Die Intellektualität von Handwerken

Menschliches Wissen ist ein höchst verderbliches Gut. Es verschwindet sehr viel schneller, als wir gemeinhin annehmen möchten. Wo es an Dokumentation fehlt, ist einerseits das Vergessen höchst wirksam, andrerseits sind Menschen mit Sachkenntnis oft plötzlich nicht mehr unter uns.

Worin werden Handwerk und Industrie kulturelle Themenstellungen?

Das sind einige der Aspekte, die mich bewegen, mit erfahrenen Handwerkern verschiedene Fragen durchzugehen; auch jene nach der nahen Zukunft unserer Arbeitswelt.

Im Raum Gleisdorf/Weiz herrscht Vollbeschäftigung.

Der Wohlstand, den wir noch genießen, kam nicht aus der kleinräumig strukturierten Landwirtschaft der Oststeiermark, sondern durch Handwerk und Industrie; ergänzt um den Handel, den das ermöglichte.

Ich führe dazu nun eine neue Arbeitsebene bei Kunst Ost ein. Meinen primären Kooperationspartner in der Sache möchte ich einfach „Mentor“ nennen, denn er verweigert sich dem öffentlichen Auftritt, will in diesem Projekt nicht vor den Vorhang.

Der Grund dafür: Er hat über Jahrzehnte höhere Ämter in der Verwaltung des Landes Steiermark bekleidet, war dabei immer im Fokus von Anliegen und Begehrlichkeiten, quasi: „Immer will wer was von mir“. Er möchte heute dem öffentlichen Leben in jeder Form fern bleiben.

Wir gehen nun zu zweit, wahlweise zu dritt, auf Tour, um alte Handwerker zu treffen, die das repräsentieren, was ich „Die Intellektualität von Handwerken“ nenne. Jene geistigen Qualitäten, welche jemand erwirbt, wo Jahrzehnte von Handfertigkeit und Problemlösen einen Menschen geprägt haben.

Diese Art Praxiswissen ist grundlegend anders als formelles Ingenieurswissen. Dazu kommt, daß viele solcher Handwerker aus der agrarischen Welt stammen und mit ihren diesbezüglichen Prägungen in die Industrie gegangen sind.

Der Ingenieur und der Handwerker: Erich Ledwinka (links) und Ferdinand „Fredi“ Thaler

Das ist also in unserem Lebensraum ein starkes soziales und kulturelles Thema, von dem auch Überlegungen handeln, wie sich der Wirtschaftsstandort Österreich in naher Zukunft darstellen soll. Was braucht es, damit weiterhin ausreichend Arbeitsplätze in der Region erhalten bleiben, mehr noch, gute Jobs verfügbar sind?

Als Kulturschaffende haben wir überschaubare Möglichkeiten, zu diesem Thema etwas beizutragen. Ein Ansatzpunkt ist die immer noch gesellschaftlich breit gepflegte Abschätzigkeit gegenüber der Handarbeit, die sich auf viele Arten äußert; etwa in Androhungen: „Wennst in der Schule nix tust, steck ich dich in die Lehre!“

Ein irritierender Mumpitz, wen man bedenkt, wer in unserem Lebensraum hauptsächlich dafür gesorgt hat, daß der Wohlstand eine Chance kriegt.

So werden wir also auch für ein Stück Augenhöhe in der Begegnung sorgen, denn es sollte klar werden, daß gute Handarbeit ohne Kopfarbeit nicht gelingen kann, daß also „Hackler“ über beide Optionen verfügen müssen, Handfertigkeit und Verstand.

Ich habe neben meinem Mentor in dieser Sache einen zweiten Gewährsmann, der mitwirken wird. Ferdinand „Fredi“ Thaler ist einer der versiertesten Allrad-Spezialisten unter den Mechanikern der ehemaligen Steyr-Daimler-Puch A.G.

Ferdinand „Fredi“ Thaler (links) und Martin Krusche

Auf dem Foto von 1989 sieht man Thaler am Steuer neben dem damaligen Werksdirektor Erich Ledwinka. Thaler war übrigens mein Instruktor, als ich zum ersten Mal selbst erfahren konnte, was ein zweieinhalb Tonnen schwerer Puch G im extremen Gelände leistet.

Dieses Vorhaben hat Experimentalcharakter. Es handelt auch davon, nun einmal auszuloten, welche Arten haltbarer Querverbinndungen eine Kulturinitiative mit diesem Bereich der Arbeitswelt finden, entwickeln kann.

— [Generaldokumentation] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
Dieser Beitrag wurde unter Reflexion und Grundlagen abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.