Die Illustration eines historischen Werksprospektes zeigt uns einen eleganten Doppelphaeton mit Torpedo-Karosserie.

Die Illustration eines historischen Werksprospektes zeigt uns einen eleganten Doppelphaeton mit Torpedo-Karosserie.
Ich habe hier zwei historische Motive aufgegriffen, die im Zeitfenster der letzten 200 Jahre für wesentliche Aspekte stehen. Die Steiermark war ursprünglich eine sehr rückständige Region. Das bedeutete für einen großen Teil der Bevölkerung Armut und ein Leben im permanenten Mangel.
Auf dem Weg zum heurigen Aprilfestival stand nun in Schloß Freiberg „Die Ehre des Handwerks“ zur Debatte. Am zweiten Abend der Serie „Handfertigkeit und Poesie“ waren weitere Aspekte zu erörtern, die uns Bedingungen des Menschseins zu klären helfen.
Wir verzweigen das Kunstsymposion im September kurz auf die Straße, in das Zentrum von Gleisdorf. Dort wird ein Stück des Weges als „Geschichtsgasse“ [link] markiert. Wir laden Handwerker, Schrauber und Sammler zur Zusammenkunft ein. Es werden klassische Fahrzeuge gezeigt, es werden Gespräche geführt, es wird einig Raritäten zu sehen geben.
Was hat das mit einem Kunstsymposion zu tun? Warum wird das am Namen Puch festgemacht? Wozu diese Querverbindung zu den trivialen Seiten der Alltagskultur?
Der Rückblick macht deutlich, die Pop-Kultur Österreichs hat als ein herausragendes Vehikel das Mopperl. Mopeds waren bei uns — bis auf recht wenige Ausnahmen — Puch-Mopeds. Lohner, HMW und schließlich auch KTM hielten dem heimischen Marktdruck der Grazer „Schlurfraketen“ nicht stand.
Das Jahr 2014 hat für mich in einiger Stille begonnen; mit erheblicher Papierfresserei. Also mit dem Durchkauen von Papier. Lesestoff, Geschäftsunterlagen, Projektpapiere. Es endete gerade die Aufbewahrungspflicht für Unterlagen aus dem Jahr 2006 sowie eine LEADER-Förderperiode. Viel Altpapier, das aus dem Haus geschafft werden will.
Um es vorwegzunehmen: Uns geht es derzeit besser als ich für möglich gehalten hätte. Das verdankt sich zum Beispiel inspirierten Menschen, die auf konzeptionelle Schritte im Kernbereich dieser Kulturinitiative mit eigenen Ideen reagiert haben.
Im Zeichen der Marke Puch sind nicht mehrere, sondern viele Generationen mit dem Straßenverkehr vertraut geworden. Fahrräder, Mopeds, Roller, Motorräder und Automobile der Steyr-Daimler-Puch AG haben bis heute einen exzellenten Ruf, obwohl es die ursprünglichen Produktionen längst nicht mehr gibt.
Der Namenspatron Johann Puch, ein gewesener Keuschlerbub, welcher es in Graz zum Fabrikanten gebracht hat, starb 1914: [link] Sein Tun hatte also mit den Nachkriegsprodukten keinerlei direkte Verbindung. Es waren allerdings die Qualitätsstandards, die Vielseitigkeit des Altmeisters und seine Erfolge im Alltagsgebrauch der Fahrzeuge wie im Rennsport, die als wegweisend galten.
Am 27. Juni 2012 jährt sich Puchs Geburtstag zum 150. Mal. Das wird der Anlaß zur Wiedereröffnung des Grazer Puch-Museums. Damit haben wir im „Kuratorium für triviale Mythen“ zwei gewichtige Aspekte im Fokus.
a) Am Beispiel Puch läßt sich Sozial- und Mobilitätsgeschichte darstellen und nachvollziehen, wie sie in genau jenen 150 Jahren das Antlitz der Welt verändert haben und eine davor völlig unbekannte Massenkultur hervorbrachten.
b) Mit dem einstigen Untersteirer Puch und den regionalen Konsequenzen seiner Karriere ist dieser Geschichtskomplex eng an die Steiermark gebunden, hat also ein geografisches Bezugsfeld ersten Ranges, in dem wir Einblicke erhalten können, die anderorts so nicht möglich sind.
Wir arbeiten ja schon eine Weile an diesem Themenkomplex, inwischen auch zum Grazer Museum hin verzweigt, das teils völlig einzigartige Artefakte und Archivalien birgt.
Momentan baue ich für das Museum zur Neueröffnung gerade dessen neue Website auf: [link] Das bringt nicht nur einen Nutzen fürs Haus, es ist auch ein Stück praktischer Erfahrungsstrecke, um einiges zu klären, auf welche Arten sich Zentrum-Provinz-Beziehungen (und vice versa) zwischen kulturellen Einrichtungen gestalten lassen.
Ja, ich weiß, das ist jetzt noch kein „Pool der Wissenschaft“. Aber es ist ein Angelpunkt, ein Umschlagplatz, an dem akademische, allgemein kulturelle und triviale Interessenslagen in eine nützliche Wechselbeziehung kommen können. Es geht mir um eben diese Mischung. Es geht uns zur Zeit ganz wesentlich um die Frage,
a) warum und
b) falls je: wie
in der Praxis Kunst, Kultur und Wissenschaft mit einander längerfristig zu tun haben können/sollten.
Dabei würden uns keinerlei an Haaren herbeigezogene Gründe etwas nützen. Wir müssen an sehr konkreten Gegebeneheiten ansetzen; was hiermit geschieht.
— [die feierlichkeiten]–
— [die gefolgschaft des ikarus] —
Das „April-Festival“ [link] liegt hinter uns, hat sich quer durch die Region ereignet, und die Serie der Veranstaltungen ist im Landeszentrum verklungen. Die Session unseres Kuratoriums für triviale Mythen setzte einen besonderen Akzent in einem Denkmal der heimischen Industriegeschichte, wo nächsten Monat das neu adaptierte Johann Puch-Museum eröffnet wird: [link]
Wie schon erwähnt, das Festival war heuer zur Hälfte der Kunstpräsentation und zur anderen dem Gewinn an Know how gewidmet. Unsere Reihe „Talking Communities“ bringt laufend Inputs von außen. Einen Teil davon können Sie als Soundfiles (MP3) downloaden und in Ruhe noch einmal durchgehen, was an den Abenden zur Debatte stand.
So sind etwa die wichtigsten Statements von Michael Narodoslawsky (Institut für Prozess- und Partikeltechnik, TU Graz) in zwei kleinen Serien verfügbar: [Serie #1] [Serie #2] In Summe ein klares Plädoyer für die Langsamkeit grundlegender Prozesse der Meinungsbildung. Außerdem voll interessanter Hinweise darauf, wie wir über unsere Debatten zeitgemäße Formen des „Öffentlichen Raumes“ konstituieren.
Bei einer anderen Diskussion tauchte erneut die Idee auf, KUNST sei etwas LEBENSFREMDES, wenn sie angesichts gesellschaftlicher Probleme nicht zurücktrete und ihre Budgets für „wichtigere“ Agenda verfügbar mache. Genau DAS ist nämlich die Botschaft, die uns erreicht, wenn etwa mit trinkfreudigen Teenagern argumentiert wird, die als zügellose Party-Kinder den Erwachsenen Sorgen bereiten.
Warum sollte die Gegenwartskunst dafür einstehen? Warum kommt jemand auf die Idee, Kunst sei ein „Mittel um zu…?“ In der Sache sind noch klärende Debatten ausständig. Hier auf jeden Fall ein klares Statement GEGEN die unakzeptable Vorstellung, Kunstpraxis müsse ihre Legitimation im Bearbeiten sozialer Defizite beweisen: [link]
Zum eingangs erwähnten Abend des Kuratoriums für triviale Mythen, bei dem es um das Thema Mobilitätsgeschichte am Beispiel „Puch“ ging, ist auch ein Live-Mitschnitt verfügbar: [link] Weitere Tondokumenten werden demnächst verfügbar sein. Hie ein kleiner Gesamtüberblick des jüngeren Bestandes: [link]