Was es wiegt, das hat’s XLV: Diskurs

(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)

Das klingt interessant: „Bundesministerium für Kunst, Kultur öffentlichen Dienst und Sport, Sektion IV: Kunst und Kultur, Team Strategie Kunst Kultur 22“. Der Job: „Kick-Off zur Kunst- und Kulturstrategie 22“. Und die Folgen: wird sich weisen.

Ich hab hier schon mehrfach notiert, daß eine Ära nach meiner Einschätzung in einem Dreisprung – 2010/2015/2020 – geendet hat. Was ab den 1970ern als sogenannte freie oder autonome „Szene“ für soziokulturelle Innovationen gesorgt hat, durfte sich in den 1980ern sorglos entfalten, ist in den 1990ern zu Glanzformen aufgelaufen, um danach eigene Grenzen zu erfahren, auch stellenweise unter den selbstgesteckten Zielen auf der Strecke zu bleiben.

Das sind vielleicht ganz banale und unvermeidliche Verläufe. Heute rechnen sich auch Kultureinrichtungen dieser „Szene“ zu, welche eher staatsnahe Betriebe sind, weil ihr erheblicher Daueraufwand weder erwirtschaftet werden kann, noch aus privaten Spenden und Sponsorbeträgen abgedeckt wird. (Eine aktuelle Debatte über die Kategorien und die Begriffszuweisungen fehlt mir im Milieu vorerst.)

Salon-Rebellen und andere Helden
Das ist eben mein Österreich, wo selbst der fügsame Diener abends im Salon als Rebell gesehen werden möchte. Außerdem haben wir offenbar alle unterschätzt, welche Seiten in uns wach werden, wenn wir länger unter Druck geraten. Gut, das ist alles ganz menschlich und nichts daran neu. Neu ist eher, daß wir alten Kräfte dieses Genres uns nun selbst Rechenschaft schulden, was wir da gemacht haben.

Das erscheint mir vor allem deshalb zwingend, weil sich eben – wie behauptet – eine alte Ära erledigt hat. Die neue Ära ist nicht von der Corona-Seuche getriggert worden. Lockdowns und andere Konsequenzen haben bloß die Kontraste verschärft. (Sowas soll die Sicht verbessern.) Ich meine also, daß alte Strategien vielfach obsolet sind und unsere Begriffe überprüft werden müssen: was genau bezeichnen wir damit?

Was ich für eine neue Ära halte, hat nichts mit Corona zu tun. Aber die Erschütterungen durch amtliche Maßnahmen (ab Mitte März 2020) helfen uns dabei, etwas zu akzeptieren: hinter ein paar Weggabelungen geht es keinesfalls zurück, schon gar nicht in eine alte „Normalität“.

Was ist eine gute Frage?
Zu meinen Hauptinteressen gehört derzeit die Frage: Was ist denn im Moment eine gute Frage? Ich mag die Vorstellung, daß wir uns jetzt, genau jetzt, Dingen zuwenden müssen, die im Augenblick noch nicht gedacht werden können. Unwägbares und Ungesagtes, wovon sich vielleicht im Rückblick manches als „Innovation“ bezeichnen läßt, wobei man sich Innovation prospektiv nicht vornehmen kann. (Ich mißtraue Leuten, die sowas anbieten.)

Wie arbeitet man an der Zukunftsfähigkeit einer Gemeinschaft? Auf jeden Fall, indem man erst einmal in Frage stellt, was man aktuell zu wissen meint. Es ist so, wie manchmal der Beginn von Philosophie gedeutet wird: Staunen. Und Fragen.

Ein Mitglied des „Team Strategie Kunst Kultur 22“ schrieb mir dieser Tage: „Ja, die Ergebnisse werden regelmäßig dokumentiert werden. Wir werden Sie diesbezüglich rechtzeitig informieren.“ Das trifft sich gut mit Ambitionen des steirischen Landeskulturreferenten Christopher Drexler. Er hat aktuell ein Team formiert, das sich an die Arbeit macht:

„Neben Gesprächsrunden und Diskussionen mit den großen steirischen Kulturinstitutionen (wie etwa dem Universalmuseum Joanneum oder den Bühnen Graz), der steirischen Festivallandschaft, der Interessensgemeinschaften oder des Kulturkuratoriums, ist aber vor allem die Einbindung der steirischen Regionen wesentliches Element des Prozesses.“ [Quelle]

— [The Long Distance Howl] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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