Ich finde inzwischen fast schon Vergnügen an dieser Unruhe. Kaum etwas bleibt an seinem Platz. Nichts ist bloß, was es zu sein scheint. Das fordert uns freilich im Kommunikationsverhalten. Es fällt mir momentan eher schwer, meine Sachen beinander zu halten.
Hat neue Aufgaben übernommen: Sandra Kocuvan (Kulturabteilung des Landes)
Ich hab kürzlich in „Ein kleiner Panoramablick“ [link] davon erzählt, daß die Kunst in der Region ihre Orte hat, engagierte Leute hat, was sich in verschiedenen Initiativen ausdrückt. Dabei fand KOMM.ST [link] Erwähnung, im Norden der Oststeiermark präsent. Den südlichen Kopfbahnhof besuchen wir dieser tage wieder: [link]
In Kooperation der Regionen Hügelland und Schöckelland tritt auch eine Kulturinitiative in neuer Formation auf; K24: „Kultur24 ist die Kulturinitiative der 24 Gemeinden der Region, die gemeinsam der Meinung sind, dass Kultur in der Region einen höheren Stellenwert einnehmen sollte.“ [link]
Mit vergleichsweise langer Praxis agiert in Markt Hartmannsdorf der Verein Kultur und Begegnung: [link] Dort wurde heuer zum zweiten mal ein Literaturwettbewerb ausgeschrieben, welcher unter der Patronanz des Schauspieler-Paares Brigitte Karner und Peter Simonischek stattfindet.
Das Duo wird die preisgekrönten Texte am 7. Juni am 19:00 Uhr auf dem Dorfplatz von Markt Hartmannsdorf präsentieren.
Ich werde auf jeden Fall dort sein, weil ich, wie mir eben per Brief mitgeteilt wurde, zu den Nominierten gehöre. Ein kleiner Hinweis darauf, daß ich auch als Lyriker noch präsent bin…
Wir haben unser heuriges „April-Festival“ mit einer Session in Bad Gleichenberg abgeschlossen: [link] Nun lädt Kathi Velik, Initiatorin der Kulturinitiative „Kopfbahnhof“, für den kommenden Pfingstsonntag zu Finissage und Brunch, um dieses Ereignis abzurunden: [link]
Währenddessen bereiten wir alles für den heurigen „FrauenMonat“ vor, der diesmal stärker dem praktischen Tun gewidmet ist. Mit Stefanie Wuschitz, Miss Baltazar’s Laboratory, Niki Passath… Dazu sind uns noch Mädchen und junge Frauen willkommen, welche in die (gratis) Workshops einsteigen möchten: [link] Es wird allerdings eine abschließende Veranstaltung dazu geben, die öffentlich zugänglich ist.
Kulturpolitische Fragen sind akuter denn je. Die IG Kultur Steiermark hat in der Sache eine Veranstaltungsserie konzipiert, welche auch in der Provinz Station machen wird. Wir leisten dazu einen Beitrag im Rahmen der „talking communities“. Der Titel sollte Anlaß für ausführlichere Erörterungen sein: „Kunst ist kein Reparaturbetrieb“ [link]
Es ist ja nach wie vor so, daß in regionaler Kulturpolitik die Budgets oft genau NICHT für den Bereich Gegenwartskunst eingesetzt, sondern Richtung sozialer Agenda bewegt werden. Das erzeugt Klärungsbedarf. Siehe dazu auch den Beitrag #22 bei „Wovon handelt Kulturpolitik?“ [link]
Es ist nun bezüglich Mobilitätsgeschichte ein nächster Schritt in Arbeit. Ich mache gerade in Kooperation mit dem Wiener Historiker Matthias Marschik ein weiteres „Puch-Puch“ startklar, das kommenden Herbst unter dem Titel „In Österreich weltbekannt“ (Die Geschichte des Steyr Puch 500) erscheinen wird.
Marschik ist mit den Bereichen Sozialgeschichte und Massenkultur sehr gut vertraut, also ein vorzüglicher Kooperationspartner für unseren diesbezüglichen Vorhaben: [link]
Unser 2012er April-Festival hat eine erfreuliche Fülle gehabt und war ein kontrastreicher Gang durch die generelle Themenstellung „Leben: Die Praxis der Zuversicht“. Diese Konzentration auf Möglichkeiten der Zuversicht ist eine erklärte Reaktionen auf jene Krisen-Ensembles gewesen, die seit 2008 so markant unsere Welt umrundet, aber auch uns alle individuell erreicht haben.
Die Session im "Kopfbahnhof" (Foto: Franz Sattler)
Wie zu zeigen war, haben wir uns nicht mit Schönredereien befaßt, sondern eine konkrete Verständigung über den Status quo sowie über mögliche Strategien angestrebt, wie nun voranzukommen ist. Ich habe im vorigen Beitrag [„Tage der Reflexion“] schon auf eine erste Serie von Tondokumenten hingewiesen, die Gelegenheit bieten, manche der Inputs noch einmal in Ruhe zu hören.
Ich hebe als prägnantes Beispiel jene Passage aus dem Abend mit Michael Narodoslawsky (Institut für Prozess- und Partikeltechnik, TU Graz) hervor, in welcher er bei der Frage „Was bewegt die Menschen, etwas zu tun?“ unmißverständlich betonte „Leidensdruck hat noch nie was geändert“, denn „Angst ist ein ganz schlechter Ratgeber“: [link]
Die Sattler'sche "Kanon-Maschine": Wie viel Kontrast und Reichweite hält unsere Wahrnehmung aus?
Wir haben also in diesem April-Festival Grundlagen der Regionalentwicklung debattiert, Fragen des sozialen Engagements, aber auch Fragen der Kunst und ihrer Bedingungen. Dabei wurde mehr als deutlich, daß derzeit keine sehr klaren Vorstellungen kursieren, was Kunstschaffende eigentlich seien, ob das ein Beruf sein könne, falls ja, welche Zusammenhänge dabei wirksam wären.
Solchen Überlegungen wird etwa demnächst die Reihe „kunst der kulturpolitik“ von der IG Kultur Steiermark anschneiden. Dabei will ich in meinem Beitrag einige dieser Fragen zur Debatte stellen; siehe: [link] Mir geht es in der Sache schon eine Weile darum, eine Vielfalt der Lebenskonzepte herauszustreichen, wonach es keinen Sinn macht, die Diskurse auf „Wir Künstlerinnen und Künstler“ zu reduzieren. Da besteht längst aktueller Klärungsbedarf.
Wie viele Lebenskonzepte finden wir auf etwa fünf Laufmetern Boden im Zugang zu einer Ausstellung? (Foto: Franz Sattler)
Daran knüpft noch eine andere Überlegung, die ich eben in meinem Logbuch präzisiert habe: „Eine Sache um ihrer selbst willen gut zu machen, im gesamten Ereignisfeld zwischen materiellen und immateriellen Möglichkeiten. Das scheint eine Grundlage zu sein, auf der wir vorankommen, wenn wir klären möchten, was es mit Würde auf sich haben mag…“ [Quelle]
Das handelt in Summe auch von Überlegungen, die ich schon mehrfach mit der Gleisdorfer Pädagogin Adelheid Berger angestellt hab. Wir sind dabei einmal beim „Prinzip aber/und“ angekommen, für das in allerhand Fällen sehr viel mehr spricht als für das „Prinzip entweder/oder“. Aktuell reagierte sie nun auf den Themenaspekt „Vielfalt von Lebenskonzepten“.
Wenn wir in einer Demokratie eine pluralistische Gesellschaft für unverzichtbar halten, wenn wir überdies an Vorstellungen von Würde festhalten wollen, dann bleibt einiges an Fragen offen, wie wir eine Praxis der Kontrastes realisieren möchten, in der nicht stets Hierarchien gebaut werden, wo ein Konzept das andere übersteuert. Ich denke, da zeichnet sich eine neue Themenstellung ab…
Quer durch die Region ereignet sich Gegenwartskunst in einer zunehmenden Verdichtung. Im Süden der Oststeiermark hat Künstlerin Kathi Velik eben die Kulturinitiative „Kopfbahnhof“ eröffnet. Im vormaligen Bahnhof von Bad Gleichenberg soll es ab nun laufend Kulturveranstaltungen geben.
Dort zeigt momentan untere anderem Christian Strassegger einige Arbeiten. Er wird in wenigen Tagen auch in Oberschützen [link] eine Ausstellung zu eröffnen haben. Sein Thema: „Wüste“.
Im Norden der Oststeiermark ist gerade das Festival „KOMM.ST 1.2“ angelaufen: [link] Im Raum zwischen Anger und Weiz gibt es noch bis 19. Mai eine ganze Reihe bemerkenswerter Programmpunkte. Das Thema „Neue Kunst, alte Orte“ scheint auch für die Zukunft als vielversprechende Aufgabenstellung zu ergeben.
„Ein neuer Ort für die Kunst und ihre Bereiche des Lebens in sich wandelnden Zeiten stellt sich vor – versucht zu zeigen, was vorstellbar ist.“ Kathi Velik, die „Stationsvorsteherin“ der Kulturinitiative „kopfbahnhof“ Bad Gleichenberg, hat nun ihre Crew formiert, um den 5. Mai abzurunden. Wir werden per Zug von Gleisdorf über Feldbach nach Bad Gleichenberg anreisen, um das „April-Festival“ von kunst ost abzuschließen: [link]
Das „Performance Writing Weekend“ von Arnolfini
Dazu gehört eine online-Verknüpfung mit dem „Performance Writing Weekend“ von Arnolfini: [link] Genauer: 17:30 UpStage: Internet-liveperformance „make-shift“ von Helen Varley Jamieson (NZ) und Paula Cruchlow (UK) Interactive screening as part of PW12
Außerdem gibt es Akzente am Saxophon von Eva Ursprung und Thomas Rottleuthner. Die Zuglotsinnen und Weichenstellerinnen der kopfbahnhof-Crew aus der südöstlichen Steiermark sind: Bernadette Moser, Erwin Stefanie Posarnig, Karin Scheucher, Andrea Schlemmer, Marlene Stoisser und Kathrin Velik.
Künstlerin Kathi Velik teilt mit: „Ihr seid alle herzlich eingeladen, am 5. Mai zur Abschlußveranstaltung des April-Festivals von kunst ost und zum Debut des kopfbahnhof Bad Gleichenberg anzureisen!“
Sie kündigt an: „Ein Neuer Ort für die Kunst und ihre Bereiche des Lebens in sich wandelnden Zeiten stellt sich vor — versucht zu zeigen, was vorstellbar ist.“
Neu in der Region: Die Kulturinitiuative "kopfbahnhof"
Diese Ausfahrt und Ankunft ist zugleich die Abschlussveranstaltung des April-Festivals von kunst ost, in dem Kunstschaffende aus den östlichen Regionen der Steiermark sich zusammengetan haben, um neue Arbeiten zu präsentieren. Ziel ist der kopfbahnhof Bad Gleichenberg, welcher somit sein Debüt als Kulturveranstaltungsplatz feiert.
Das Programm „Leben: Die Praxis der Zuversicht“ zeigt sich hier als „memo“ – als Summe zarter Ansätze einer keimenden Idee durch Fragmente aus dem Festival und im Gartenprojekt „art-greening“, mit Unkraut und anderem Gemüse.
+) Die kunst ost-Crew: Irmgard Hierzer, Michaela Knittelfelder-Lang, Renate Krammer, Martin Krusche, Franz Sattler und Christian Strassegger.
+) Die Zuglotsinnen und Weichenstellerinnen der kopfbahnhof-Crew aus der südöstlichen Steiermark: Bernadette Moser, Karin Scheucher, Andrea Schlemmer, Marlene Stoisser und Kathrin Velik.
+) Die Reise
Eine Zugfahrt von Gleisdorf zum kopfbahnhof Bad Gleichenberg (auf der Monsieur Emile ein neues „Traktat des Avantourismus“ verfasst), begleitet von Kunstschaffenden, Kunst und Publikum, dienstlich betreut von Fahrdienstleiter Martin Krusche:
— Abfahrt: 13:30 Uhr, Bahnhof Gleisdorf
— Ankunft: 14:52 Uhr, Bahnhof Bad Gleichenberg
(Der Fahrkartenautomat nimmt Münzen und Bankomatkarten an!)
— 15:00 Uhr, Eröffnung der Ausstellung „Leben: Die Praxis der Zuversicht“ im kopfbahnhof mit Akzenten am Saxophon von Eva Ursprung und Thomas Rottleuthner
— 18:00 Uhr, „Eternal Charts“
— Letzte Rückfahrt mit dem Zug um 19:09 Uhr!
Weitere Infos zu Rückfahrmöglichkeiten mit dem Bus bitte selbst recherchieren oder für etwaige Rückfahrgemeinschaften bzw. Unterkünfte sorgen.
Für alle AutofahrerInnen und Fahrgemeinschaften:
Autobahn A2 Richtung Wien/Graz – Abfahrt Gleisdorf Süd – Richtung Feldbach – mit Umfahrung weiter bis Bad Gleichenberg, vorbei an Fa. Kiefer Halle – zum unteren Ortskern MEZ – Kreisverkehr nach ortseinwärts – Bahnhof – (Gemeindeparkplatz). Genauer: Bahnhofstr. 3, 8344 Bad Gleichenberg
— Die Route: [link]
— Kontakt in dringenden Fällen: 0664 / 35.50.456
Vorsicht nach 22:00 Uhr ist der kopfbahnhof nachtaktiv. Ein überlanges Bleiben oder Tanzmusik kann nicht ausgeschlossen werden!
Künstlerische Praxis ist eine Praxis des symbolischen Denkens, ist ein Arbeiten mit Codes, ist ein Zuschreiben von Bedeutungen, ist ein Ausloten von Zusammenhängen und deren Deutung in Akten von Definitionsmacht. Klar? Klar! Ich mußte den Satz dann selber zwei mal lesen, um sicher zu gehen, daß er auf den Punkt kommt, den ich gerade vor Augen habe.
Winfried Lehmann (links) und Christian Strassegger südwärts im 1931er Triebwagen
Manche Sätze, Abschnitte, Seiten, ganze Texte muß ich öfter als zweimal lesen, um mir zugänglich zu machen, wovon sie handeln. In solchen Zugängen ist auch eine Landschaft für mich Text. Ich durchmesse Terrain gerne im Legen von Strecken, also im Gehen oder Fahren. Dabei erahne ich Spuren von getanen Taten und gelebtem Leben. Das ist eine Art des Erschließens von Geschichte.
Kürzlich machten wir eine kleine Strecke, auf der es sich ergab, daß wir unerwartet in einem 1931er Triebwagen saßen, mit dem wir etwa die Hälfte der Route absolviert haben. Das heißt, wir waren in ein Artefakt gepackt, das einer radikalen Ära entstammt, in der eine Mischung aus technologischen Veränderungen und Ideologie begann, das Antlitz der Welt zu ändern; in einem wörtlichen, physischen Sinn.
Ich denke, es sind uns heute weder die genauern Zusammenhänge präsent, noch die Kontinuität vor Augen, in der sich das vollzogen hat, in der sich das an uns manifestierte. Ich streue in polemischer Verkürzung einen Satz ein, an dem wir noch viel Arbeit haben werden: Die aktuelle Krisensituation ist vor allem auch eine Krise des Fordismus; genauer: Die umfassende Krise einer fordistischen Kultur.
Kleiner Einschub:
Der Begriff Fordismus wurde von Henry Ford und seinen unternehmerischen Konzepten hergeleitet: [link] Eva Kreisky faßt zusammen: „Merkmale eines fordistischen Systems sind Massenproduktion in der Kombination mit der Schaffung von Massenkaufkraft, bzw. -konsum, Vollbeschäftigung und Sozialstaat sowie eine institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen Kapital und Arbeit in einer Industriegesellschaft. All dies ist vom Staat zu garantieren.“
Es ist demnach kein Zufall, daß ich im Teilprojekt The Track [link] das Motiv der Mobilität so zentral angeordnet habe und daß eines der dominanten Teilthemen in diesem Zusammenhang der Automobilismus ist, der in unserer Mobilitätsgeschichte so radikal auftaucht und wirkt wie zuletzt vermutlich die federleichten Streitwagen mit ihren revolutionären Speichenrädern, wie sie im zweiten Jahrtausend vor Christus von den Sumerern eingeführt wurden.
Auf unserer kleinen Reise zu Kathi Veliks „Kopfbahnhof“ in Bad Gleichenberg kam ein symbolträchtiges Ensemble zustande. Den 1931er Triebwagen habe ich schon erwähnt. Dazu kam Bildhauer Winfried Lehmann, der übrigens erwähnte, es säße nun seit rund 25 Jahren das erste Mal wieder in der Eisenbahn. Lehmann wurde 1934 geboren. Das ist exakt jenes gut beschreibbare Jahr, in dem der Fordismus sowie das gesamte Industriegeschehen in einer neuen Ära aufgingen, was sich auch kulturell enorm niederschlug.
Ich hab in „Die erste Fahrt“ [link] schon knapp skizziert, was die „Stromlininen-Ära“ bedeutet und durch welche amerikanischen Fahrzeuge sie erstmals für die breitere Wahrnehmung repräsentiert wurde: Der Eisenbahnzug Pioneer Zephyr und der Air Flow von Autoproduzent Chrysler. Siehe dazu auch meinen Logbuch-Eintrag #1817! [link]
Die Ära der "Silberpfeile": Der "P-Wagen" von Hitlers Hof-Ingenieur Ferdinand Porsche bei der Erprobung in Monza (Quelle: Allgemeine Automobilzeitung, Februar 1934)
Die für heutige Gewohnheiten auffallende Langsamkeit unserer Bahnfahrt auf dem letzten Abschnitt der Route stand im harten Kontrast zu jenem Beschleunigungskult, der sich mit den „Streamliners“ 1934 erstmals ganz massiv hervortat. 1934 ist auch das Jahr, in dem Auto Union und Mercedes-Benz neue Rennwagen vorstellten, die später als „Silberpfeile“ nicht bloß Motorsportgeschichte schreiben sollten, sondern auch zu einem prominenten Kapitel in der Geschichte der Tyrannis wurden.
Adolf Hitler war 1933 zum Reichskanzler ernannt worden. Sein Verbrechensregime setzte propagandistisch auf eben diese „Silberpfeile“, investierte Vermögen in deren Entwicklung, machte das Automobil zu einem Hauptgegenstand einer vollkommen neuen Massenkultur.
Damit wurde ein reaktionärer Modernismus inszeniert, der auf Massenmobilisierung zielte und das Auto zu jenem herausragenden Konsumgut erhob, mit dem der breiten Bevölkerung versprochen wurde, an einem kommenden Wohlstand teilnehmen zu können. (Eines der vielen Versprechen, das die Nazi gebrochen haben.)
So mag erahnbar werden, wie all diese Aspekte zusammenhängen und zusammenwirken. So mag greifbar werden, warum ich der Ansicht bin, daß unseren aktuellen Krisenerfahrungen aus einigen Kausalketten hervorgehen, die teils tief in den Bereichen des Fordismus und da wiederum in der Kontinuität eines aggressiven Automobilismus liegen, der in dieser Deutung mehr Ideologie als Transportsystem ist.
Wir besuchten den „Kopfbahnhof“ von Kathi Velik, ein Kulturprojekt in Bad Gleichenberg, per Eisenbahn. Dort wird ja am 5. Mai unser heuriges April-Festival abgeschlossen, um so unter anderem eine kleine Reise durch die Region symbolhaft zu runden: [link]
Bei der Festival-Themenstellung „Leben: Praxis der Zuversicht“, geht es unter anderem darum, Befunde über unseren Lebensraum als Ausgangspunkte zu nehmen und unsere Schlüsse darzulegen. In polemischer Verkürzung stößt man dabei heute auf zwei sehr markante Themen: Beschleunigungskult und überzogenes Konsumverhalten. Dem entgegenzuwirken setzt voraus, daß wir verstehen, wie es zu jenem Status quo gekommen ist. Dieses Verständnis soziokultueller Vorgänge quer durch das 20. Jahrhundert hat im Alltagsleben kuriose Bezugspunkte.
Winfried Lehmann (links) und Christian Strassegger in Feldbach
Gleisdorf liegt im Bereich der ÖBB. In Feldbach wechselt man, um nach Bad Gleischenberg zu kommen, auf das Terrain und den Schienenstrang der Steiermärkischen Landesbahnen. Das brachte uns in einen Triebwagen aus dem Jahr 1931, was von hohem symbolischem Gehalt ist und eine sehr greifbare historische Erfahrung bringt. Es ist ein Fahrzeug aus der Ära der „Stromlinie“, ohne selbst formal diesem radikalen kulturellen Prinzip zu entsprechen.
Das ästhetische Konzept der „Streamliner“ war wegbereitend für eine Konsumlogik und eine Beschleunigungskultur, deren teilweise höchst problematischen Auswirkungen wir bis heute am Hals haben und bearbeiten müssen. Dieser Triebwagen, mit dem wir durch die Oststeiermark fuhren, widersprach in Aufmachung und Fahrverhalten ganz umfassend genau jener Beschleunigungskultur.
Kleiner Einschub:
Um einen Eindruck zu bieten, wovon hier die Rede ist: Der Pioneer Zephyr (1934) von Burlington [link] war der erste Stromlinien-Personenzug Amerikas. Das automobile Pendant dazu war der Air Flow (1934) von Chrysler, kein Verkaufsschlager, aber wegweisende Karosseriegestaltung: [link]
Diese Fahrzeuge mögen offensichtlich und klar machen, was damals die neue HÜLLE bedeutete, welche
a) GESCHWINDIGKEIT und Fortschritt darstellen sollte, welche elegant
b) VERDECKTE, was die Maschine an Organen, Komponenten und Funktionen unter der Haut verbarg.
Der 1934er Pioneer Zephyr (Photo by Charles Peirce)
Das bedeutet, es etablierte sich eine Kultur der visuellen Inszenierung, die sich von den greifbaren Inhalten auch sehr unabhängig machen konnte und ein Hauptstament hatte: Ich bin schnell! Sie finden das auf abstruse Art in jener Zeit auch bald bei Staubsaugern, Waschmaschinen, Bleistiftspitzern etc., sogar an Häusern.
Wir waren nun Passagiere der früheren Verhältnisse. Das Drehgestell auf Blattfedern, der Wagenkasten auf Blattfedern, die ganze Fuhre also auf alte Art doppelt mit Stahl gefedert. So entsteht eine Gesamtsituation in Sachen Fahrkomfort aus einer Ära, in welcher Automobile für den Großteil der Menschen unerschwinglich waren. Jene Autos, die es zu der Zeit auf unseren Straßen gab, waren nur zum geringsten Teil in Privatbesitz, die meisten sind Geschäfts- oder Behördenfahrzeuge gewesen.
Zwichen feldbach und Bad Gleichenberg unterwegs: 1931er Gleischstrom-Triebwagen
Die regionale Eisenbahn, wie wir sie zwischen Feldbach und Bad Gleichenberg heute noch erleben können, war damals genau so eine Sensation des individuellen Mobilitätsgewinn und könnte genau das auch wieder werden, wenn die Erhaltungskosten von Autos im heute vertrauten Maß weiter steigen.
Der elektrische Normalspur-Triebwagen generiert aus Gleichstrom (welcher in Gnas eingespeist wird) 400 PS. Eine moderne Taurus macht mit Wechselstrom fast 10.000 PS. Das als weiterer Hinweis auf die enormen Kontraste in den Fundamenten unserer Mobilitätsgeschichte.
Die verlangsamte Reise und die Sicht auf eine Landschaft vom Bahndamm aus ergibt eine völlig andere Erfahrung der Region gegenüber der flotten Fahrt mit dem Auto. Dieser Blick vom Bahndamm aus ist übrigens ein zentrales Element dieser gesamten Projektgeschichte über bald ein Jahrzehnt.
P.S.: In diesen Reflexionen liegt auch ein Querverweis zu „Gehen, reiten, fahren“ (Fahrzeug & Fetisch), ein eigener Themenabend im Rahmen des April-Festivals: [link]
Wir haben mit der „novi sad-session“ im Dezember 2010 die Reihe Talking Communities eröffnet und eingeführt: [link] Sie ist als Konferenz in Permanenz den Fragen der Kunst und der Kulturpolitik gewidmet. Nun werden daraus auch gewissermaßen Walking Communities ;-))
Für das kulturelle Engagement abseits des Landeszentrums bieten Telekommunikation und Teleworking eine Reihe von Vorteilen. Aber die reale soziale Begegnung bleibt unverzichtbar. Wo Kooperation gewünscht wird, sollten außerdem die herkömmlichen Muster des Verhältnisses „Zentrum/Provinz“ nicht reproduziert werden. Also „zentralisieren“ wir diesen Prozeß nicht, wir wandern mit unseren Arbeitstreffen stets durch die Region, suchen die verschiedenen Plätze auf, wo einzelne Personen oder Gruppen Kulturarbeit leisten.
Manchmal reisen wir gemeinsam ein Stück des Weges. So zum kommenden „Picknick im Kopfbahnhof“, wo wir eine „Konferenz in Permanenz“ realisieren. Das bedeutet, wir besuchen Künstlerin Kathi Velik, die im alten Bahnhof von Bad Gleichenberg wohnt und ihn zu einem kleinen Kulturzentrum umgestaltet hat. Wir machen das mit einer gemeinsamen Bahnfahrt Gleisdorf – Bad Gleichenberg; ein Teil der Leute von Graz aus.
So wird nun die neue, südlichste Position der Kulturspange [link] markiert. Basics: Bringen Sie individuellen Picknick-Proviant mit. Decke und/oder Klapphocker dürften nützlich sein. Kleingeld für den Fahrkarten-Automat nicht vergessen!
Diese „Konferenz in Permanenz“ ist ein weiterer Beitrag, um zur Verständigung und zur Kooperation Kunst- und Kulturschaffender anzuregen. Ich hab im Intro zum „April-Festival“ 2012 [link] schon eine klare Position formuliert, die keine Bittsteller-Pose vorsieht, sondern davon handelt:
Wir vertreten unsere Sache in jeder denkbaren Situation. Wir haben in Fragen der Kulturpolitik eine deutliche Themenführerschaft aufgrund gebündelter Kompetenzen. Wir suchen die Kooperation mit anderen Kulturschaffenden, mit Funktionstragenden aus Politik und Verwaltung, mit Wirtschaftstreibenden.
Die Themen für unsere Zugfahrt und den Aufenthalt im Kopfbahnhof:
+) Kennenlernen neuer Leute
+) Vorbereitung der Station vom 5. Mai 2012
+) Kooperationsmöglichkeiten innerhalb der Kulturspange
+) EPU-Know how, Strategien gegen die Krisensituationen
Zum Teilthema EPU-Know how beziehe ich mich auf Inhalte der Gruppe „Amici delle SVA“: [link] Siehe dazu auch: „Wir sind 55,6 Prozent!“ [link]
Chris Hildebrandt präzisierte zur Frage, wer in dieser Community zur Debatte steht: „…selbstverständlich sehen wir — neben EPUs, neuen Selbstständigen, Freiberuflern und Kleingewerbetreibenden — auch Teilselbstständige mit (oft) Gering- oder Teilzeitanstellung als unsere Zielgruppe. Wie du ja weisst sind solche Fälle ja z.B. besonders bei Kunstschaffenden sehr häufig.“
Sonntag, 25. März 2012 Talking/Walking Communities
[link]