Raum der Poesie: Mission Statement

Ich habe den „Raum der Poesie“ ein Portal genannt. Ein Areal der Poiese und der Praxis. Das heißt auch, es ist eine Transit-Zone.

Zonen des Übergangs als nächste Freiräume…

Poiese bedeutet, daß man etwas zur Existenz bringt, was es vorher nicht gab. Es ist grundlegender als das Herstellen, bei dem man auf Rohmaterial zugreift. (In der Transit-Zone wird damit bewußt umgegangen.)

Erschaffenes und Erzeugtes sind zweierlei. (Das Erschaffene ist mit dem Axiom verwandt.) Poetin, Poet und Homo faber… Typen eines kulturellen Narrativs. Weshalb dieser ausdrückliche Bezug auf unsere Kulturgeschichte? Wozu eine Transit-Zone einrichten und markieren?

Weil wir uns in einem Umbruch befinden, der mutmaßlich so radikal und weitreichend ist, wie einst die Durchsetzung der Schriftkultur gegenüber den oralen Kulturen. (Platon beschrieb im „Phaidros“ die Kritik des Sokrates an dieser Entwicklung.) Ich meine aktuell, die Ablöse der Dampfmaschinenmoderne durch die Digitalmoderne mit ihren selbstlernenden Systemen. Das hat eine vergleichbare Dimension und vermutlich ähnlich radikale Auswirkungen auf Gesellschaften.

Nun erlebe ich seit längerer Zeit ein betörendes Getöse rund um das Thema „Künstliche Intelligenz“ und deren praktische Anwendungen. Darin schimmert auch die Idee von „kreativen Maschinen“ durch, die uns Menschen in kulturellen und künstlerischen Bereichen so konkurrenzieren sollen, wie einst die industrielle Facharbeiterschaft von Robotern konkurrenziert wurde.

Vor zwei Jahrzehnten: Publizist David Staretz (links) und Graphic Novelist Jörg Vogeltanz.

Das beeindruckt mich wenig! Der Industrie mag es Profite gebracht haben, Facharbeiter da und dort durch Maschinen zu ersetzen. (Ein Prozeß, dessen Beginn zur Zweiten Industriellen Revolution wurde.) Kunstschaffende sind vergleichsweise billig und überreich präsent, auch Werke gibt es in allen Genres massenhaft. Läßt man einen kleinen Kreis von Kreativen im Hochpreissegment kurz beiseite, muß mir erst einmal jemand vorrechnen, welche Einsparungen durch kreative Maschinen ein relevantes Ausmaß erreichen.

Das Mensch-Maschinen-Verhältnis
Ich erinnere mich an Diskurse aus den 1970er Jahren, als sich Leute wie Joseph Weizenbaum und Hans Moravec mit den Fragen befaßten, ob man denn Geist auf Maschinen herunterladen könne. (Weizenbaum betonte in einem seiner Bücher: „Der Prüfstein von Macht ist Kontrolle“.) Da sehe ich derzeit noch keine Revolution, auch wenn Quantenmechanik den einen oder anderen Kategoriensprung ermöglichen wird.

Was ich derzeit über smarte Systeme weiß, halte ich nicht für Intelligenz, sondern für die Leistungsfähigkeit von Assistenzsystemen mit enormen Rechenkapazitäten. Es ist aktuell immer noch eine Prothetik. Ich will also unterschieden wissen, was Menschen und was Maschinen können; vor dem Hintergrund, daß nun während etlicher Jahrzehnte Maschinen – unsere Werkzeuge – vieles von dem, was vorher nur Menschen zuwege brachten, heute besser als Menschen machen.

Stand der Debatte Ende der 1970er Jahre.

Aber menschliche Intelligenz ist etwas völlig anderes und man kann diese verschiedenen Optionen eher hierarchisch und in Konkurrenz zueinander sehen, oder aber – wie ich es vorziehe – komplementär.

Im „Raum der Poesie“ möchte ich unter anderem eine Tendenz thematisieren. Ich halte es für möglich, daß sich nennenswerte Teile des Kunstvölkchens dieser Entwicklung von Maschinen zuwenden, sich als Nerds und Geeks abstrampeln, um mit den Maschinensystemen mitzuziehen.

Es mögen auch Kunstbetrieb und Kunstmarkt in solche Richtungen schlingern. Das beeindruckt mich ebensowenig. Wir sind ohnehin gefordert, das Verhältnis zwischen Menschen und Maschinen neu zu klären. Daher sehe ich den „Raum der Poesie“ als eine komplementäre Position, an der wir uns auf die Conditio humana und menschliche Leistungsfähigkeit konzentrieren, während wir alle – gemäß unserer Arbeitsweisen – ohnehin Computer als Werkzeuge nutzen.

Es liegt bei uns, einen Primat des menschlichen Geistes gegenüber der „Maschinenintelligenz“ zu betonen und zu bearbeiten. (Es wäre zu komisch, diese Arbeit an Maschinen abzugeben.) Furchterregende Dystopien langweilen mich. Wer sich danach verzehrt, findet reich gefüllte Bibliotheken mit entsprechender Unterhaltungsliteratur. Wir aber haben zu tun, die Höhe der Zeit zu erreichen und dort einen sicheren Schritt zu üben, um uns in wachsender Freiheit zu bewegen, statt in Platons Höhle zu landen.

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Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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