Industrie 4.0: Vorgeschichte konkret, Kamera

Ich war noch Volksschüler, als mir mein Vater eine Kodak Retina überließ. Das Objektiv muß zum Photographieren mittels einer Klappe ausgefahren werden. Ein Balg (Klapptubus) verbindet die Optik mit dem Gehäuse. Belichtungszeit, Blende und Entfernung sind von Hand einzustellen. Das Spannen des Verschlusses erfolgt über einen kleinen Hebel.

Kodak Retina 1a

Umfassend mechanisch: Kodak Retina 1a

Die Retina, wie sie 1951 auf den Markt kam, ist für heutige Verhältnisse überraschend schwer. Sie birgt geballte Feinmechanik, ist ein wunderbares Maschinchen. Ich bekam sie in den frühen 1960er Jahren, da war sie also ein etwas abgeschrammter Gebrauchsgegenstand, längst von moderneren Kameras überholt.

Ich hatte meinen ersten Alleingang mit der Retina bei einem Schulausflug zum Schloß Eggenberg. Auf dem Rückweg versuchte ich in der Straßenbahn vor Freunden anzugeben, indem ich den Film demonstrativ zurückspulte. Ich öffnete dabei den Deckel, um Nachschau zu halten, wie weit der Film wieder in der Patrone sei, wodurch er natürlich dem Licht ausgesetzt und so verdorben war.

Mein Folgemodell, eine Kodak Instamatic, hatte ich bei einem Preisausschreiben gewonnen. Da konnte das mit dem versehentlichen Schwärzen des Filmes nicht passieren, denn für dieses Modell war der Film, den man aus der Patrone zieht, durch eine Kassette ersetzt. So wurde der Film in einem geschlossenen System eingesetzt und entnommen.

Die Instamatic konnte mit einem rotierenden Blitzwürfel ausgestattet werden, den ich als sensationell empfand. Ich kannte ja die herkömmlichen Blitzgeräte meines Vaters, zu denen man sich schwere Akkus umhängen mußte.

Mit jener kleinen Kompaktkamera war konzeptionell ein Schritt zum Anfang der Kodak-Story gemacht worden. Die totale Vereinfachung im Bedienen eines Photoapparates, wodurch auch Amateure zum Zug kamen. Das war dem Produzenten schon einmal Ende des 19. Jahrhunderts gelungen.

George Eastman brachte seine Box (Brownie) 1989 auf den Markt, als Photographieren noch ein enorm aufwendiges Unterfangen war. Der Legende nach soll das Verschlußgeräusch der Box den Markennamen ergeben haben: Kodak. Der Slogan „You press the button – we do the rest“ hätte für die Instamatic neu verwendet werden können.

Von links: Kodak Retina, Kodak Instamatic und Canon G12

Von links: Kodak Retina, Kodak Instamatic und Canon G12

Meinen Umstieg ins Digitale hatte ich Jahrzehnte später mit der ersten Canon Ixus. Die war ab 2000 verfügbar. Ein feiner, kleiner Aluminium-Quader, der mir beim Ablichten über Speicherkarten einen unfaßbaren Kapazitätssprung bot. Außerdem hatte ich deutlich auf das schlichte Design reagiert.

Heute bin ich bei einer Canon G12 angelangt. Die gilt als passabler Kompromiß, wenn einem die kleinen Digitalen nicht ausreichen, eine Spiegelreflexkamera aber zu viel Schlepperei aufbürdet. Allerdings sind auch hier die Qualitätsgrenzen eng gesteckt. Ich kann mit keiner durchschnittlichen Spiegelreflexkamera mithalten.

Freilich gehen in der Profiliga die Datenmengen exponential hoch. Dabei sollte man über einen ausreichend schnellen Rechner verfügen. Und wir kennen bis heute keine langfristig sicheren Speichermedien, weshalb das Archivieren der Daten nach Redundanz verlangt; außer man schaufelt alles in eine Cloud, die auf fremden Servern besteht.

Das sind nun im Kern drei Kamera-Modelle, welche den Weg von der Zweiten zur Dritten Industriellen Revolution illustrieren. Die Retina ist, wie schon erwähnt, ein umfassend mechanisches Maschinchen in aufwendiger Bauart.

Die Instamatic zeigt einen Automatisierungssprung. Es werden die nötigen Handgriffe zum Photographieren markant verringert. Der Preis dafür liegt in einer Reduktion des Qualitätsspektrums, das mit dieser Kamera bearbeitet werden kann.

Kodak Instamatic

Spannen und abdrücken: Kodak Instamatic

Bei der G12 geht die Komplexität wieder hoch, doch vieles, was die Retina auf mechanischer Ebene kann, ist hier in die Elektronik verlagert. Dabei mag man frei entscheiden, ob man die Bedienungs-Komplexität der Retina bevorzugt, oder ob man die simple Handhabung der Instamatic pflegen möchte.

Geht mit diesem Gerät so oder so. Dazu kommen über implementierte Programme noch eine Reihe anderer Optionen. Das bedeutet, die G12 ist – bezogen auf die historischen Vorläuferinnen – in einem Stück mehrere Kameras, über die man nach Laune verfügen kann.

Das Bild von meinen drei Photoapparaten hab ich nun mit dem Smartphone gemacht, das eine für mich erstaunliche Leistungsfähigkeit hat, obwohl ich es alltäglich nicht fürs Photographieren verwende. (Dazu hab ich die G12 stets dabei.)

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Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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