Routen 270: Das Roller-Revival

Für die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg fehlt es offenbar an Belegen, daß Tretroller als Kinderspielzeug angeboten wurden.

Anno 1927 (Quelle: Österreichische Nationalbibliothek)

Das heißt, sie wurden nicht in Serien, womöglich industriell, hergestellt und in Umlauf gebracht. Ich nehme aber an, daß Bastler mancherorts solche Kick Scooter als Unikate gebaut haben. Genau das gab es nämlich davor auch schon in der Fahrradgeschichte.

Das Laufrad von Karl Drais war schließlich seit 1817 bekannt und ist gewiß in zahlreichen Blättern quer durch Europa gezeigt worden. Genau solche Darstellungen waren dann vermutlich Tüftlern eine Anregung. Dieser Fahrzeugtyp – das Laufrad – ist übrigens bis heute präsent. Es wird Ihnen sicher schon so manches Kind mit so einem kleinen Vehikel um die Beine gefahren sein.

Evergreen: Rund 200 Jahre Laufrad.

Ab den 1920ern wurde „gescootet“. Ein Inserat in „Sport im Bild“ aus dem Jahr 1927 preist einen Tretroller von Steiff-Bärkopf an, wie ich ihn als Kind auch noch gesehen hab. Aber Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre wurden „Luftroller“ eher nachgefragt. Das waren weit komfortableren Roller auf der Basis von Rohrrahmen. mit Speichenrädern und Luftreifen, größer als die alten Scheibenräder aus Holz. (Damit fiel man auf Unebenheiten nicht mehr so leicht auf die Nase.)

Links starrer Scooter, rechts Klappscooter.

Das Autoped, ein Motor-Scooter, mit dem wir die Suffragette Florence Priscilla Lady Norman oft auf einem Foto aus der Zeit zu sehen bekommen, war dagegen rund um 1920 eine High Tech-Version. (Kick Scooter mit Hilfsmotor.) Aber dieses ganze Sortiment, die Laufräder und Tretroller, sowie motorisierte Roller ähnlicher Bauart, sind in rund hundert Jahre lang nie ganz verschwunden. Im Gegenteil! (Siehe den Autoped in „Scooter III“!)

Zielort Bahnhof: Erwachsene im Nahverker.

Tretroller hatten in der jüngeren Vergangenheit ein staunenswertes Revival, wobei mich am meisten überrascht hat, daß vor wenigstens 20 Jahren vor allem kleine Scooter mit diesen Winzlingsrädern, ähnlich gebaut wie der frühe „Radelrutsch“, so große Nachfrage erlebten. Etliche davon als „Klapp-Scooter“, die man zusammenfalten und an einem Riemen über der Schulte mitnehmen konnte.

Plötzlich gab es in unseren Gassen dann auch wieder motorisierte Rutscher in der Art des Autoped. Parallel zur Entwicklung der Pedelec, der Fahrräder mit elektrischen Hilfsmotoren, waren schließlich kleine, leistungsfähige Elektromotoren und Akkus verfügbar, die in Tretrollern verbaut wurden.

Fast schon komfortabel: Cruzer mit Radnabenmotor.

Heute sehe ich oft einen Elektro-Scooter an mir vorbeiwischen, dessen Tempo eine technische Ausstattung belegt, welche ich dem Fahrzeug kaum ansehen kann, so klein sind die Komponenten. Im Innenstadtbereich kommen mir damit Jugendliche und Erwachsene unter, während die Kinder gewöhnlich noch selbst treten müssen.

Außerdem gibt es vielfältig dimensionierte Elektroroller, in den Größen gestaffelt zwischen Rutscher, Einkaufswagerl und Graf Carello. Da schließt der Fahrzeugtyp zu den Moped-Autos auf. Parallel dazu steigt die Zahl der Lastendreiräder, die meist ein Layout wie in der Nachkriegszeit haben, respektive an der Ape von Piaggio Maß nehmen.

— [Scooter: Piaggio, Puch und Popkultur, ein Rückblick] —

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