Volkskultur: Lemmerer und der Blues

Ich hab erst gezögert, das Wort Volkskultur in die Titelzeile zu stellen. Aber egal, wie man es dreht und wendet, wir sind auf dem Punkt. Auf einem Punkt.

Sigi Lemmerer (Foto: Christoph Huber)

Die neue Publikation. In einer Arbeitssituation hatte sich ein Dialog entfaltet, von dem ich das Gefühl bekam, ich sollte diese Zeilen festhalten, den Prozeß dokumentieren. Musiker Sigi Lemmerer ist ein Virtuose, der nicht bloß mit Hackbrett und Ziehharmonika zu beeindrucken versteht. Er weiß auch sehr genau, was sich quasi im „Bauch der Musik“ tut.

Wir sind hier unter uns, es geht also ganz ohne Marktgeschrei. Wir müssen daher keine Etiketten wie „Crossover“ etc. basteln. Es ist ein schlichtes Arbeitsprotokoll. Ich hab in diesen Monaten allerhand über den Blues und über steirische Volksmusik gelernt. Lemmerer war darangegangen, diese Genres zusammenzuführen. Knifflig!

Soziale Schichtungen
Gehen Sie ruhig davon aus: Was im alpinen Raum an genuiner Volksmusik entstanden ist, ereignete sich völlig abseits der höfischen Kultur. Den Aristokraten war der „Pöbel“ mit seinen kulturellen Bedürfnissen in der Regeln völlig egal. Aber auch später wurde Volksmusik erst einmal keineswegs Teil der bürgerlichen Repräsentationskultur, außer man konnte einen praktischen Nutzen daraus ziehen.

Das Handgeschnitzte mußte schon von Brahms, Smetana und ähnlichen Autoritäten zitiert, vom Schmutz unter den Fingernägeln befreit werden, dann… Gut, darum geht es hier gerade nicht. Was also die Stoffe sind, mit denen naturgegebene Talente beim subalternen Teil der Bevölkerung Furore machten, das zeigt stellenweise sehr hohe musikalische Qualität.

Verstreute Talente: Die Weltmaschine des Franz Gsellmann

Sie merken eventuell, in solchen Schilderungen kommen bei mir keine Formulierungen wie „kleine Leute“ oder „einfache Bevölkerung“ vor. Solche schnöselhafte Herablassung ist unakzeptabel. Die Natur schmeißt Talente blind in die Gegend. Es hängt dann stark von konkreten Lebensbedingungen ab, ob jemand mit einer Begabung glänzen kann oder nicht.

Blues und so
Das hat nun auch mit dieser Publikation zu tun sowie mit der Befassung mit Volksmusik. Ich setze voraus, daß wenigstens skizzenhaft bekannt ist, woher der Blues kam, dem der Jazz sowie der Rock & Roll wesentliche Impulse verdanken. Er kam aus schäbigen Hütten und aus Schuppen, entwickelt von Sklaven in den USA. Er kam aus Fabrikhallen und aus Elendsvierteln. Oder einfach vom Wegesrand. (Um Sam Cooke zu zitieren: „I was born by the river / In a little tent / Oh, and just like the river, I’ve been runnin‘ / Ever since…”)

Ich werde nun gar nicht erst näher ausführen, was sich da in letzter Zeit zwischen Lemmerer und mir entfaltet hat. Dafür gibt es jetzt diese Publikation in der Bibliothek der Networked Interactive Documents (NID).

Sigi Lemmerer & Martin Krusche
Steirer-Blues (Ein Dialog | Band 1)

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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