Weg mit der Kunst! (III)

Gestern schwang sich eine kettenrauchende Dame jenseits des achtzigsten Geburtstages an meinen Tisch, um mir zu erzählen, daß sie lieber am Friedhof läge, weil ihr das Leben eine Bürde sei.

Als Witwe bekomme sie bloß 50 Euro von der Pension ihres Mannes, denn das werde zu ihrer eigenen Pension gegengerechnet. Sie habe ja über 40 Jahre gearbeitet. Und bei Hitler sei alles besser gewesen.

Künstler Helmut Rabel

Sie ahnen, wie sympathisch mir solche Leute sind, die sich über Hitler etwas vormachen und so dieses Verbrechersystem schönreden. Und daß jemand mit wenig Geld auskommen muß, ist mir bestens vertraut. Ich bin nun 57, habe also auch über 40 Jahre Arbeitsleben hinter mir, da ich meine Zeit als Lehrling mitrechnen darf. Reden wir also über das Leben, den Sinn, das Geld und die Arbeit.

Dieses Intermezzo mit der alten Frau lag zwischen einer Besprechung mit a) dem Fotografen Helmut Rabel und b) dem Techniker Michael Toson. Beiden bin ich über gemeinsame Projekte verbunden. Mit Rabel führe ich gelegentlich Kunstdiskurse, mit Toson keine.

Damit möchte ich ausdrücken, daß ich große Wertschätzung für inspirierte Menschen mit Tatendrang habe. Fragen der Kunst sind dazu keinerlei Bedingung.

Was uns verbindet, ob nun gerade der Gegenwartskunst verpflichtet oder nicht, wurzelt in gemeinsam genutzten Quellen, in Emotionen, Wissensdurst, Empathie, in einer kühnen Mischung von sehr unterschiedlichen Motiven.

Während ich in diesen Stunden eine kurze Wartezeit hatte, entdeckte ich bei der Zeitungslektüre eine Meldung über den Politiker Robert Lugar, dem „Team Stronach“ zugehörig. (Der Stadard, 21.2.2013)

Er habe im Wahlkampf verlautbart, die oder eine „Künstlerschaft“ sei von Landeshauptmann Erwin Pröll „schwer abhängig“, das sei „ihm zugetragen worden“, würde ihm aber von Kunstschaffenden nicht bestätigt; eben WEIL solche Abhängigkeit bestehe.

Techniker Michael Toson

Ein völlig groteskes Denkmodell, in dem der aufstrebende Bürger die Feudalzeit beschwört, als Künstler tatsächlich von Fürsten auf eine Art abhingen, die wir uns heute nicht mehr vorstellen möchten. (Was der Politiker Lugar so über Österreichs Politik aussagt, ist bemerkenswert!)

Dieses Muster gewinnt in den letzten Monaten an Deutlichkeit, war zwischendurch bloß ein wenig verblaßt. Es ist vor allem eine gebildete Mittelschicht, welche Kunstschaffende anfeindet, desavouiert. Die Art und die Argumente sind überschaubar.

Im Zentrum solcher Anfeindungen stehen stets das „Elitäre“, das „Abgehobene“, das „Intellektuelle“. Darin haben wir eine ungebrochene Tradition in der Intellektuellenfeindlichkeit, die Hitler und Kosorten so gerne feierten. (Der „Primat der Tat“ als eines der Fundamente des Faschismus.)

Auf diesem Themenfeld mischen auch Kunstschaffende selbst mit, wie jüngst etwa die Autorin Andrea Wolfmayr oder der Keramiker Erwin Schwenter erkennen ließen.

Im Katalog der Abwertungskriterien tauchen dann auch noch auf:
a) die fehlende Marktrelevanz Kunstschaffender und
b) die generelle Unnötigkeit von Kunst.

Dabei ziehen natürlich unsere Kolleginnen und Kollegen nimmer mit, es bleiben aber genug andere, die sich das so zurechtreden, ohne offenbar zu wissen, wovon sie reden.

Wir reden davon, daß also Österreichs Kunstschaffende mehrheitlich keine Chance haben, auf dem freien Markt ein adäquates Jahreseinkommen aus bloß künstlerischer Arbeit zu erzielen. Das, so nehmen gedankenlose Menschen gerne an, macht uns zu unnötigen, autoritätshörigen, von der Politik abhängigen Wesen.

Es wäre freilich interessant, zu überprüfen, ob nicht genau DAS die privaten Angstthemen jener Leute sind, weshalb sie nach „Projektionsflächen“ suchen, an denen sie das Unbehagen über ihre eigene Befindlichkeit abarbeiten können.

Es gehört definitiv nicht zu den Agenda der Kunst, sich diesen Leuten und solchen Fragen auf diese Art zu widmen. Aber es liegen interessante soziokulturelle Aufgabenstellungen darin und ich bin gelaunt, mich dem ausführlicher zu widmen.

Vor allem auch, weil wir seit vielen Jahren eine konsequente Abwertung von Wissensarbeit und Kulturarbeit erleben, die mit solchen Scheinargumentationen bemäntelt wird. Das verlangt nach Widerspruch.

[weg mit der kunst!] [helmut rabel: home] [michael toson: home]

Quelle: Der Stadard, 21.2.2013

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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