Das Private und das Öffentliche, verwoben

Aus dem 2011er-Jahr heraus gab es bei „kunst ost“ eine Themenlinie zur Frage nach einer „Vision 2050“: [link] Es ist ein interessante Aufgabenstellung, sich an einer möglichst konkreten Vorstellung künftigen Lebens zu orientieren, um daraus abzuleiten, welche Weichenstellungen wir folglich JETZT erwägen und womöglich konkret angehen sollten… Wissend, daß sich über solche Zeiträume so gut wie nichts einigermaßen konkret vorhersehen läßt.

Da geht es also um Ungreifbares. Woraus entstehen Perspektiven, die mir für eine mögliche Zukunft ein Gefühl der Verbindlichkeit schaffen?

Da wäre zum Beispiel ein simples und ganz naheliegendes Motiv: Vor ziemlich genau 20 Jahren wurde mir mein Sohn zum ersten Mal in die Arme gegeben. Wir haben danach über Jahre viel Zeit miteinander verbracht, doch heute gehört der Bub längst nicht mehr zu meinem Alltag.

Private Motive, um über die Zukunft nachzudenken

Die letzten Jahre waren davon geprägt, daß ich ihm zusehen konnte, wie er mehr und mehr eigene Entscheidungen traf und wie er begann, ein Leben zu entfalten, das meinem nicht gleicht. Damit will ich auch sagen, er ist nicht mein Echo, nicht mein Repräsentant, sondern seine eigene Instanz geworden.

Ich hatte nie das Bedürfnis, ihn zu belehren, habe aber stets Fragen an ihn gehabt. So ist es heute noch und ich darf behaupten, daß wir emotional eng verbunden sind. Der Intellektuelle und der Handwerker. Das taugt für anregende Kontraste.

Ich mache mir über meine Zukunft keine besonderen Sorgen. Ich sehe, was noch an Problemen daher kommt, und verwende meine Kraft gerne darauf, nun zu klären, was konkret zu tun sei. Ich mache mir auch um die Zukunft meines Sohnes keine Sorgen, denn die wird er sich selber machen müssen.

Der junge Betriebselektriker lebt derzeit ein Leben voll der Annehmlichkeiten, die wir gerne für selbstverständlich halten. Auch in diesen Aspekten suche ich ihn nicht zu belehren. Ich muß annehmen, daß dieser komfortable Status quo nicht sehr haltbar sein wird. Ich denke dabei über Dinge nach, die sich teils jenseits meiner Lebenserwartung klären werden.

Ich hab in all dem keine Botschaft für die Anderen. Ich bange manchmal ein wenig, wie unsere Kinder damit zu Rande kommen werden, daß sich neue Verteilungskämpfe abzeichnen. Die stehen an, weil wir es vollkommen verabsäumt haben, uns in Zeiten des Wohlstandes und der Freiheit von Mangel um angemessene und stabile Grundlagen der Verteilungsgerechtigkeit zu kümmern.

Wenn ich derzeit verfolge, wie unverfroren gut situierte Leute die Republik ausplündern, dann ist mir klar: Die haben mit einem aggressiv geführten Verteilungskampf längst begonnen. In den vergangenen Jahre belegen deren Machenschaften die Umverteilung der Ressourcen von ärmeren zu reicheren Leuten.

Muß ich Ihnen erzählen, um wie viel die Zahl der Millionäre in Österreich zugenommen hat, als 2008 bis 2010 weltweite Krisen-Ensembles die Erde mehrfach umrundeten und dabei vor allem die Sozialleistungen dieses Staates einbrachen?

Also denke ich darüber nach, was JETZT zu tun sei, um die schäbigen Konsequenzen solche Entwicklungen wenigstens zu bremsen. Ich denke darüber nicht etwa nach, weil ich meinem Sohn oder generell unseren Kindern etwas zurufen möchte. Ich denke darüber nach, weil mich ihre Zukunft bewegt und weil meine Vergangenheit letztlich nach Verantwortung verlangt.

Ich hab inzwischen bei den Leuten von „Transition Oststeiermark“ eine knapp gefaßten Satz gefunden, der als Markierung taugt, wenn ich Ausschau halte, woran ich mich denn in solchen Überlegungen orientieren soll.

Dieser Satz lautet: „Die Zeit nach dem Öl“.

Ich denke, meine Lebensspanne wird ausreichen, um noch zu erleben, daß die Ölförderkosten Quantensprünge nach oben machen. Deshalb werden wir nicht gleich in einer „Post-Öl-Ära“ landen, aber wir werden aufgrund der Kosten und der Verfügbarkeit genauer überlegen müssen, wofür wir es verfeuern.

Wer überdies auch nur skizzenhaft weiß, wie weitreichend die Petrochemie momentan eine unverzichtbare Rolle spielt, ahnt bereits, daß so gut wie jeder unserer (westlichen) Lebensbereiche davon berührt ist.

Man müßte schon ein Agent der Blödheit sein, um die Fragen nach einem Leben ohne Erdöl erst dann zu behandeln, wenn sich kaum jemand mehr Öl leisten kann. Es scheint also JETZT ein guter Zeitpunkt zu sein, sich dem zu widmen; in diesem oder jenem Teilaspekt der ganzen Sache. Sei es aus emotionalen Gründen, weil es mir eben nicht ganz egal ist, in welche Welt und welche Zukunft mein Kind geht, sei es aus eher grundsätzlichen Erwägungen, weil das ein sehr interessantes Thema ist, das anregende Herausforderungen bietet.

Es könnte auch ein Gefühl von Verantwortung dazu führen, aber da müßte ich Ihnen etwas vormachen, ich finde in mir kein Gefühl der „Verantwortung für die Welt“. Etwas anderes zu behaupten, wäre Heuchelei. Doch die anderen zwei Gründe, die ich vorhin genannt haben, sind mir auch genug, in der Sache aktiv zu sein.

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Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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