Ein LAN ist ein Local Area Network. Ein WLAN ist überdies „wireless“, also drahtlos. Das fanden wir im Gleisdorfer Restaurant „Gut“, um einen angenehmen Platz für unsere Session zu haben. So ein drahtloses Netzwerk vor Ort bietet Internetverbindung. Also konnten wir unsere Laptops auf den dunklen Tisch wuchten und loslegen.
Am Donnerstag, dem 19. Jänner, wird um 19:30 Uhr eine Ausstellung von Herta Tinchon und Christoph Urban eröffnet. Und zwar im Grazer ORF-Zentrum (Marburgerstraße 20).
Kurator Werner Wolf („Museum der Wahrnehmung“) hat auf Kongruenz und Kontrapunkt gesetzt, die Frage nach Konfrontation oder Harmonie aufgeworfen.
… ist vor dem plenum. anregungen schaffen arbeit. hat jemand etwas besseres vor?
seit dem sommer („frauenmonat“) war nun pause, was veranstaltungen und „außenauftritte“ von „kunst ost“ angeht. es hat die programm-arbeit dominiert. es waren viele arbeitsgespräche vorrangig, um a) den status quo der region klarer herauszubekommen und b) möglichkeiten zu kooperationen auszuloten.
von links: irmgard eixelberger, irmgard hierzer, michaela knittelfelder-lang und herta tinchon
das sind arbeiten, die auch viel vergnügen machen, weil sie nie ohne ergebnisse bleiben und weil sie sichtweisen verändern. das aktuelle plenartreffen von „kunst ost“ hat mir gezeigt, wie gut etliche leute verstanden haben, wohin nun die reise gehen mag.
wir sind kein „event-betrieb“, also zählt publikums-maximierung auch nicht zu unseren prioritäten. es ist fein, wenn sich zu einzelnen vorhaben nennenswertes publikum einfindet und wenn da lebhafte situationen entstehen. aber es war beim plenum offenbar konsens: unser fokus liegt a) auf gewichtigen themenstellungen und b) auf einer anregenden arbeit an diesen themen; und zwar im kollektiv.
wolfgang seereiter und angelika haas
malerin herta tinchon sagte unmißverständlich: „ich male ja nicht für andere leute, sondern für mich.“ es sind ihre fragestellungen und das eingehen auf anforderungen, die sich aus ihrem kunstverständis ergeben, woraus dann ihre künstlerische praxis erwächst. das ist gewissermaßen der nach innen gerichtet teil solcher prozesse. die schritte nach außen sind dann ein völlig anderer teil der geschichte.
wir haben also konsens: THEMENSTELLUNGEN ergeben FRAGESTELLUNGEN, daraus leiten wir AUFGABENSTELLUNGEN ab. darauf kann mit künstlerischen verfahrensweisen reagiert werden, aber auch mit anderen methoden. etliche von uns bevorzugen mischformen der möglichkeiten, sich mit themen zu befassen. ANTWORTVIELFALT!
wir sehen überdies, wie fruchtbar wachsende KOMMUNIKATIONSNETZWERKE sind. das macht nebenher sichtbar, welch interessante kulturelle arbeitsansätze quer durch die region wirksam werden. so hat etwa wolfgang seereiter in gleisdorf eben einen raum gemietet, den er als eine werkstatt für zeitgeschichte und kultur etablieren möchte. das eröffnet sehr interessante perspektiven.
kathrin velik
ferner war kathrin velik beim plenum. sie hat den alten bahnhof von bad gleichenberg gekauft, renoviert, und damit ein gravitationsfeld für kunst und und kultur geschaffen, einen neuen möglichkeitsraum. wenig überraschend, daß wir diesen bahnhof in das kommende april-festival [link] einbeziehen möchten und uns einig sind: diese station werden wir von gleisdorf aus per eisenbahn ansteuern, die zugfahrt selbst solle auch teil des geschehens werden.
ich darf erinnern, daß wir diese zugstrecke im jahr 2005 schon einmal mit einem symposion bespielt haben, das bis ins wiener museumsquartier geführt wurde: [link] eine äußerst fröhliche erfahrung, an die nun zeitgemäß angedockt werden soll.
karl bauer
in summe sind wir uns freilich einig, daß das kommende festival von der dimension her etwas kleiner als die vergangenen angelegt festivals sein soll, dafür thematisch konzentrierter und stärker auf die möglichkeiten kollektiver kreativität konzentriert.
das verlangt natürlich auch nach leuten, die sich auf andere einlassen können. das herkömmlich dominante modell „man möge mir künstler einen roten teppich ausrollen“ ist da ebenso irrelevant wie unerwünscht. derlei flausen mögen sich auf dem konventionellen markt bewähren, dagegen ist ja nichts einzuwenden. hier und bei uns geht es längst um andere zugänge…
ohne zu reisen würde meine existenz als künstler völlig mißraten. zweierlei bedingungen lösen sich auf den fahrten ein. im fremden zu sein und vor ort zu ein. die irritation durch das, was man noch nicht kennt und die konkrete anschauung dessen, was woanders ist… jenseits aller mutmaßungen.
das sind auch grundlagen jener kooperationsansätze, die wir bei „kultur.at“ und im rahmen von „kunst ost“ entwickelt haben. zur erinnerung: „kunst ost“ war ursprünglich ein projekt von „kultur.at“. wegen seiner anwachsende dimension und komplexität hatten wir es schließlich ausgelagert und mit einer eigenen struktur versehen.
doch im verweben der unterschiedlichen aufgaben und vorhaben ergibt es ein ganzes, das sich wechselseitig bedingt. es löst sich auch auf reisen ein. das meint einerseits die besuche von kolleginnen und kollegen in anderen regionen. davon verdichtet sich nun etwas in unserer „kulturspange“: [link]
teil der "kulturspange" (von links) franz maunz, eva ursprung, mirjana peitler-selakov und gerhard flekatsch
das gewinnt andererseits erweiterungen über unser „balkan büro“ [link] die krisen des vormaligen jugoslawien sind auch die krisen europas. uns damit und mit den konsequenzen zu befassen bedeutet, sehr viel von jenen kräftespielen zu begreifen, die ganz europa bewegen. (in den „fahrten südost“ — teil #1 und teil #2 — sind einige aktuelle notizen zusammengefaßt.)
diese mischung aus konzentration auf lokale und regionale, aber auch auf grnzüberschreitende zusammehänge bündeln sich nun in unserer arbeit an der startphase eines „kompetenzzentrums für gegenwartskunst“: [link]
steinernes monument eines brockens europäischer historie: die brücke über die drina
in kooperation mit dem kunstsammler erich wolf haben wir begonnen, gegen ressentiments und kompetenzdefizite, die es in verschiedenen instanzen dieser gesellschaft gibt, der gegenwartskunst gerade in dieser von krisen bestimmten zeit neues terrain zu gewinnen.
reflexionsvermögen, flexibilität des denkens, problemlösungskompetenzen, all das, was politik und wirtschaft so sehr fordern, was aber voe allem eine zeitgemäße demokratie dringend braucht, sind fertigkeiten, die in ihrer entfaltung klare vorbedingungen haben. es geht um WAHRNEHMUNGSERFAHRUNGEN, also um ästhetische erfahrungen. genau DAS bedeutet „ästhtetik“: wahrnehmung.
es gibt nur wenige genres, in denen all das so radikal, also grundlegend zu anwendung kommt, wie in der befassung mit kunst; egal ob als kunstschaffender oder als rezipierender mensch. so gesehen ist es absurd, daß gegenwartskunst vor allem jenseits der landeszentren als „abgehoben“ diffamiert und als „elitär“ herabgewürdigt wird.
man kann ja über kunst reden: malerin herta tinchon im arbeitsgespräch ("talking communities")
es ist ebenso absurd, daß budgets dafür so umfassend gekürzt wurden. aber das scheint im augenblick nicht verhandelbar zu sein. also brauchen wir strategien und neue modi, um in dieser zeit mit ihren kompetenzverlusten und ihrer stagnation nicht nur terrain zu halten, sondern boden zu gewinnen.
es sind oft feine kräftespiele, die eine position vom feld des kunsthandwerkes hinüber zur kunst verschieben. irmgard eixelberger bewegt sich gerade als grenzgängerin zwischen diesen zonen. ihre profunde kenntnis des brauchtums im agrarischen leben ergab nun einen anknüpfungspunkt für uns, um zu einer ersten „erweiterten runde“ zusammenzufinden, in der wir einige künstlerische optionen der „tage der agrarischen welt“ debattierten.
tierarzt karl bauer, die künstlerinnen herta tinchon, michaela knittelfelder-lang und irmgard eixelberger
auch hier gilt, daß kunstschaffende nicht zu einem „dekorationsgeschäft“ aufgerufen sind. es geht darum, daß sie mit ihren bevorzugten mitteln auf gemeinsam festgelegte frage- und aufgabenstellungen reagieren. im dialog mit leuten, die genau das mit anderen mitteln tun. dieser zugang basiert auf einer vorstellung, die wir dem „april-festival“ 2011 zugrunde gelegt hatten:
„Wenn diese Region eine Erzählung wäre, dann könnte sie sich selbst erzählen, falls die Menschen, die hier leben und arbeiten, ihre Stimmen erheben würden. Die Stimmen zu erheben ist in diesem Fall auch metaphorisch gemeint und bezieht sich auf das Einsetzen der jeweils bevorzugten Kommunikations- und Gestaltungsmittel.“ [quelle]
medienkünstler niki passath (links) und unternehmer tino pölzer bei den startvorbereitungen der „essigrakete“
das bedeutet zum beispiel ebenfalls, kunstschaffende von auswärts mit verschiedenen akteuren des regionalen gemeinwesens in interaktion zu bringen. ein beispiel dafür war die session beim unternehmer-ehepaar jaqueline und tino pölzer, bei der wir experimentalbäckerin ida kreutzer, medienkünstler niki passath und fotograf emil gruber zu gast hatten. [die crew]
nun arbeiten wir am kommenden „april-festival“ das den titel „leben: die praxis der zuversicht“ [link] tragen wird. mit dem eingangs erwähnen arbeitstreffen ist auch eine erste laborgruppe formiert worden, zu der sich noch der fotograf christian strassegger und die künstlerin renate krammer zählen. strassegger arbeitet übrigens auch an einem eigenen konzept für einen beitrag zu den „tagen der agrarischen welt“.
wir gehen gerade daran, unseren aktuellen arbeitsansatz mit landesrat christian buchmann zu debattieren. aus unserer konzeption ergibt sich nämlich ein ganz anderer modus als herkömmlich zirkulierende „geschäftsmodelle“, wie wirtschaftstreibende und kunstschaffende mit einander zu tun haben können. dieser modus steht auch im kontrast zu gängigen befürchtung, die wirtschaft werde die kunst vereinnahmen. wenn sich dieser ausgangspunkt klar markieren läßt, nämlich eine gemeinsamen fragen- und aufgabenstellung, dann ergeben phantasien vom vereinnahmen keinen sinn.
der kanadier simon brault gibt in seiner streitschrift “no culture, no future” einen anregenden hinweis auf solche zusammenhänge: „We are still locked in a restrictive mode that is preventing us from taking full advantage of the potential of the arts and culture, which are incredible vectors of creativity, the principal driver of economic and social growth.“
brault sagt ebenso unmißverständlich: „Culture is not a parasite of economic and social development, but it can be a motor for it.“
apotheker richard mayr (links) und büchsenmacher franz lukas als akteure im kunstgeschehen
das verlangt etwa, herkömmliche rollenzuschreibungen aufzugeben. als beispiel: wenn ich mich bemühe, versierte unternehmer für ein projekt zu gewinnen, und zwar als akteure, dann betrachte ich sie nicht als „geldquelle auf zwei beinen“, sondern als personen, die a) interessante kompetenzen einbringen und b) ihrerseits sehr konkrete erfahrungen mit unserem milieu und unseren arbeitsweisen machen.
das bringt nicht bloß interessante ergebnisse, wie sich etwa im fall von „ist gleich/ungleich“ gezeigt hat. da ging es mir darum einen kaufmann (richard mayr), einen ingenieur (andreas turk) und einen handwerker (franz lukas) für ein gemeinsames vorhaben zu gewinnen: [link]. derlei modi verändern auch die kulturelle situation eines ortes.
nun geht es darum, solchen wechselseitigen erfahrungsprozessen mit ihrer gemeinsamen wirkung nach außen als ein spezielles kulturelles geschehen dauer zu verleihen. dabei spielt zwar die gegenwartskunst eine wichtige, aber nicht die einzige rolle.
ich hab übrigens gerade zusammengefaßt, welche art von rolle ich in solchen zusammenhängen für kunstschaffende sehe: [link]
es geht mir da um eine klare position, sich den verschiedenen varianten simpler verwertungslogik zu entziehen. was sich nun interessanterweise zeigt: genau darin, nämlich im ablehnen simpler verwertungslogik, finden wir dann auch mit manchen wirtschaftstreibenden und einzelnen leuten aus politik und verwaltung konsens. offenbar ein tauglicher ansatz, um begegnung und umgang in augenhöhe zu erproben.
unser „frauenmonat“ ist abgeschlossen. damit endet auch das erste halbjahr in den heurigen aktivitäten, von „kunst ost“; genauer: in den nach außen gerichteten aktivitäten. das waren zugleich monate der neuordnung, da sich die rahmenbedingungen für den gesamtsteirischen kulturbetrieb über die budgetlage deutlich geändert haben.
wir konnten den lokalen und regionalen ausfall von budgets diesmal vor allem über privates engagement ausgleichen. landes- und bundesmittel sind auch hilfreich gewesen. die gesamtsituation legt offen, daß es zur zeit noch keinerlei regionale kulturpolitik gibt, die sich merklich über ortsgrenzen hinaus als wirksam erweist. aber das kommt ja vielleicht noch.
die abschließende session des „frauenmonats“ war heuer der malerin herta tinchon gewidmet
unser „frauenmonat“ war mit dem thema „frau, macht, technik“ befaßt. neben dem sachbezogenen teil haben wir uns wieder einmal bemüht, in der kunst generationsübergreifende eindrücke zu vernitteln. so waren mit ulla rauter, eva ursprung und herta tinchon drei generationen von künstlerinnen im programm präsent.
die diskursarbeit ist in eher ruhigen bahnen angelegt. der austausch von erfahrungen und die debatte von intentionen wie von künstlerischen strategien ist auf skurille art ein unterbewertetes genre in österreich. ursprung und tinchon waren ja in unserer reihe „talking communities“ [link] zu gast, wo unter anderem der frage „was sagen kunstwerke?“ nachgegangen wird.
da richtete uns etwa filmemacher heinz trenczak via web 2.0 aus: „wenn man sagen könnte, was kunstwerke ’sagen‘, bräuchte man sie nicht machen.“ das ist die art heimischer gemütlichkeit, die letztlich kulturpolitische debatten verstummen läßt, weil man plötzlich nicht mehr in der lage ist, seine gründe zu nennen. es könnte gerade der jetzige status quo in der steiermark nicht besser illustrieren, welche probleme sich verdichten, wenn kunstschaffende sich in selbstreferenziellen vorstellungen als „besonderes milieu“ hervortun, in dem angeblich besonderes gemacht wird, worüber zu reden weder möglich noch lohnend wäre.
mirjana peitler-selakov geht nun für ihre dissertation in klausur
kunsthistorikerin mirjana peitler-selakov hat mit „FMTechnik!“ [link] einen fulminanten akzent gesetzt, der für unsere generelle themenstellung „zwischen landwirtschaft und high tech“ nun wegweisend war. denn der fokus auf den schwerpunkt „frauen und technik“ ist ein in diesem lebensraum höchst brisantes thema.
nun geht peitler-selakov für ihre dissertation in klausur. sie bearbeitet das thema „krieg, kunst und die politik des erinnerns“. auch nicht gerade ein plädoyer dafür, daß es über die aussage von kunstwerken nichts zu reden gäbe. wobei wir in der auseinandersetzung über solche fragen stets wieder zu klären haben, ob wir uns momentan eher auf den bereich der „regeln der kunst“ oder auf das „reich der sinnlichkeit“ konzentrieren.
damit meine ich vor allem: mindestens seit marcel duchamp gehen im westen kunst und diskurs hand in hand („regeln der kunst“). darauf muß man sich nicht zwingend einlassen. es kann einem ebenso genügen, sich ganz den eindrücken hinzugeben, die einen gerade erreichen und die der persönliche geschmack ordnet, bewertet („reich der sinnlichkeit“). wir haben bei „kunst ost“ gute gründe, zwischen beiden bereichen zu pendeln und gelegentlich auch beide bereiche in wechselwirkung zu bringen.
karl bauer ist – unschwer erkennbar – unser sachpromotor im themenbereich „agrarische welt“
kunstschaffende reagieren zwar auf einige der themen, die wir als kulturinitiative bearbeiten, aber die kunst ist natürlich kein „sozialdienst“ und auch keine abteilung des journalismus. damit meine ich: das aufgreifen von themen, die sich in dieser region als relevant erweisen, ist eine sache, künstlerische beiträge dazu sind eine andere angelegenheit. das bedingt einander nicht zwingend.
ich habe oben den themenbogen „zwischen landwirtschaft und high tech“ erwähnt. tierarzt karl bauer, selbst auf einer landwirtschaft aufgewachsen, ist unser sachpromotor im anderen themensegment. da haben wir grade gemeinsam die grundlagen für unser engagement in den kommenden jahren erarbeitet. nun folgen erste arbeitsgespräche mit kunstschaffenden der region, um zu erörtern, auf welche art wir da gemeinsame schritte tun könnten.
ich hab im vorigen beitrag, der #5 [link], schon angedeutet: ich halte es a) für sehr problematisch und b) für eine fehlinterpretation des begriffes „politik“, wenn wir in der sache ein bipolares setup unterstützen und reproduzieren. eine aufstellung, die quasi ZWEI parteien kennt und einander für konfrontationen gegenüberstellt; nämlich: hier wir, die kulturschaffenden, dort sie, die funktionstragenden der politik. also hier die kultur, dort die kulturpolitik.
erstens ist dieses „wir“ höchst diffus, gutmeinend gedeutet: etwas heterogen. zweitens ist KULTURPOLITIK nicht das, was kulturpolitikerInnen tun, sondern das, was ALLE beiteiligten gruppierungen gemeinsam, durchaus auch im kontrast und im widerstreit, als kulturpolitische situation des landes generieren. wenn schon unterschieden werden soll, dann mögen einmal die kriterien besprochen und formuliert werden.
im april 2010 hatten wir gegen einige erhebliche widerstände durchgesetzt, daß eine landesweite kulturkonferenz mit der damaligen landeskulturreferentin bettina vollath in einer autowerkstatt realisiert wird. mit einigen leuten aus der politik läßt sich durchaus von herkömmlicher repräsentations-inszenierung abstand nehmen, um neuen bedeutungszuweisungen platz zu schaffen.
so kann ich in der praxis doch sehr deutlich zwischen sachpromotorInnen und machtpromotorInnen unterscheiden. außerdem gibt es erhebliche strukturelle unterschiede, die sich aus größe und bevölkerungsart eines ortes ergeben. das landeszentrum, eine kleinstadt, ein dorf, eine großgemeinde, eine kleinregion, das führt zu höchst unterschiedlichen situationen und kräftespielen.
der erste paragraph „Steiermärkischen Kultur- und Kunstförderungsgesetz 2005“ präsentiert uns eine rechtsperson, welche uns gegenüber konkrete verpflichtungen übernimmt und uns kulturelle zielsetzungen anbietet, über die wir, soweit wir uns als sachpromnotoren verstehen, mit machtpromotoren in stadt und land auseinanderzusetzen hätten. paragraph 1, absatz 1 besagt: „Das Land Steiermark als Träger von Privatrechten verpflichtet sich, in der Steiermark oder in besonderer Beziehung zur Steiermark ausgeübte kulturelle Tätigkeiten zu fördern.“
erst in dieser auseinandersetzung, an der ja auch andere deutungseliten teilzunehmen haben, entsteht meines erachtens KULTURPOLITIK; und genau NICHT dadurch, daß funktionstragende der politik tätig werden oder untätig bleiben.
heimo steps, hier neben malerin herta tinchon, ist einer der "architeken" des aktuellen kulturförderungsgesetzes und steht nach wie vor für debatten zu den inhaltlichen fragen zur verfügung
paragraph 1, absatz 2 besagt: „Kulturelle Tätigkeiten im Sinne dieses Gesetzes sind geistige und schöpferische, produzierende und reproduzierende Leistungen sowie die Auseinandersetzung mit ihnen. Kulturelle Tätigkeiten sind unverzichtbar für die Entwicklung der Gesellschaft, geben der Gesellschaft und der Wirtschaft wesentliche Impulse und tragen ein starkes Innovationspotential in sich.“
die schöperischen tätigkeiten, reproduzieren als eine erfahrungsmöglichkeit, der gang auf die metaebene, also reflexion, debatte, auseinandersetzung mit all dem, a) zur selbstvergewisserung, erfahrungs- und entwicklungsmöglichkeit von menschen, b) als quelle von impulsen für gesellschaft und wirtschaft… dankeschön! ich stelle fest, das verständnis dessen, was wir als inhalt und sinn von kulturarbeit gefunden haben, ist inzwischen auch bei den gesetzgebenden instanzen des landes angekommen.
paragraph 1, absatz 2 lautet: „Kultur im Sinne dieses Gesetzes ist ein offener, durch Vielfalt und Widerspruch gekennzeichneter gesellschaftlicher Prozess von kultureller und künstlerischer Produktivität und Kommunikation.“ dazu paßt auch der vierte punkt des absatz 4 ganz gut, welcher eines der ziele dieser kulturförderung nennt: „eine zum Verständnis und zur Kritik befähigte Öffentlichkeit;“
ich verzichte nun auf weitere zitate aus dem gesetz. es durchzulesen macht keine große mühe. sie finden es hier: kultur- und kunstförderungsgesetz 2005 [link]
ich hab nun mehrfach betont, daß nach meiner auffassung kulturpolitik das ergebnis dessen ist, was verschiedene involvierte gruppierungen und deutungseliten im agieren auf einem gemeinsamen feld als politischen status quo zustande bringen. dabei kommt es freilich vor, daß alteingesessene funktionärskreise eine entwicklung von der basis her anfechten und abzuzbrechen versuchen.
ich hab das zwischen 2008 und 2010 auf kuriose art erlebt, daß sich politik und verwaltung der stadt weiz gegen ein privates kulturprojekt u. a. mit folgenden argumenten stellten: „Ein künstlerischer Leiter (Herr Martin Krusche) würde alleine oder im engen Kreise bestimmen ‚was‘ Kunst in unserer Region ist und sein sollte. Dadurch wäre der Vernetzung, der Einbringung von Partikularinteressen aller Mitgliedsgemeinden der Region und auch der Vielfalt der Künstler ein Riegel vorgeschoben.“
ganz bemerkenswert ist folgende passage in einem arbeitspapier, das der damaligen landeskulturreferentin bettina vollath vorgelegt wurde: „Die bereits bestehenden Institutionen unserer Region erfüllen im Wesentlichen die Projektvorstellungen des Antragstellers Martin Krusche nach einem Kompetenzzentrum für Kunst und Kultur. Natürlich kann man im Rahmen der Kulturbeauftragten und der Bürgermeister unserer Region diese Kompetenzen noch aufwerten. Das von Martin Krusche angedachte Kompetenzzentrum findet allerdings keinen Zuspruch in unserer Region, weil es große Teile der Kunstschaffenden ausschließt oder nicht zu integrieren vermag.“
daß bedeutet unter anderem, die kommunlapolitik eines einzelnen ortes fühlte sich befugt, für eine ganze region zu sprechen, politik und verwaltung eines einzelnen ortes fühlten sich befugt, ein privat initiiertes, ergo „bottom up“ entstandenes kulturprojekt anzufechten. (details zu diesem „kampfpapier“ gegen ein regionales kulturprojekt finden sie hier: [link])
daraus hatte ich NICHT zu schließen, daß die kulturpolitik in der region auf den hund gekommen sei, sondern daß eine konkrete interessensgruppe innerhalb der regionalen kulturpolitik eine problematische position einnimmt. es hat in der sache noch eine ganze reihe von versuchen gegeben, unser projekt zu entsorgen. das inkludiert rufschädigende schritte im sinne des strafgesetzbuches (§ 111 Üble Nachrede), was freilich einen von immunität geschützen parlamentarier nicht scheren mußte.
pikantes detail am rande, dieses „kampfpapier“ trägt den titel „Protokoll zur Besprechung Kultur-Ost vom 28.10.2009“, ist also – mit seinem vorschlag eines regionale „gegenprojektes“ – sehr dezidiert an unser projekt „kunst ost“ herangeführt worden.
lassen wir beiseite, daß ein erfolg dieser politischen attacke auf unser privates kulturprojekt mich persönlich vorerst einmal ökonomisch ruiniert hätte und daß uns niemand aus der regionalen politik oder landespolitik in dieser kuriosen sache beigestanden hat. es muß ja daran erinnert werden, daß in den programmen „regionext“, „LEADER“ und „lokale agenda 21“, aus denen die kommunen fördergelder beziehen, ausnahmslos das „bottom up-prinzip“ der aktiven bürgebeteiligung als zentraler wert gilt. dieses prinzip wurde eklatant und ausdauernd von funktionstragenden aus politik und verwaltung verletzt.
diese explizite verletzung jener prinzipen, für deren betreuung die kommunen eu- und landesgelder beziehen, zeigt sich allein schon in folgender begründung, ein LEADER-kulturprojekt einstellen zu wollen: „Projekt- und Entscheidungsträger der Kunst- und Kulturregion Weiz-Gleisdorf sollten unbedingt die Städte und ihre Kulturbeauftragten sein.“ deutlichger kann man die ablehnung des „bottom up-prinzips“ und der aktiven bürgebeteiligung wohl kaum ausdrücken.
im fokus der geschichte steht eigentlich, daß wir uns in einer phase der umbrüche befinden, die uns auferlegt, unsere gründe sehr konkret zu nennen und dazu unsere begriffe zu klären. ich habe diesen fall kurz angerissen, weil er unmißverständlich illustriert, daß wesentliche grundsätze des landeskulturförderungsgesetzes, wie es 2005 in kraft getreten ist, bei kommunalen funktions-eliten teilweise überhaupt nicht angekommen sind.
daraus folgt nun keineswegs, daß leute wier ich unter einer schlechten kulturpolitik leiden würden, sondern MEINE auffassung von kulturpolitik steht in kontrast zu DEREN auffassung von kulturpolitik. ich meine, es ist ein konstituierender TEIL von kulturpolitik, sich über solche auffassungsunterschiede auseinanderzusetzen und um einen neuen status quo zu ringen, falls mir der alte anfechtbar erscheint.
damit betone ich ein grundlegend anderes rollenverständnis und schlage ein bipolares setup in der kulturpolitik kategorisch aus. nur wenn sach- und machtpromotoren in nachvollziehbaren prozessen neue modi der kooperation entwickeln, halte ich die anforderungen einer res publica für erfüllt. das wird sich nicht erreichen lassen, indem sich zwei parteien gegen einander in stellung bringen und gegenseitig anbrüllen.
wir gehen mit den „talking communities“ nun weiter. in wenigen tagen treffen wir heimo steps, den vorsitzenden des kulturförderungs-beirates, zu einer zweiten session: [link] in einem text von steps finden sich allerhand details, die deutlich machen, wie dieses gesetz gemeint und daher der beirat orientiert ist. da heißt es unter anderem:
>>Kulturförderung ist kein Gnadenerweis, sondern eine Vereinbarung, die einerseits von den Kulturschaffenden ein korrektes Management ihrer kulturellen Aktivitäten verlangt, andererseits vom Land transparente Entscheidungsgrundlagen und Verlässlichkeit. Um es der freien Szene und den regionalen Kulturinitiativen zu ermöglichen, weitsichtig und effizient zu planen, vernünftige Planungshorizonte zu realisieren, sollen dreijährige Förderungsvereinbarungen abgeschlossen werden.<< [quelle]
bleibt natürlich stets neu zu vehandeln und zu klären, was das für die praxis vor allem regionaler kulturschaffender bedeutet.
unsere kuratorin mirjana peitler-selakov bereitet inzwischen weitere treffen für den anderen bereich der „talking communities“, die reihe „was sagen kunstwerke?“, vor. dazu ist sie momentan mit zwei bildenden künstlerinennen im gespräch, der gleisdorferin herta tinchon und der grazerin eva ursprung.
entwürfe unter verwendung von bildern des werkes von ulla rauter
das verweist zugleich auf den „frauenmonat“ 2011 im kommenden juli, für den nina strassegger-tipl gerade an den print-entwürfen arbeitet. peitler-selakov hat dazu die wortmarke „FMTechnik!“ eingeführt: [link] damit greift sie den themenzusammnenhang frauen, macht und technik auf. sie stellt folgende frage:
>>Seit Jahren wird versucht, mit Hilfe diverser Förderungsprogramme, Frauen für technische Berufe zu interessieren. Leider beweisen die Untersuchungen, dass diese frauenfördernden Aktionen bisher wenig Effekt gebracht haben. An der TU Graz beträgt der Frauenanteil beispielsweise im Durchschnitt knapp 20%, im Wintersemester 2010/2011 waren es 21,4%. In den klassischen Ingenieursfächern sind noch immer fast keine Studentinnen zu finden. Warum ist das auch heute, im 21. Jahrhundert, so?<<
die „talking comnmunities“ handeln also von zwei ebenen und diskussions-bereichen. „was sagen kunstwerke?“ erklärt sich von selbst. wir wollen zeigen, daß man über kunst sprechen kann und daß sich durchaus klären läßt, was kunst ist und was kunstwerke sind.
der andere teil, die „konferenz in permanenz“, ist kultur- und regionalpolitischen fragen gewidmet. was soll kulturpolitik leisten und warum? was verlangt eigenständige regionalentwicklung und was steht dem eventuell entgegen?
polemisch verkürzt läßt sich sagen: wo alte funktionärsherrlichkeit an neuen aufgaben scheitert, steigt die tendenz zu tricksereien. die kippen dann manchmal auch in kriminelle dimensionen.
links moderator winfried kuckenberger, rechts herberstein-insider heinz boxan
wir haben genau das kürzlich an einem sehr spektakulären beispiel dargelegt bekommen. heinz boxan, vormals verwalter auf gut herberstein, war zu gast unserer „talking communities“. anlaß für hitzige debatten. feedback in der „kleinen zeitung“: [link]
die kälte ist gebrochen, der winter scheint sich zurückzuziehen. die unruhe in der landespolitik korrespondiert mit einiger nervosität auf regionaler ebene. von bürgermeistern kann man erfahren, daß etwas wir kampfstimmung aufkommt. der anlaß dafür sind momentan gar nicht so sehr die finanzprobleme des landes, sondern die damit verknüpften ideen neuer gemeinde-zusammenlegungen.
herta tinchons personale im gleisdorfer "MIR" wird vom "april-festival" abgelöst
ein künstlerischer kontrast zu all dem trubel: heute ist noch ein letzter besuch der personale von herta tinchon im gleisdorfer „MIR“ möglich. (siehe dazu auch: „querschnitte„!) bald wir dort für unser „april-festival“ aufgebaut. vor „mayr’s tee & design“ künden schon die ersten plakatständer davon.
im alltäglichen sprachgebrauch heißt es immer noch „obstbaufachschule“, formell aber „Fachschule für OBST-Wirtschaft und EDV-Technik“. die rede ist von unserer location in wetzawinkel, wo wir den „tag der agrarischen welt“ realisieren, einen auftakt, um dieses große thema längerfristig zu behandeln.
arbeitstreffen in wetzawinkel (von links): karl bauer, christian nell, kamillo hörner und dagobert eberdorfer (rechts die hände von bürgermeister werner höfler)
dieser themenkomplex berührt den gewaltigen umbruch von agrarischer welt zur industriemoderne. die meisten von uns führen heute ein urbanes leben, doch mentalitätsgeschichtlich ist die „alte welt“ noch sehr präsent. und die nennenswerte gegenwart der agrarischen welt in neuen formen wird dabei gerne übersehen.
so loten wir aus, was diese region geprägt hat, nachdem sich innerhalb weniger jahrzehnte die lebensbedingungen in dieser region radikal geändert haben.
Kunsthistorikerin Mirjana Peitler-Selakov, bei „kunst ost“ vor allem für den Programmbereich und für internationale Kontakte zuständig, hat für unseren Bereich der „talking communities“ eine eigene Debatten-Reihe entworfen. Wir werden das im Lauf dieses Jahres ausbauen. Die zentrale Frage lautet dabei:
Was sagen Kunstwerke?
Wir funktioniert das? Wir haben nun schon einzelne Kunstschaffende gewonnen, an je einem Abend ein Werk mitzubringen, dieses kurz zu erläutern, dann einer offenen Debatte darüber beizuwohnen.
kunsthistorikerin mirjana peitler-selakov (2. v. links) neben christian strassegger, michaela knittelfelder-land und irmgard eixelberger
Wir laden zu diesen Abenden vor allem Künstlerinnen und Künstler aus unserem Umfeld ein, aber auch – ganz generell – an Kunst interessierte Menschen. Und wozu das? So sollen Gelegenheiten und Anregungen entstehen, um konkrete Erfahrungen zu sammeln, wie wir über Kunst reden und debattieren können.
Ich habe schon mehrfach erwähnt: Wenn alles Kunst ist, dann ist nichts Kunst. Wenn wir keine Begriffe von den Dingen haben, können wir nicht darüber sprechen, auch nicht darüber streiten.
Sprechen und Sprachen! Spricht beispielsweise der etwas brummige Oswald Oberhuber über verschiedene Kunstrichtungen, dann meint er eigentlich „Sprachen“. Nach seiner Auffassung gibt es keine Stile, sondern – so führt er aus – Künstler entwickeln eigene Sprachen.
medienkünstler niki passath zwischen mirjana peitler-selakov und sandra kocuvan
Es geht also um Code-Systeme, um Kommunikationsbedingungen, um Zeichen und Bedeutungen. Das legt nahe: Wie man andere Sprachen durch Studium und Praxis erlernen kann, sind uns auch die „Sprachen“ der Kunst zugänglich, wenn wir uns auf entsprechende Erfahrungsprozesse einlassen.
An den Abenden zum Thema „Was sagen Kunstwerke?“ im Rahmen der „talking communities“ geht es dann auch um Fragen wie „Können Kunstwerke zum Nachdenken bewegen?“ „Was sagen sie aus und zu wem sagen sie was?“ Kunstschaffende und Publikum sind eingeladen, in einer Reihe von öffentlichen Erörterungen eine bewußte, kritische Beziehung zur zeitgenössischen Kunst zu suchen.
Eine der ersten Stationen wird die Malerin Herta Tinchon anbieten, die demnächst ihre Personale im Gleisdorfer „MIR“ („Museum im Rathaus“) eröffnet. Eine andere Station bietet Medienkünstler Niki Passath bei unserem kommenden „April-Festival“.