Schlagwort-Archiv: kulturspange

April-Festival: 2015 ist in Arbeit

Wer gelauscht hätte, wäre über so manche Gesprächspassage erstaunt gewesen, da die kleine Runde doch darangegangen war, das April-Festival von Kunst Ost neu zu deuten. „Klassisches maschinelles Denken ist bei uns draußen“, sagte Unternehmer Ewald Ulrich, „darüber holst du keine Leistungssteigerung mehr“.

Von links: Winfried Lehman, Ewald Ulrich und Karl Bauer

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The Track: Das laufende Jahr

Das Ordnen von Gedanken, das Ordnen von Themen. Das Herausarbeiten von Schnittpunkten, von Deckungen, von möglichen gemeinsamen Schritten für 2014/2015. Vorhin kam diSTRUKTURA-Post (ProArtOrg): „Ok, Martin. Quite clear so far. I can give some feedback tonight, i’m on the bus now.“

Von links: Milan Bosnic, Mirjana Peitler-Selakov und Milica Milicevic

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Reduktionen, Perspektiven

Die vergangenen Wochen hatte ich Arbeit daran, die derzeitige Projekt-Komplexität von kunst ost herunterzufahren. Da dieses ganzeUnterfangen vor allem einmal eine Art Labor ist, in dem ausgelotet werden muß, welche Strategien, Zielsetzungen und Verfahrensweisen sich kulturell abseits des Landeszentrums bewähren können, entstehen laufend neue Arbeitslinien.

Die bedürfen dann einer Prüfung dessen, was sich sinnvoll weiterverfolgen läßt. Das verlangt jeweils, einige der eröffneten Bereiche wieder hinter sich zu lassen. So etwa derzeit die „Kulturspange“ [link] und die erste Formation von „KWW – Kunst Wirtschaft Wissenschaft“ [link]

KUnstsammler Erich Wolf mit einem ersten Probedruck des Programmbuches für unser Symposion

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Wovon handelt Kulturpolitik? #18

Die mehrjährige Praxis von kunst ost handelt wesentlich von zwei Optionen Kunstschaffender. Ein Teil ist so gut wie ausschließlich mit dem eigenen Werk befaßt und nutzt die gebotenen Publikations- und Ausstellungsmöglichkeiten wie sie sich gerade ergeben. Mit der Bereitstellung angemessener Locations und Budgets können sie sich nicht befassen; meist auch nicht einmal mit der sporadischen Organsationsarbeit, um solchen Möglichkeiten in der Provinz Kontinuiät zu geben.

Der andere Teil investiert neben der laufenden Arbeit am eigenen Oeuvre auch Kraft in die Vermittlungsarbeit, also in den kulturpolitischen Teil des Geschehens, der von Fragen nach Mitteln und Möglichkeiten handelt. Die von Kunstschaffenden erfundene Legende, daß man sich als Kunstschaffender um diese Dinge nicht kümmern könne, wird von solcher Praxis des bürgerlichen Engagements wenn schon nicht widerlegt, so doch konterkariert.

Unter den Kunstschaffenden der Region insgesamt machen die realen Freelancers noch nicht einmal einen nennenswerten Prozentanteil aus. Das bedeutet, für die meisten der Kunstschaffenden ist ihre künstlerische Praxis eine private Angelegenheit, die nicht in jene soziale Kategorie reicht, wo Kunstpraxis mit Brotwerwerb verknüpft wird.

Auf der Strecke Feldbach - Bad Gleichenberg

Das hat wesentliche Konsequenzen, was die Behandlung kulturpolitischer Fragestellungen angeht. So gesehen war das formelle Themenangebot unserer jüngsten Fahrt („talking communities“) überwiegend nachrangiger Natur:

+) Kennenlernen neuer Leute
+) Vorbereitung der Station vom 5. Mai 2012
+) Kooperationsmöglichkeiten innerhalb der Kulturspange
+) EPU-Know how, Strategien gegen die Krisensituationen
[Quelle]

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie problematisch eine kulturpolitische Situation ist, in der ein Gros Kunst- und Kulturschaffender in der Region von der Öffentlichkeit Förderungen und Serviceleistungen erwartet, damit es einen Kulturbetrieb geben möge. Einen Kulturbetrieb, welcher den kreativen Kräften Auftritts- und Ausstellungsmöglichkeiten bietet, wobei die überwiegend PRIVATE Dimension dieses Kulturgeschehens aber mit den Funktionstragenden der Gemeinden politisch nicht verhandelbar ist.

Ich denke, das budgetäre Krisenjahr 2011 sollte deutlich gemacht haben, daß wir in der Lage sein müssen, einen kulturpolitischen Paradigmenwechsel zu debattieren. Aber weder hier, noch im Landeszentrum Graz weist irgend etwas darauf hin, daß diese Ansicht mehrheitsfähig wäre.

Eine Aussendung der IG Kultur Steiermark vom 26.03.2012 (21:55) besagt: „DANKESCHÖN der Plattform 25 / Die letzte Demo am Freitag war ein großer Erfolg, laut Polizei über 2.000 Personen!“ Daraus mag ersichtlich werden, wie polarisiert die Auffassungen sein dürften.

Mir erschließt sich nämlich in keiner Weise, welche Art Erfolg darin liegt, 2.000 Menschen auf die Straße zu bringen. Ich hätte zu fragen: Auf welche kulturpolitische Position bezieht sich dieser Auftritt und was bewirkt er konkret? DAS wären dann meiner Meinung nach Zusammenhänge, über die sich klären ließe, was als Erfolg gelten darf und was nicht.

... Ein dankbarer Fahrgast

Auf der Website der IG [link] finde ich bloß ein Flugblatt zur Protestveranstaltung. Der kulturpolitische Bezug ist darin karg ausgefallen: „WIR FORDERN PLUS 25 % FÜR KULTUR, SOZIALES, FRAUEN, BILDUNG UND GESUNDHEIT! Die Finanzierung dieser Bereiche muss ebenso selbstverständlich sein wie die Aufrechterhaltung von Infrastruktur wie Wasser- und Energieversorgung.“ Mehr ist inhaltlich nicht avisiert.

Nun IST ja diese Finanzierung a) selbstverständlich und hat b) auch gesetzliche Grundlagen. Wobei zu präzisieren wäre: Kofinanzierung. Denn eine Vollfinanzierung wäre wohl nur in Dimensionen einer „Volksrepublik“ vorstellbar.

Selbstverständlich herrscht Uneinigkeit, was nun die Höhe staatlicher Kofinanzierung angeht. „WIR FORDERN PLUS 25 % FÜR KULTUR“ erscheint mir dabei kein kulturpolitisches Argument, sondern eines, das Konsumlogik ausdrückt. Die Forderung besagt: Wir wollen MEHR!

Aber MEHR wofür? Wo kann ich nachlesen, wie nun ein möglicher Zugewinn an Kulturbudgets verwendet werden soll? Was sind die konzeptionellen Grundlagen, mit denen sich dieser Anspruch begründen und verhandeln ließe? Welche Themenpapiere und Konzepte kann ich bekommen, um zu erfahren, wie sich Kunst- und Kulturschaffende ihre Kooperation mit dem Staat vorstellen?

Dabei würde ich auch gerne erfahren, welche Vorstellungen momentan konsensfähig erscheinen, was das aktuelle Verhältnis zischen Landeszentrum und Provinz angeht.

Im § 1 des Steiermärkischen Kultur- und Kunstförderungsgesetz 2005 lese ist unter „(4) Die Kultur- und Kunstförderung des Landes hat insbesondere folgende Ziele zu beachten“ zum Beispiel: „2. die schöpferische Selbstentfaltung jedes Menschen durch aktive kulturelle Kreativität und die Teilhabe jedes Menschen am kulturellen und künstlerischen Prozess in jeder Region des Landes“.

Gerade in dieser Frage hat das Zentrum gegenüber der Provinz seit dem 19. Jahrhundert erhebliche Vorteile. Welche Grundlagen, Rahmenbedingungen und Verläufe, welche Prozesse hätten wir kulturpolitisch zu verhandeln, um die Revision dieser eklatanten Asymmetrie voranzubringen?

Solche Fragen sind nun mit der konsumorientierten Sentenz „WIR FORDERN PLUS 25 % FÜR KULTUR“ nicht klärbar. Dazu brauche ich statt dessen stichhaltige Annahmen, was denn auf einer Höhe der Zeit genau zu bearbeiten sei, um damit welche Ziele im Detail zu verfolgen.

Ich habe keinen Zweifel, daß zu den Grundlagen solcher Entwicklungen eine Art „Repolitisierung“ der Kunst- und Kulturschaffenden nötig ist. Das Gerieren als „Wut-“ oder „Mutbürger“ ist kaum mehr als Boulevard-Blödheit. Es wäre dagegen vorrangig zu klären, was es heute eigentlich bedeuten soll, Bürgerin oder Bürger einer zeitgemäßen Demokratie zu sein.

Also bitte kein Retrokurs in eine „Politk der Gefühle“, die etwa Autor Josef Haslinger vor einer Ewigkeit und drei Tagen in einer anregenden Polemik kritisiert hat. Wut und Mut sind sehr private Emotionen, als politische Kategorien schmeckt mir das zu sehr nach dem „Primat der Tat“. Das war ein Grundelement des Faschismus. Das ist mir also etwas zu sentimental.

[überblick]

Talking/Walking Communities

Wir haben mit der „novi sad-session“ im Dezember 2010 die Reihe Talking Communities eröffnet und eingeführt: [link] Sie ist als Konferenz in Permanenz den Fragen der Kunst und der Kulturpolitik gewidmet. Nun werden daraus auch gewissermaßen Walking Communities ;-))

Für das kulturelle Engagement abseits des Landeszentrums bieten Telekommunikation und Teleworking eine Reihe von Vorteilen. Aber die reale soziale Begegnung bleibt unverzichtbar. Wo Kooperation gewünscht wird, sollten außerdem die herkömmlichen Muster des Verhältnisses „Zentrum/Provinz“ nicht reproduziert werden. Also „zentralisieren“ wir diesen Prozeß nicht, wir wandern mit unseren Arbeitstreffen stets durch die Region, suchen die verschiedenen Plätze auf, wo einzelne Personen oder Gruppen Kulturarbeit leisten.

Manchmal reisen wir gemeinsam ein Stück des Weges. So zum kommenden „Picknick im Kopfbahnhof“, wo wir eine „Konferenz in Permanenz“ realisieren. Das bedeutet, wir besuchen Künstlerin Kathi Velik, die im alten Bahnhof von Bad Gleichenberg wohnt und ihn zu einem kleinen Kulturzentrum umgestaltet hat. Wir machen das mit einer gemeinsamen Bahnfahrt Gleisdorf – Bad Gleichenberg; ein Teil der Leute von Graz aus.

So wird nun die neue, südlichste Position der Kulturspange [link] markiert. Basics: Bringen Sie individuellen Picknick-Proviant mit. Decke und/oder Klapphocker dürften nützlich sein. Kleingeld für den Fahrkarten-Automat nicht vergessen!

Diese „Konferenz in Permanenz“ ist ein weiterer Beitrag, um zur Verständigung und zur Kooperation Kunst- und Kulturschaffender anzuregen. Ich hab im Intro zum „April-Festival“ 2012 [link] schon eine klare Position formuliert, die keine Bittsteller-Pose vorsieht, sondern davon handelt:

Wir vertreten unsere Sache in jeder denkbaren Situation. Wir haben in Fragen der Kulturpolitik eine deutliche Themenführerschaft aufgrund gebündelter Kompetenzen. Wir suchen die Kooperation mit anderen Kulturschaffenden, mit Funktionstragenden aus Politik und Verwaltung, mit Wirtschaftstreibenden.

Die Themen für unsere Zugfahrt und den Aufenthalt im Kopfbahnhof:
+) Kennenlernen neuer Leute
+) Vorbereitung der Station vom 5. Mai 2012
+) Kooperationsmöglichkeiten innerhalb der Kulturspange
+) EPU-Know how, Strategien gegen die Krisensituationen

Zum Teilthema EPU-Know how beziehe ich mich auf Inhalte der Gruppe „Amici delle SVA“: [link] Siehe dazu auch: „Wir sind 55,6 Prozent!“ [link]

Chris Hildebrandt präzisierte zur Frage, wer in dieser Community zur Debatte steht: „…selbstverständlich sehen wir — neben EPUs, neuen Selbstständigen, Freiberuflern und Kleingewerbetreibenden — auch Teilselbstständige mit (oft) Gering- oder Teilzeitanstellung als unsere Zielgruppe. Wie du ja weisst sind solche Fälle ja z.B. besonders bei Kunstschaffenden sehr häufig.“

Sonntag, 25. März 2012
Talking/Walking Communities
[link]

Förderung oder Kooperation?

Die aktuelle Ausdifferenzierung von „kunst ost“ schreitet voran. Aus dem Umfeld der „Kulturspange“ hat sich nun ein Team (Fickel, Flekatsch, Krusche, Peitler-Selakov) zum Schwerpunkt „Kunst, Wirtschaft, Wissenschaft“ herauskristallisiert, das augenblicklich schon einmal via „Facebook“ an die Öffentlichkeit tritt: KWW [link]

Die nächste größere Zusammenkunft wird am 25. Jänner 2012 stattfinden und öffentlich zugänglich sein. Die Themenstellung lautet „Regionale Identität: eine Illusion oder unsere Wirklichkeit?“ [link]

Ein anderes Team ist auf der „Reise über die Dörfer“ und besucht Betriebe, um in laufenden Gesprächen einen verfeinerten Eindruck zu erarbeiten, was genau die Themen der Region seien, soweit das einige maßgebliche Akteurinnen und Akteure der Wirtschaftswelt angeht. (Das Team: Bauer, Knittelfelder-Lang, Krusche, Peitler-Selakov und Strassegger.)

Diese Arbeit, als Work in Progress angelegt, liefert uns klarere Vorstellungen, womit wir es in der Begegnung mit Wirtschaftstreibenden zu tun haben. Es herrscht nach unserer Erfahrung unter den Kulturschaffenden der Region noch viel zu wenig Kenntnis dieser anderen Milieus, vice versa.

In den nächsten Tagen trifft sich eine Gleisdorfer „Location Crew“ zur Projektbesprechung, wodurch nun die neue Struktur für die Ebene regionaler Kunstpräsentation ihre konkrete Form erlangt. Das soll beispielgebend für andere Kunstschaffende sein, die im Rahmen von „kunst ost“ Präsenz zeigen wollen.

Gernot Schrampf ("Malwerkstatt Gleisdof") und Sigrid Meister ("Musuem im Rathaus")

Es gibt aber auch noch weitere Optionen. Etwa daß sich eine vollkommen eigenständige Formation in ein Projekt einbringt. Das wird 2012 beispielsweise die „Malwerkstatt Gleisdorf“ machen, die einen eigenen Part entwirft und realisiert, dabei aber mit dem Kernbereich von „kunst ost“ kooperiert.

Zwischen den praxisbezogenen Angelegenheiten haben wir auch grundlegendere Dinge zu bearbeiten. Zwei von diesen drei Logos dürften in der Steiermark einigermaßen geläufig sein, nämlich jene, wo es um 25 Prozent Kulturbudget rauf oder runter geht. Das dritte Logo, dem Thema „no culture no future“ gewidmet, ist bei uns nicht so populär. Warum?

Es handelt nicht nur von einer kritischen Prüfung der Gesamtsituation des Kulturbetriebes, sondern auch von einer Selbstreflexion, die Konsequenzen verlangen würde. Im Sinne von: „die anderen zwei zeichen handeln in der steiermark vor allem davon, EINER der drei instanzen etwas zuzurufen; im sinne von: wenn IHR euer verhalten ändert, werden UNSERE angelegenheiten in ordnung kommen.“ Weite Details dazu: [link] In diesem Zusammenhang sollte klar sein, wir setzen nicht auf Förderung, sondern auf Kooperation.

Michael Toson mit Prototypen seiner Bastelbogen-Autos

Aber es geht bei uns gerade auch um lustigere Themen. Das „Kuratorium für triviale Mythen“ bringt in wenigen Tagen eine kuriose Publikation heraus. Techniker Michael Toson und Graphic Novelist Jörg Vogeltanz haben in Kooperation eine Serie von Ausschneidebögen gestaltet. Die repräsentieren ein Stück Sozial- und Mobilitätsgeschichte, welche auch in einem erläuternden Text skizziert wird.

und dann 2050? #8

Das Jahr war für Kulturschaffende jenseits des Landeszentrums insofern sehr problematisch, als es hier keine ortsübergreifende Kulturpolitik gibt, an die oder gegen die sich jemand wenden könnte. Es gibt auch keinen breiteren gesellschaftlichen Grundkonsens pro Gegenwartskunst, der sich etwa, wie in Graz, in konkreten Budgets ausdrücken würde.

Wir sind also hier darauf angewiesen, völlig andere Wege zu finden, wie sich der Gegenwartskunst Terrain sichern läßt. Kulturwissenschafter Günther Marchner hat einen zentralen Aspekt so formuliert:

>>Zeitgenössische Kunst und Kultur wird vorrangig durch öffentliche Mittel finanziert. Dies ist vielfältig begründbar, da es ja um die Finanzierung eines Bereiches geht, der nicht mehrheitsfähig, populär und somit in den meisten Fällen nicht kommerzialisierbar ist. Diese Begründung für die öffentliche Finanzierung von nicht massentauglicher zeitgenössischer Kunst und Kultur beruht jedoch auf einem politischem Verständnis, welches zunehmend an Boden verliert anstatt breitere Schichten zu erreichen.<<

Mit Kulturwissenchafter Günther Marchner widmen wir uns sehr unterschiedlichen Arten von Studien

Diese Passage entstammt einem vorerst noch internen Arbeitspapier unserer „Kulturspange“: [link] Wie verhalten sich nun Verhältnisse und Budgetierungen in Zentren und in deren Peripherien zu einander? Das wissen wir zwar, doch es ist selbst in der sogenannten „Initiativenszene“ eher ein Tabuthema als ein zeitgemäßer Diskussionsgegegenstand. Marchner in seinem Text:

>>Wie wichtig – aber weitgehend unberücksichtig – eine Perspektive ist, die sich nicht nur auf urbane Räume/große Städte konzentriert, zeigt die reale Verteilung der Bevölkerung: In Österreich leben knapp 30% der Bevölkerung in Städten mit mehr als 30.000 BewohnerInnen. Dies bedeutet, dass Kulturentwicklung und die Förderung von zeitgenössischer Kunst und Kultur nicht nur in Ballungszentren, sondern auch dort erfolgen sollte, wo die anderen 70% leben.<<

Das betrifft genau jene Zonen, in denen wir hauptsächlich aktiv sind, wo sich seit Jahren eine zunehmende Landflucht durchsetzt und wo Funktionstragende der Kommunen momentan zu allerhand Formen der Schreckstarre neigen, da von der Landesebene her die Anforderung zu neuen Gemeindezusammenlegungen evident ist.

Informationen zum Status quo in der Region

Das hat unter anderem den bedauerlichen Effekt, daß in der regionalen Politik kulturelle Vorstöße zur ortsübergreifenden Kooperation oft als angebliche „Vorboten“ der unerwünschten Gemeindezusammenlegungen gedeutet werden, was für zusätzliche Blockaden sorgt. Marchner zu diesen Terrains:

>>Und es sollten die Rahmenbedingungen und  Kontexte mitbeachtet werden, in denen der Großteil der  Bevölkerung nach wie vor lebt: in Kleinstädten und ländlichen Gemeinden, wenn auch forciert durch eine tendenzielle Abwanderung aus peripheren Gebieten (dazu zählt zum  Beispiel die Bezirke Liezen und Murau)  und durch ein Wachstum des Umlandes der Städte (zum Beispiel Gleisdorf).  Dies bedeutet, dass eine erfolgreiche von Gegenwartskunst auch davon abhängt, inwiefern diese Bedingungen und Zugänge reflektiert und berücksichtigt werden.<<

Das sind für uns auch Denkanströße in einem aktuellen Prozeß, mit dem der Vorstand der hiesigen LEADER-Region eine breitere Beteiligung der Menschen erreichen möchte, auf daß sie Wege in die Zukunft mitgestalten mögen. Ich denke, wir Kulturschaffende sollten diesen Appell ernst nehmen. Dazu gibt es auch einen ineressanten Arbeitsauftrag an das „Institut für Systemwissenschaften, Innovations- & Nachhaltigkeitsforschung“ (Universität Graz), durch den wir anregende Informationen erhalten.

LEADER-Managerin Iris Absenger-Helmli hat mir eben die Auswertung des ersten Szenarien-Parcours überlassen. Zu den regionalen Gemeinden heißt es da: „Rücklauf zu gering (Trend)“. Ich schließe daraus, daß Funktionstragende der Kommunen momentan durchaus offene Ohren haben, wenn von der Basis her elaborierte Rückmeldungen kommen, wovon Prozesse handeln mögen und wohin sie zielen könnten. Da liegt also durchaus eine Chance für Kulturchaffende, das eigene Genre im regionalen Geschehen aufzuwerten.

[2050: übersicht]

Scharf stellen in unscharfen Verhältnissen

Wohin ich mich auch wende, Kulturschaffende führen Klagen über den Status quo. Mir ist das kein Rätsel und wir wissen ja auch, wie es gekommen ist. Aber um das deutlich zu sagen: Ich hab keine Lust, mich selbst als „Opfer“ oder „Problemfall“ zu definieren. Und ich hab auch keine Laune, dauernd nur mit dem befaßt zu sein, was uns schwer fällt. Da müssen auch noch andere Aspekte eine Rolle spielen können.

Die laufenden Debatten sind mir überdies etwas zu dünn. Ich wünsche mir:
+) Wenn schon Polemik, dann mit Esprit!
+) Wenn schon „Flaming“, dann aber radikal und mit grober Kelle!
+) Ansonsten hätte ich es gerne lieber sehr viel sachlicher und unaufgeregter!

Am wenigsten interessiert mich das populäre Verfahren, die Selbstdefinition durch Feindmarkierung vorzunehmen. Das ist erbärmlich. Ich brauche keine Wand, gegen die ich spielen kann, um anderen klar zu machen, wer ich bin und warum ich das bin.

Als Kunst- und Kulturschaffender muß ich in der gegebenen Situation neu klären, was ich selbst zu leisten vermag, wer mich als Verbündeten akzeptieren würde und was daraus folgt, wenn ich meine Position gegenüber Politik und Verwaltung zu verdeutlichen hab.

Wenn ich am Stand der Dinge Kompetenzmängel und Stagnation feststellen muß, dann betrifft das wahrlich nicht bloß die anderen Metiers, sondern auch unseres. Also liegt mir an brauchbaren Befunden, die einer Prüfung und Debatte standhalten. Daraus sind Schlüsse zu ziehen und Handlungspläne zu entwerfen, dann geht’s los. (Ja, ich wiederhole mich.)

"kunst ost" in der aktuellen Ausgabe von "top of styria"

Mich interessiert zur Zeit natürlich sehr, was wir als Kulturschaffende überhaupt direkt mit Wirtschaftstreibenden zu tun haben können. Das ist ja keineswegs so klar und herkömmliche Vorstellungen von Sponsoring führen in unserem Bereich erfahrungsgemäß eher ins Leere.

In der heurigen Jahresausgabe von „top of styria“ ist auf Seite 18 meine Zusammenfassung solcher Überlegungen zu finden: [link]

Außerdem haben wir im Rahmen unserer „Kulturspange“, einer Kooperationsebene im Kulturbereich, nun eine Reihe von Arbeitstreffen eröffnet, wo solche Annahmen, Optionen, Überlegungen debattiert werden, um in praktikable Versuche zu münden: [link]

Ich sehe die wachsende Diskussion um das Grazer Künstlerhaus als einen interessanten Anlaß, um zu klären, wo denn Kunst- und Kulturschaffende in der Steiermark momentan überhaupt stehen; vor allem auch in ihrer Auseinandersetzung mit Politik und Verwaltung. Deshalb fasse ich einen Teil einschlägiger Beiträge hier zusammen: [link]

Techniker Michael Toson (links) und Graphic Novelist Jörg Vogeltanz im Grazer Johann Puch-Museum

Die Alltagskultur bleibt derweil nicht unberücksichtigt. Aus unserem „Kuratorium für triviale Mythen“ ist inzwischen so einiges hervorgegangen. Das bildet längst einen speziellen Fokus auf Mobilitätsgeschichte. Der hat nun eine im Plauderton gehaltene Ebene auf Facebook, an der Person Johann Puch festgemacht: [link]

eine kleine zusammenfassung

seit geraumer zeit loten wir die themenstellung „zwischen landwirtschaft und high tech“ aus. dieses unser generalthema ist auf die oststeiermark gesamt bezogen, aber auch auf die „energie-region weiz-gleisdorf“ angewandt.

das bedeutet, wir bearbeiten diese themen mit künstlerischen, kulturellen und sozialgeschichtlichen beiträgen. daraus haben sich zwei hauptthemen ergeben:
+) agrarische welt
+) frauen und technik

unser fokus liegt natürlich auf gegenwartskunst. um dieses thema zu stärken, befassen wir uns auch mit beiträgen im bereich der voluntary arts.

grübeln für die kunst. von links: kulturwissenschafter günther marchner, jazz-promotor franz maunz und künstler gerhard flekatsch

+) tage der agrarische welt / schlüsselperson: karl bauer
das wird gerade zu einer veranstaltungsreihe verdichtet, es hat sich dazu auch schon a) eine laborgruppe formiert und b) fotograf christian strassegger den ansatz einer „location crew“ erarbeitet. [link]

+) frauen, macht und technik / schlüsselperson: mirjana peitler-selakov
dieser bereich hat sich aus dem „frauenmonat“ von „kunst ost“ heraus entwickelt. mirjana peitler-selakov hat die programmatische arbeit daran fortgeführt und wir haben auch schon eine konkrete kooperation mit einem der großen betriebe in der region erreicht. [link]

das unternehmer-ehepaar jaqueline und tino pölzer hat uns eben zu einer weiteren station in seinem betrieb eingeladen

+) close to nature / schlüsselperson: mirjana peitler-selakov
eine komplementäre struktur zu den oben genannten hauptlinien ist der gegenwartskunst gewidmet. dabei liegt hier der fokus auf arbeiten, die sich dann hauptsächlich in freier natur zeigen. [link]

+) schwerpunkt gegenwartskunst / schlüsselperson: martin krusche
eine kooperation mit dem kunstsammler erich wolf soll über einen zeitraum von fünf jahren die grundlage für ein regionales „kompetenzzentrum gegenwartskunst“ schaffen, das auf internationalen rang abzielt. zu diesem prozeß gehören fachtagungen, symposien und andere vorhaben, die uns diesem ziel näherbringen. das thema für unser erstes symposion im herbst 2012 steht fest: „regionalität und realität // globalität und virtualität“. [link]

+) kulturspange / schlüsselperson: martin krusche
wir haben heuer die basis einer kooperation kunst- und kulturschaffender eingerichtet, mit der wir eine „kulturspange“ quer durch das bundesland realisieren und auch vereinzelt über nationale grenzen hinaus erweitern möchten. [link]

filmfestival "diagonale": brigitte bidovec (links) und barbara pichler

+) april-festival
wir arbeiten schon eine weile an der themenstellung für april 2012: „leben: die praxis der zuversicht“. dieses vorhaben wird sich etwas konzentrierter und von der dimension her kleiner ausfallen als vorherige april-festivals. wir setzen dabei auf eine verfeinerte themenbearbeitung. [link]

+) filmkunst
während die kooperation mit kunstsammler erich wolf schon richtung praxis gediehen ist, hat unsere kooperation mit dem filmfestival „diagonale“ noch den status der entwicklungsarbeit.  das festival steht ja in seiner konzeption und wirkung für sich. was wir nun bearbeiten, ist die frage nach sinnvollen komplementär-schritten, die a) quer durchs ganze jahr angelegt sind und b) jenseits von graz wirkung zeigen: [link]

wovon handelt kulturpolitik? #9

ich habe hier schon erwähnt, daß sich diese in summe wohlhabende gesellschaft ein irritierendes ausmaß an stagnation und kompetenzverlusten leistet. das beschreibt unsere gesellschaft nicht erschöpfend, denn selbstverständlich sind auch andere kräfte im spiel, die durchaus grund zur zuversicht geben. aber die beharrenden momente sind momentan sehr auffällig.

vielleicht liegt eine zwickmühle darin, daß wir alte prägungen noch nicht ausreichend überwunden haben. wer bei den dingen nicht mitreden darf, wird auch keine verantwortung übernehmen wollen. wirft das ein „henne-ei-problem“ auf? ich kenne es nämlich auch umgekehrt und halte es in projekten ganz gerne so: wer keine verantwortung übernimmt, soll auch nicht mitreden.

ich vermute, es sind die erfahrungen von alten, hierarchischen gemeinschaftskonzepten, welche es menschen heute manchmal so schwer machen, die eigenen begehrlichkeiten auch mit ausreichender selbstverantwortung und initiative zu unterlegen. ich hatte zu solchen fragen eben eine interessante debatte in einer anregenden runde. wir waren uns im wesentlichen einig: wenn es so IST, dann nützt es nichts, darüber zu räsonieren. wir sind gefordert, auswege zu finden und auch zu gehen.

rupert rauch (links), mirjana peitler-selakov und horst fickel

ich halte das für den teil einer grundlegenden KULTURPOLITISCHEN debatte. das handelt im kern von fragen der demokratie. denn hier geht es um ideen, wie menschliche gemeinschaft gestaltet werden kann, das stützt sich sehr wesentlich auch auf symbolisches denken, auf unsere ideenwelten. wenn also nicht simples faustrecht vorherrschen soll, bedarf es sehr „kultivierter“ denkweisen, um konzepte zu entwickeln und auch praktisch zu erproben, in denen sich KULTUR zeigt.

die KUNST spielt dabei als — ein radikaler erfahrungsbereich — eine wichtige rolle. sie ist aber nur ein teil dieses größeren ganzen einer sich äußernden kultur, also auch der kulturpolitik. ich habe es schon betont, kulturpolitik muß anders verstanden werden als ein bloßes verteilen von budgets und eröffnen von veranstaltungen. diesde auffassung kann hier in der „provinz“ aber nicht vorausgesetzt werden.

gerhard flekatsch

das heißt folglich, kulturpolitik kann nicht nur die sache von funktionstragenden der politik sein. was das nun konkret bedeuten soll, bearbeiten wir einerseits innerhalb der crew unserer „kulturspange“: [link] das ist andrerseits anlaß für arbeitsgespräche in weiteren formationen.

künstler gerhard flekatsch und kunsthistorikerin mirjana peitler-selakov sind teil der kulturspangen-crew. rupert rauch ist ein bauer aus straden. dieser ort markiert übrigens nach tradiertem verständnis auf dem stradner kogel das südliche ende der oststeiermark. horst fickel ist unternehmer im technikbereich. ein kompetenzen-mix nach meinem geschmack.

was sind also nun zeitgemäße kulturpolitische arbeitsansätze, die vor allem jenseits des landeszentrums beitragen, ein kulturelles klima zu schaffen, das über die alten hierarchischen prägungen hinausweist? was ist ein kulkturelles engagement auf der höhe der zeit, das der kunst ihren rang bestätigt und die eigenverantwortung der menschen betont?

gerhard flekatsch (links) sabine zettl und rupert rauch

das zu klären beschäftigt uns gerade; mit einem fokus auf die oststeiermark, aber auch mit bezug zu anderen landesteilen. im zentrum stehen dabei gegenpositionen zu stagnation und kompetenzverlust. die praxis der eigenverantwortung und eigeninitiative; auch als herausforderung für politik und verwaltung.

p.s.:
horst fickel und sabine zettl sind übrigens in fragen der kochkultur sehr bewandert. diesmal wurde die session durch sabines beitrag zu einem klassischen symposion, einem erlesenen GASTMAHL.

[überblick]