Schlagwort-Archiv: kollektive aktionen

Episode XLIII: Eine Schnittstelle

Wir pflegen etwas, das in Österreich nicht besonders populär ist. Abschnitte kollektiver Wissens- und Kulturarbeit.

Artist Talk in Gleisdorf, von links: Rudi Klein, Stefanie Brottrager, Martin Krusche und Angie Verlaine.
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Beyond Memory

Die Erinnerungsmaschine von Facebook ist ein amüsanter Themengenerator. Manchmal sehe ich erst durch solche Funktionen der Software dieses oder jenes Muster in Verläufen. Eben habe ich im Gleisdorfer „Zeit.Raum“ die Episode V eingerichtet: „Crescendo“ (…mit einer Arbeit von Radenko Milak) [Link]

2014: Krusche on Milak by Trtovac at Gleisdorf
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Ortswahl und laufende Prozesse

Im Verhältnis von Zentrum und Provinz besteht bis heute ein erhebliches Gefälle der Mittel und Möglichkeiten. Die historische Situation, daß Zentren entstehen, indem sie ihre Peripherie zur Provinz machen, scheint ungebrochen. Sollte sich eine private Kulturinitiative dennoch Strukturen wie in urbanen Räumen wünschen?

Die Wunderkammer, eine Mischung aus Kuriositätenkabinett, Lesezimmer und Gaststube

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Kulturpakt III: Wenn aber die anderen schuld sind?

Bevor ich in der Provinz eine Budget- oder Infrastrukturfrage hab, hocke ich auf Inhaltsfragen. Welche INHALTE soll ein regionaler Kulturbetrieb fördern und tragen? Was mag von Ansässigen und von Gästen an rationalen, poetischen, visuellen und hörbaren Inhalten in die lokale/regionale Gesellschaft gebracht werden?

Mit Sabine Hänsgen und Sergej Letov von den Kollektiven Aktionen Moskau auf der Strecke in der oststeirischen Provinz

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The Track: Das laufende Jahr

Das Ordnen von Gedanken, das Ordnen von Themen. Das Herausarbeiten von Schnittpunkten, von Deckungen, von möglichen gemeinsamen Schritten für 2014/2015. Vorhin kam diSTRUKTURA-Post (ProArtOrg): „Ok, Martin. Quite clear so far. I can give some feedback tonight, i’m on the bus now.“

Von links: Milan Bosnic, Mirjana Peitler-Selakov und Milica Milicevic

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Axiom: 2014 bis 2019 III

Dragan Prole ist einer von diesen Intellektuellen, die zu treffen man schon ein paar Kilometer hinter sich bringen muß. Solche Leute finde ich nicht an der nächsten Ecke. Nun hat mich der Lauf der Dinge verwöhnt. In diesen Tagen ist alles sehr dicht geworden. Rasa Doderovic hat mir ein paar der Wege geebnet.

Philosoph Dragan Prole

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Kollektive Aktionen: Rückschau

Wir haben bei “kunst ost” ein Rahmenkonzept für den Jahreslauf erarbeitet, das sich bewährt. Das „April-Festival“ ist jeweils der Schwerpunkt des ersten Halbjahres. Da liegt der Fokus auf den Beiträgen regionaler Kräfte. Im zweiten Halbjahr setzen wir den Schwerpunkt stets auf Kunstprojekte im internationalen Kontext. Den „Angelpunkt“ des ganzen Jahres bildet der „FrauenMonat“, den wir rund um den Juni entfalten: [link]

Von links: Mirjana Peitler-Selakov, Selman Trtovac und Sabine Häsngen

Dieses Grundmuster schafft Fixpunkte, die durch kleine, sehr flexible Aktivitäten verbunden werden. Der herbstliche Kunstschwerpunkt war nun 2011 erstmals außerhalb der Landesgrenzen angelegt. „Virtuosi of Deception. An insight into the universe of the group Collective Actions.” als ein Ereignis in Serbien, zu Gast bei “The Third Belgrade 2011”; das hat seine Wurzeln in unserem 2010er-Herbstschwerpunkt.

Mit „the track: virtuosen der täuschung“ boten wir: „Einen Einblick in das Universum der Gruppe ‚Kollektive Aktionen'“: [link] Damit hatten wir eine der international bedeutendsten Konzeptkunst-Formationen der Gegenwart zu Gast. Und nicht nur das, es entspann sich daraus eine längerfristige Kooperation. Die führte uns im Herbst 2011 an die Ufer der Donau.

Von links: Sergej Letov, Mirjana Peitler-Selakov und Sabine Hänsgen

Das hatte dann eine Reflexionsebene mit einigen Stationen in der Oststeiermark, das spielte sich ferner on the road ab und das löste sich in einer großen, mehrteiligen Station in Beograd ein, bei der die Gruppe „Treci Beograd“ federführend war. Siehe „the track: archive (to recover some context)“: [link]

Fußnote: Der serbische Künstler Selman Trtovac, einer der maßgeblichen Akteure von “Treci Beograd”, wird heuer als Artist in Residence im Grazer “Rondo” ordinieren: [link] In der Zeit werden wir uns mit ihm auch in der Oststeiermark etwas vornehmen. Das wird seine künstlerische Praxis betreffen, aber auch sein kulturelles Engagement; eine weitere Erörterung des Themas „Kollaborative Arbeitsweisen zur Gegenwartskunst“; siehe: [link]

Aber zurück zu den „Kollektiven Aktionen“. Sergej Letov hat nun begonnen, jene Tage und Ereignisse in Serbien auf der KA-Website zu dokumentieren:
>>The installation „Virtuosi of deception“ in “3. Beograd” (October 2012) consisted of a photo- and text-documentation, 2 video projections (Russian World / 1985; The tenth notebook / 1994) and an arrangement of definition texts (the terms of the „Collective Actions“) from the “Dictionary of Moscow conceptualism” shown on the windows of the exhibition hall. Curated by Sabine Hänsgen (D) & Mirjana Peitler-Selakov (A/SRB)<<

Hier der Link zu dieser Dokumentation: [link]
Siehe dazu auch: „altes ufer, neue optionen“ [link]

Zucker und Kreml

Die Gedichte der Elena Fanajlova kamen für mich wie ein Schock daher. Diese Themen und diese Ausdruckskraft. Dieses ruhige, völlig unprätentiöse Auftreten der Autorin. Ein Abend in der Veranstaltungsreihe „Zuckerkreml.“, gleichlautend dem Titel eines Romans von Vladimir Sorokin, der auch zu Gast war.

Elena Fanajlova neben Valerij Šubinskij bei den Minoriten in Graz

Für mich war das wie bestellt, um mich meiner Einschätzung zu versichern, da ich meinen Leuten vor Ort im Augenblick nicht gar so freundlich gesonnen bin. Welche Standorte Kunstschaffender innerhalb einer Gesellschaft erscheinen angemessen? Was momentan eine Kontroverse um das „Künstlerhaus“ in Graz sein möchte, gestaltet sich schon seit einer Weile hauptsächlich als ein larmoyantes Gezeter.

Wäre da nicht wenigstens eine kohärente kulturpolitische Streitschrift [link] von einem Konsortium überwiegend sehr kompetenter Leute, man möchte empfehlen, den ganzen Jammerhaufen vor die Türe zu setzen und ihm mit auf den Weg zu geben, es sei vielleicht in zehn Jahren so weit, über derlei Anliegen erneut sprechen zu können.

Fanajlova also, Ärztin, Lehrerin, Journalistin. Wir sind das ja nicht gewohnt, von einem Regime zu konventionellen Berufen gezwungen zu sein, um sich dann auch noch einigermaßen unbehelligt der Kunst widmen zu dürfen.

Das führt dort teilweise zu ganz anderen Kompetenzlagen, vor allem aber, was meine persönlichen Erfahrungen angeht, zum weitgehenden Fehlen von Selbstmitleid; weil dafür keine Energie und Zeit vorhanden ist.

Der Abend mit dem „Zuckerkreml.“

Fanajlova, deren Texte von poetischer Kraft eine Ahnung vermitteln, womit wir es zu tun haben, wenn wir nach einem Land Ausschau halten, das auch unsere Geschicke stets mitgeprägt hat, ohne je in die Nähe des Friedens und Wohlstandes zu kommen, den wir für selbstverständlich halten.

Es war für mich einigermaßen überraschend, daß ein eventuell etwas unkonzentrierter Moderator zum Ende der Veranstaltung die Frage nach „engagierter Literatur“ aufwarf. Hatte Sartre das nicht im vorigen Jahrhundert schon vorläufig erledigt? Gab es seither neue Erfahrungen, die dieser Frage wieder zu Bedeutung verhelfen?

Mir ist nichts dergleichen bekannt. Gut, Österreich hat nicht einmal so viele Einwohner wie Moskau. Was wissen wir schon? Ereignisse wie Sinclair Lewis oder Upton Sinclair kennen wir nicht; daß Romane soziale und politische Konsequenzen bewirkt hätten.

Was mir noch einfiele, Bernhard, Handke, Jelinek, mit denen hätte man vermutlich jederzeit Ärger haben können, wollte man sie danach fragen, ob sie „engagierte Literatur“ verfassen würden. Gut, es ist AUCH eine soziale und politische Konsequenz, wenn man allein für das Existieren seiner Texte angefochten wird, weil einem von dieser (österreichischen) Gesellschaft solche Deutungsmacht nicht zugebilligt wird, zu beschreiben, was man sieht und wovon man weiß.

Sabine Hänsgen („Kollektive Aktionen“) erzählt von Prigov

Zurück zu jenem Abend bei den Minoriten. Es war für mich auch ein Wiedersehen mit Sabine Hänsgen von den „Kollektive Aktionen“, mit der wir uns gerade erst kurz als „Donau-Piraten“ konstituiert hatten; genauer, wir hatten den künstlerischen Herbstschwerpunkt von „kunst ost“ diesmal jenseits der Grenzen absolviert, in Serbien, sehr unmittelbar am Ufer der Donau, als Gäste der Gruppe „Treci Beograd“: [link]

Sabine führte uns durch die Ausstellung von Prigov, der als Samizdat-Autor und bildender Künstler Bedeutung erlangt hat. Allein schon das Video Dmitrij A. Prigov liest „Der Milizionär und die anderen“ lohnt den Besuch.

“In der Regel hatten seine Texte eine ‚Auflage’ in der Höhe von Schreibmaschinendurchschlägen. Sie existierten jenseits der staatlichen sowjetischen Distributionssphäre im Samizdat als vom Autor selbst hergestellte, nicht gedruckte Bücher.“ schrieb Sabine in einem begleitenden Text. „Engagierte Literatur“? Das träfe es wohl nicht genau. Literatur-Literatur. Kraft der Sprache. Inhalte.

Ein Exponat von Prigov

Also Graz. Dieses Graz, deren Kunstschaffende wohl fast ausnahmslos geheizte Stuben genießen dürfen und denen nicht einfallen möchte, wie sich nun genau Politik und Verwaltung zu ihnen verhalten sollen; da haben wir noch Klärungsbedarf. Immerhin hat die IG Kultur Steiermark zum Diskurs aufgerufen. Möge er sich ereignen, der Diskurs: [link]

Mögen Gründe genannt werden, Polemik sich geistreich zeigen, möge ausdrücklich zur Sprache kommen, was wir aufzubieten wissen, um uns als Kunstschaffende gegenüber einem heimischen Regime zu behaupten, das vorerst noch wenig Ambitionen zeigt, unserem Metier angemessene Rahmenbedingungen zu bieten. Oder sind es doch vor allem wir selbst, die noch nicht recht wissen, welche Prioritäten zu verteidigen werden? Denn ein Protestruf in der Art von „Mehr Geld!“ ist ja keine sehr qualifizierte Aussage…

[Die Debatte: Übersicht]

und dann 2050? #3

was für ganz europa gilt, finde ich schon in der region. das leichthin ausgeprochene „WIR“ ist ein phantasma, eine kühne übereinkunft. so lange alles glatt läuft, bleibt dieses „wir“ stark und fraglos aufgestellt. sobald es konflikte oder krisen gibt, zeigt sich die brüchigkeit solcher übereinkünfte.

schlecht? aber nein! so ist nun einmal unsere spezies offenbar gemacht, nehme ich an, und wir haben unsere KULTUR, um erfahrungen zu sammeln, wie man bei all dem trennenden, das uns ausmacht, GEMEINSCHAFT erfahren kann.

aus der befassung mit gegenwartskunst kennen wir etwas, das sich auch in fragen der alltagsbewältigung oft bestätigt: es können keine „wahrheiten“ generiert werden, indem man einfach möglichst alle widersprüche eliminert.

darin liegt zugleich ein hinweis, daß hierarchische konzepte der deutung unserer welt (definitionsmacht als „monopol“) in dieser gegenwart nicht gerade vielversprechend sind. im sinne von: einer darf sagen, was die dinge sind, alle anderen folgen dann. das haben unsere leute auf viele erdenkliche arten durchgespielt. (es hat übrigens, quer durch das 20. jahrhundert, stets zu massakern geführt.)

ab da wird es nun komplex und anspruchsvoll:
+) wie pflegen wir eine „praxis des kontrastes“ in einer massengesellschaft, wo die menschen höchst unterschiedliche positionen einnehmen, was wissensdurst, sachkenntnis und überblick zum stand der dinge angeht?
+) wie verhandelt man gesamtgesellschaftliche anliegen, wenn deshalb auch kompetenzen sehr unterschiedlich verteilt sind?

wir haben bei „kunst ost“ zu einem ganz pragmatischen arbeitsansatz gefunden. selbst sehr unterschiedlich besetzte felder mit themenstellungen, die allgemein sehr unterschiedlich bewertet werden, können über zwei simple fragen höchstwahrscheinlich zu einem ansatz für
a) nähere verständigung und
b) kooperation kommen.

+) frage #1: haben wir gemeinsame FRAGESTELLUNGEN, die uns gleichermaßen interessieren?
+) frage #2: können wir daraus gemeinsame AUFGABENSTELLUNGEN ableiten, die uns gleichermaßen reizvoll erscheinen und bei denen sich die summe unserer kompetenzen ergänzt?

unsere praxis zeigt: über diese zwei punkte läßt sich auch triviales mit sehr anspruchsvollem verbinden. simples und komplexes haben plötzlich das zeug, geradezu komplementär ineinander zu gehen. das schafft gemeinsamen platz, einen „möglichkeitsraum“ für menschen mit sehr unterschiedlichen neigungen.

zwei augenblicke in unserer kulturellen praxis waren während der letzten wochen anregend für das, worum es nun auch in diesem regionalen projekt zu den „visionen 2050“ gehen mag. den einen moment habe ich in beitrag #2 skizziert. sabine hänsgen („kollektive aktionen“, moskau) zitierte: „wir müssen verfremden, um unsere wahrnehmung zu erneuern.“ und meinte damit eine kulturell gefaßte verfahrensweise unserer kognitiven möglichkeiten, daß wir nämlich „das eigene immer wieder auch über das fremde zu reflektieren“ haben.

dazu paßt eine andere anregung, die sich bei der ersten veranstaltung in der „werkstatt gleisdorf: zeitgeschichte + kultur“ von wolfgang seereiter ergab. nachdem die vernissage verklungen und die musikgruppe nach wien weitergezogen war, fand eine runde zusammen, im sinn des wortes, denn wir saßen im kreis des hellen raumes, um gerade erlebtes zu reflektieren.

die sprachwissenschafterin ursula glaeser, der spache romanes kundig, mit kultur und lebensrealität der roma vertraut (roma service), hatte in der debatte eine exponierte position. es ist ja knifflig, uns quasi in gesamteuropäischer nachbarschaft einer ethnie und kultur anzunähern, die von uns mit so weit in die geschichte zurückreichenden ressentiments, repressionen und klischees getrennt ist.

ursula glaeser und wolfgang seereiter

ich bin bei dieser debatte erneut meine „balkan-erfahrung“ gestoßen. damit meine ich: seit jahrzehnten lese ich viel über den balkan und begleite debatten darüber. seit vielen jahren bin ich mit leuten vom balkan in laufendem kontakt und austausch. wir kooperieren beispielsweise im kulturbereich sehr konkret. ich nehme daher gerne an, die südslawischen ethnien, ihre mentalitäten und eigenheiten seien mir einiugermaßen vertraut.

doch immer wieder erlebe ich dann: ich sehe nicht was ich sehe. ich deute manche momente und situationen völlig falsch. ich sehe gelegentlich nicht, was eigentlich HINTER diesem oder jenem moment steckt.

vielleicht ist es ja so, das diese ethnische vielfalt europas unüberbrückbar bleibt; im sinne dieses trennenden. daß eben vieles, in dem die einen aufgewachsen sind, den anderen verschlossen bleiben muß.

aber eventuell ist genau das die gute nachricht und eine ungaubliche chance, aus solchen kontrasten, aus der beeindruckenden vielfalt der ethnien europas, große vorteile zu ziehen; indem man nämlich das trennende nicht als etwas uns trennendes deutet, sondern als einen kulturellen „schatz“ der verbindet.

und genau das dürfte ebenso auf regionaler ebene zum tragen kommen, denn so viel ist klar: so manche bäuerin der region, so mancher fabriksarbeiter, diese ärztin und jener bürgermeister sind mit in mentalität und vorlieben wesentlich fremder, als nikola dzafo aus petrovaradin oder selman trtovac aus beograd.

ich denke, eine zukunftsweisende arbeit an neuen aufgabenstellungen der regionalentwicklung hat zur voraussetzung, daß es uns gelingt, hierarchische anordnungen kultureller positionen aufzugeben und selbst das lokale wie regionale „WIR“ als eine konvention zu verstehen, als eine kulturelle und politische leistung, welche antwortvielfalt und widerspruch als das verbindende werten.

das klingt vielleicht auf anhieb etwas gewöhnungsbedürftig. ich hab da natürlich leicht reden, weil die befassung mit kunst ohne solche scheinbar widersprüchlichen denkweisen überhaupt keine zugänge aufgehen ließe. mir kommt das also aus den letzten jahrzehnten heraus naheliegend und vertraut vor.

beim ausgangspunkt für eine arbeit an möglichen „visionen 2050“ sehe ich also zwei wichtige „markierungen“, deren kenntnis mutmaßlich eine kulturelle voraussetzung ist, damit solche arbeit gelingen kann:
+) „das eigene immer wieder auch über das fremde zu reflektieren“
+) „ich sehe nicht was ich sehe“

[2050: übersicht]

und dann 2050? #2

ich hab in einer ersten notiz [link] zu „ienergie weiz-gleisdorf“ angemerkt: KOMMUNIKATION scheint mir dabei übehaupt DAS „schlüsselereignis“ zu sein. und daß fragen der idetität immer auch ein umgang mit DIFFERENZ seien. das hat auch sehr grundsätzliche bedeutung für die möglichkeiten unserer wahrnehmung. das sind teile unserer kulturellen fundamente.

von links: mirjana peitler-selakov, vlado macura und sabine hänsgen

in unserem kleinen gespräch auf der donau-terasse von kunstsammler vlado macura zitierte sabine hänsgen („kollektive aktionen“) wiktor schklowski: „wir müssen verfremden, um unsere wahrnehmung zu erneuern.“ wir haben dann kurz erörtert, was das für die gesellschaftliche praxis bedeuten würde. hänsgen: „das eigene nicht als eigenes ständig zu reproduzieren“, woraus sich etwa „bei der herausbildung neuer nationalismen“ probleme ergeben würden, „sondern das eigene immer wieder auch über das fremde zu reflektieren“. [quelle]

verfremden um zu erkennen, sich öffnen, um das eigene zu sichern, an solchen möglichkeiten haben wir zu arbeiten. das ist freilich eine kühne intention gegenüber beispielsweise leuten aus der kommunalpolitik, die ganz offen sagen, ihre primäre pflicht sei es, den vorteil ihrer eigenen gemeinde im auge zu behalten. wir kennen ja auch keine KULTURPOLITIK, die über gemeindegrenzen hinaus eine umfassendere kulturelle situation in einer region meinen oder beschreiben würde.

im august 2010 war mehr als klar, daß ein großteil funktionstragender in den gemeinden, und zwar österreichweit, überhaupt nicht verstanden hat, was an kulturellen agenda zu bearbeiten wäre, welche rollen kunst- und kulturschaffende dabei spielen würden. bei den umfragen des gemeindebundes, in welchen bereichen KÜRZUNGEN akzeptabel erscheinen würden, waren kunst und kultur die absoluten spitzenreiter.

das heißt, 91 prozent der befragten bürgermeisterinnen und bürgermeister, mehr noch, 95 prozent der bevölkerung, fanden, man solle in diesen bereichen kürzen. siehe dazu den eintrag im projekt-logbuch: [link]

diese unstände sind freilich nicht bloß den funktionstragenden vorzuhalten. es fehlt auf der anderen seiten seit jahren an kulturpolitischen maßnahmen und klärenden schritten, mit denen kunst- und kulturschaffende deutlich machen wüden, welche rollen und aufgaben ihnen im gemeinwesen behagen könnten, außer einem selbstbezogenen produzieren von ästhtetik.

das ist natürlich kein statement gegen die autonomie der kunst, sondern für eine klar kommunizierbare KULTURPOLITISCHE haltung. das ist etwas, wo wir im eigenen milieu deutlich mehr trennschärfe brauchen: was sind kategorien der kunst und ihrer freiheit und was sind kompetenzen, die wir aus der befassung muit kunst beziehen, um sie AUCH Im gemeinwesen zur wirkung zu bringen… (siehe dazu auch: wovon handelt kulturpolitik?)

[2050: übersicht]