, geht es dabei auch um die desaströse materielle Lage eines oder einer Kunstschaffenden, welche durch einen Ankauf kurz gebessert werden soll. Aber ich würde es eindeutig vorziehen, daß ein notleidender Künstler soziale Hilfe nicht aus dem Kunstbudget bezieht, sondern aus dem Sozialbereich. Für den Ankauf von Kunstwerken aus öffentlichen Mitteln möchte ich lieber rein künstlerische Kriterien angewandt wissen.

Die Befassung mit solchen Blättern fällt nicht in meinen Aufgabenbereich. Elitär? Weil ich Prioritäten setze?

Für die Kofinanzierung künstlerischer Projekte aus öffentlichen Geldern, sollten dagegen — wie erwähnt — private Partikularinteressen nicht ausreichen, sollte auch gesellschaftliche Relevanz des jeweiligen Projektes darstellbar und nachvollziehbar sein.

Wer diese minimale Voraussetzung als Zumutung empfindet, möge sich auf dem privaten Markt mit Geldern versorgen. Ich habe nicht die geringste Idee, wie öffentliche Gelder seriös vergeben werden könnten, ohne wenigstens diese grundlegende Anforderung einer Begründung zu verlangen.

S. konstatiert: „und: Förderungswerber bleiben Bittsteller, das kann man drehen und wenden wie man will“.

Ich will gerne glauben, daß Hobby-Leute, Blümchen-Malerinnen, Bastler und Sonntags-Kreative es gelegentlich so empfinden, falls sie um Fördergelder anstehen, aber weder nach Kategorien der Gegenwartskunst, noch im Kontext eines darstellbaren „breiteren gesellschaftlichen Interesses“ Begründungen für ihre Budgetwünsche zustandebringen.

Im Profi-Bereich läuft das dagegen ganz unaufgeregt und unkompliziert:
+) Ich konzipiere, kalkuliere und begründe ein Projekt.
+) Ich brauche mehrere Gegenüber als potentielle Cofinanciers, denn nur selten ist ein einzelner Geschäftspartner geneigt, ein Projekt gänzlich auszufinanzieren.
+) Dann verhandle ich, bringe es zu einem Abschluß;
+) …oder ich starte meinen „Plan B“, ohne den es keines meiner Projekte gibt.

In diesen Abläufen habe ich noch nie erlebt, daß jemand geneigt wäre, mit einem Bückling, Bettler, Lakaien zu verhandeln. Wer in solcher Pose antanzt, schafft es selten über das Vorzimmer hinaus ins Zentrum derer, die Budgets vergeben.

— [übersicht] —

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Die Nachricht im vollen Wortlaut:
„. . . . lieber Martin – ich lese immer wieder teils auch mit Interesse deine Kommentare und Mitteilungen (ohne mich irgendwie da einlinken oder wichtig machen zu wollen) – aber das obige Zitat kann ob seiner gewissen Überheblichkeit nicht ohne Kommentar bleiben: Es enthält nämlich ein gewisses Quantum schwer erträglichen Elitebewusstseins, welches mich immer skeptisch stimmt. Außerdem besteht es in einer Platitüden-Beschreibung der eigenen Position, die letztlich trotz ihres elitären Beschreibungsjargons bei genauerer Betrachtung für alle gilt: Jeder kann, wenn er sich nur ausreichend phrasologisch absichert, beschreiben, worin seine “gesellschaftliche Relevanz” über seine “Paritkularinteressen”hinaus besteht. Ich würde das nicht einmal dem/der bescheidensten BlumenmalerIn absprechen wollen/können – und: Förderungswerber bleiben Bittsteller, das kann man drehen und wenden wie man will . . . . (das kommt spätestens dann ans Licht, wenn man tatsächlich um Förderung wirbt)(und letztlich vielleicht auch zu Recht, wenn man an andere Weltgegenden und andere Systeme denkt) – herzlichst – E.“

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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