fahrten südost #2

der flügel von einem kampf-jet mit jugoslawischem hoheitsabzeichen. graffiti darauf belegt, daß die ära titos braver pioniere vorbei ist. es wäre früher sicher als enorme respektlosigkeit gewertet und geahndet worden, wenn sich jemand auf den memorials heroischer haltungen aus titos tagen derart verewigt hätte.

post-weltkriegs-monument als landmark mit rasendem bedeutungsverlust

quer durch die neuen länder befinden sich außerdem noch denkmäler, die an den kampf gegen den faschismus erinnern. manche davon aus dem ersten weltkrieg, dem „great war“, abgeleitet, mit dem zweiten verknüpft. danach: das paradigma, ein antifaschist sei gleich ein kommunist, ist längst zu bruch gegangen.

ländliches terrain von bescheidener blüte. auf dem weg nach srebrenica passiert man kravica. das mächtige schwarze kreuz erinnert an die toten serbischen leute, kombattanten und zivilisten, die einer attacke von bosnischen einheiten unter naser oric zum opfer gefallen waren. diese kampfhandlungen und reaktionen darauf waren zu einem sturm ausgewachsen, sind aber sicher nicht in monokausaler art die ursache für das massaker srebrenica gewesen.

dieses serbische mahnmal flankiert den weg nach potocari und srebrenica

ein dunkles statement zu einer serie von gewalttaten, deren unfaßbarer höhepunkt sich in der enklave srebrenica verdichtete. es ist mir übrigens vollkommen unbegreiflich, wie mladic seine verbände unter aufsicht des dritten niederländischen battailons in einer offiziellen schutzzone aufziehen und den massenmord an den muslimen realisieren konnte.

natürlich wird von den südslawen in der rückschau alles mit jedem verknüpft. doch geschichts-klitterung, die plötzlich tausende tote bewirkt, ist eben genau so komplex, auch so gefährlich, wenn sie sie auf staatlicher legitimation beruht. das ist keine domäne südslawischer völker, das ist eine grausame kompetenz europas.

ein body count macht für sich noch nichts deutlich. aber die tausenden toten muslime, von denen längst noch nicht alle wieder gefunden wurden, ergeben eine erdrückende dimension der traurigkeit und des entsetzens, wo europa seine düstere fratze gezeigt hat.

die gedenkstätte in potocari ist auf zehntausend grabstätten ausgelegt. das ist, wenn man über jenes gelände geht, kaum erträglich.

es befinden sich heute wieder moscheen in der gegend und im vorbeifahren sieht man ab und zu menschen, deren erscheinung mutmaßen läßt, daß muslime zurückgekommen sind. aber ich vermute, das ist alles serbisch dominiert. war das ein guter grund für radko mladic? ist es bloß darum gegangen, diese eher ärmliche gegend für die serbische seite zu nehmen? was war dort zu gewinnen gewesen?

potocari überfordert einen im grunde, was da begreifen der vorgänge betrifft.

in meiner vorstellung ergibt sich vorerst nur eine schlüssige antwort: mladic hat es gemacht, weil es für einige zeit möglich war, weil er es tun konnte. das ist der einzige nachhaltige grund, auf den ich komme.

darin liegt eine massive warnung.

und warum sollten wir uns in einer vor allem regional tätigen, oststeirischen kulturinitiative mit solchen themen befassen? ich habe es oben erwähnt: das ist eine von mehreren gegenden, wo europa seine düstere fratze gezeigt hat.

es geht nicht einfach um „die jugoslawen“, nicht um „die serben“. mit den aspekten persönlicher schuld, die aus täterschaft und unterlassung entstehen, haben sich ordentliche gerichte zu befassen.

darüber hinaus hat sich da einmal mehr eingelöst, was die lektion des nationalismus in europa ist, der verdun und auschwitz ergeben hat und der auch heute wieder in österreich sein maul aufreißen darf.

das berührt politische und kulturelle agenda; wenn etwa eine aktuelle innenpolitik nur schwach gerüstet ist, den vaterländischen ihre menschenverachtenden diskurse abzuschneiden, die von wachsenden bevölkerungsteilen aufgegriffen werden.

wir hängen da alle mit drinnen. und wir werden es am eigenen leib erneut erfahren, wenn wir den schreihälsen ihre hetzerei nicht abzugewöhnen imstande sind.

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Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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