Wo ist links, wo rechts? Teil VI

[Teil V] Was ist der öffentliche Raum als ein Ort des Gemeinwesens, als unser aller Raum für Begegnung und Austausch? Was soll dort möglich sein und was nicht? Was muß man im öffentlichen Raum in Kauf nehmen und was darf man erwarten, ja verlangen?

Der Hügel Pnyx (Foto: Nikthestoned, CC BY-SA 3.0)

Da sich Gesellschaft ständig ändert, weil der Lauf der Dinge und der Welt immer in Bewegung ist, müssen solche Fragen stets neu behandelt werden. Aus dem Bereich des Coachings höre ich, sechs bis maximal acht Menschen könnten gut kooperieren. Alles was an Gemeinschaft größer ist, brauche andere Modi, sei auf permanentes Verhandeln angewiesen.

Die Menschen begannen im Neolithikum seßhaft zu werden. Für die griechische Antike ist der Übergang von Mythos zu Logos dokumentiert. Menschen gingen daran zu klären, was mit Begriffen genau gemeint ist. Verhandlungen führten zu kodifizierten Regelwerken.

Gehen Sie mit mir auf eine kleinen Reise in die Antike. Ich möchte Ihnen kurz und skizzenhaft vorlegen, daß wir seit über zweitausend Jahren daran arbeiten, öffentliche Orte und öffentliches Leben als etwas Politisches zu gestalten. Politisch meint hier die Organisation des Gemeinwesens in einer Wechselwirkung zwischen „Politiká“ (Kunst der Staatsführung) und „Polis“ (Gemeinwesen).

Nach Aristoteles sind aufsteigende Gemeinschaftsformen die Familie, die Hausgemeinschaft, das Dorf und die Polis. (Damals: der Stadtstaat.) Die „Bürgerbeteiligung“, das Bottom up-Prinzip, mußte also nicht erst vor ein paar Jahrzehnten erfunden werden, um uns mit Programmen wie Regionext, LEADER oder Lokale Agenda 21 zu erreichen. Das ist ein Stück unserer Kultur und unserer Ideengeschichte.

Ich nehme an, auch Menschen ohne Interesse an Geschichte können mit dem Wort Agora etwas anfangen. Ein Ort des Meinungsaustausches. In der Antike war der große Marktplatz, die Agora von Athen, das Zentrum des öffentlichen Lebens. Einkaufszentrum und Versammlungsort. Einhandeln was man braucht, Menschen treffen, über das Leben und die Politik reden…

Etwa 500 vor Christus wurde dieses Terrain formalrechtlich reguliert. Gerichtsbarkeit, Veranstaltungen des Heeres, Volksversammlungen; die Agora zeigte über Verwaltungs- und Repräsentationsbauten ihren Rang als öffentlicher Ort. Sie gilt konzeptuell als wichtige Anregung für die Prinzipien unserer Demokratie.

Allerdings mußte man für Wortmeldung und Stimmabgabe bei den Volksversammlungen vollberechtigter Bürger sein, also ein Mann, der sich diesen Status leisten konnte. Darum gab es auch noch andere Plätze eines öffentlichen und politischen Lebens. Orte zu Verständigung, zum Austausch und zur Abstimmung. So ein Ort war der Hügel Pnyx westlich der Athener Akropolis.

Die griechische Polis kannte übrigens damals schon Gesetze gegen die Tyrannei. Daran erinnern der „Eid des Demophantos“ und das „Eukrates-Gesetz“ (337 v. Chr.), ein Regelwerk gegen Staatsstreiche zugunsten der Tyrannenherrschaft.

Aus jener Zeit stammt eine Urkunden-Stele mit Text und allegorischer Darstellung, die man auf der Agora von Athen gefunden hat: das Volk von Athen (Demos) wird von der Demokratie (Demokratia) bekränzt, gekrönt.

Das erwähnte Gesetz besagte: „Eukrates, Sohn des Aristotimos aus (dem Demos) Peiraieus stellte den Antrag: Zum guten Glück des Volkes der Athener! Die Nomothetai mögen beschließen: Wenn jemand sich gegen das Volk erhebt mit dem Ziel der Tyrannis oder die Tyrannis mit einrichtet oder das Volk der Athener oder die Demokratie in Athen stürzt, wer den, der davon etwas tut, tötet, soll entsühnt sein.“ (Quelle: Gnomon online, Eichstätter Informationssystem für die Klassische Altertumswissenschaft)

Vor mehr als zweitausend Jahren war also schon klar, daß sich die Menschen eines Gemeinwesens (Demos) allesamt selbst engagieren müssen, tätig werden, um Demokratie zu sichern. Dazu gehören Plätze, öffentlicher Raum, Debatten und Verhandlungen, Abstimmungen, kurz: öffentliches Leben. [Fortsetzung folgt]

+) Pfeifer im Sturm (Übersicht)
+) Ein Feuilleton (kulturpolitische Beiträge)


Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
Dieser Beitrag wurde unter Feuilleton, Kulturpolitik abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.