Schlagwort-Archiv: emil gruber

Gedächtnisorte und Sammlungen

Ich bin laufend mit Sammlungen befaßt. Mit meinen eigenen, in bescheidener Dimension, mit weit üppigeren, die sich manche Menschen leisten, mit so stattlichen, daß sie nach eigenen Häusern verlangen.

Eine der anregendsten ist in dieser Geschichte die private Wunderkammer von Emil Gruber, von dem der einleitende Traktat zu unserem Avantourismus stammt: [link]

Internationaler Museumstag 2014: „Sammeln verbindet“

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umbrüche

es sind oft feine kräftespiele, die eine position vom feld des kunsthandwerkes hinüber zur kunst verschieben. irmgard eixelberger bewegt sich gerade als grenzgängerin zwischen diesen zonen. ihre profunde kenntnis des brauchtums im agrarischen leben ergab nun einen anknüpfungspunkt für uns, um zu einer ersten „erweiterten runde“ zusammenzufinden, in der wir einige künstlerische optionen der „tage der agrarischen welt“ debattierten.

tierarzt karl bauer, die künstlerinnen herta tinchon, michaela knittelfelder-lang und irmgard eixelberger

auch hier gilt, daß kunstschaffende nicht zu einem „dekorationsgeschäft“ aufgerufen sind. es geht darum, daß sie mit ihren bevorzugten mitteln auf gemeinsam festgelegte frage- und aufgabenstellungen reagieren. im dialog mit leuten, die genau das mit anderen mitteln tun. dieser zugang basiert auf einer vorstellung, die wir dem „april-festival“ 2011 zugrunde gelegt hatten:

„Wenn diese Region eine Erzählung wäre, dann könnte sie sich selbst erzählen, falls die Menschen, die hier leben und arbeiten, ihre Stimmen erheben würden. Die Stimmen zu erheben ist in diesem Fall auch metaphorisch gemeint und bezieht sich auf das Einsetzen der jeweils bevorzugten Kommunikations- und Gestaltungsmittel.“ [quelle]

medienkünstler niki passath (links) und unternehmer tino pölzer bei den startvorbereitungen der „essigrakete“

das bedeutet zum beispiel ebenfalls, kunstschaffende von auswärts mit verschiedenen akteuren des regionalen gemeinwesens in interaktion zu bringen. ein beispiel dafür war die session beim unternehmer-ehepaar jaqueline und tino pölzer, bei der wir experimentalbäckerin ida kreutzer, medienkünstler niki passath und fotograf emil gruber zu gast hatten. [die crew]

nun arbeiten wir am kommenden „april-festival“ das den titel „leben: die praxis der zuversicht“ [link] tragen wird. mit dem eingangs erwähnen arbeitstreffen ist auch eine erste laborgruppe formiert worden, zu der sich noch der fotograf christian strassegger und die künstlerin renate krammer zählen. strassegger arbeitet übrigens auch an einem eigenen konzept für einen beitrag zu den „tagen der agrarischen welt“.

wir gehen gerade daran, unseren aktuellen arbeitsansatz mit landesrat christian buchmann zu debattieren. aus unserer konzeption ergibt sich nämlich ein ganz anderer modus als herkömmlich zirkulierende „geschäftsmodelle“, wie wirtschaftstreibende und kunstschaffende mit einander zu tun haben können. dieser modus steht auch im kontrast zu gängigen befürchtung, die wirtschaft werde die kunst vereinnahmen. wenn sich dieser ausgangspunkt klar markieren läßt, nämlich eine gemeinsamen fragen- und aufgabenstellung, dann ergeben phantasien vom vereinnahmen keinen sinn.

der kanadier simon brault gibt in seiner streitschrift “no culture, no future” einen anregenden hinweis auf solche zusammenhänge: „We are still locked in a restrictive mode that is preventing us from taking full advantage of the potential of the arts and culture, which are incredible vectors of creativity, the principal driver of economic and social growth.“

brault sagt ebenso unmißverständlich: „Culture is not a parasite of economic and social development, but it can be a motor for it.“

apotheker richard mayr (links) und büchsenmacher franz lukas als akteure im kunstgeschehen

das verlangt etwa, herkömmliche rollenzuschreibungen aufzugeben. als beispiel: wenn ich mich bemühe, versierte unternehmer für ein projekt zu gewinnen, und zwar als akteure, dann betrachte ich sie nicht als „geldquelle auf zwei beinen“, sondern als personen, die a) interessante kompetenzen einbringen und b) ihrerseits sehr konkrete erfahrungen mit unserem milieu und unseren arbeitsweisen machen.

das bringt nicht bloß interessante ergebnisse, wie sich etwa im fall von „ist gleich/ungleich“ gezeigt hat. da ging es mir darum einen kaufmann (richard mayr), einen ingenieur (andreas turk) und einen handwerker (franz lukas) für ein gemeinsames vorhaben zu gewinnen: [link]. derlei modi verändern auch die kulturelle situation eines ortes.

nun geht es darum, solchen wechselseitigen erfahrungsprozessen mit ihrer gemeinsamen wirkung nach außen als ein spezielles kulturelles geschehen dauer zu verleihen. dabei spielt zwar die gegenwartskunst eine wichtige, aber nicht die einzige rolle.

ich hab übrigens gerade zusammengefaßt, welche art von rolle ich in solchen zusammenhängen für kunstschaffende sehe: [link]

es geht mir da um eine klare position, sich den verschiedenen varianten simpler verwertungslogik zu entziehen. was sich nun interessanterweise zeigt: genau darin, nämlich im ablehnen simpler verwertungslogik, finden wir dann auch mit manchen wirtschaftstreibenden und einzelnen leuten aus politik und verwaltung konsens. offenbar ein tauglicher ansatz, um begegnung und umgang in augenhöhe zu erproben.

klärungsbedarf

wir sind uns definitiv einig: die KUNST ist die kunst und hat ihren zweck in der kunst. sie ist kein werkzeug „um zu…“, kein soziales programm, keine wellness-einrichtung, keine tourismus-maßnahme. als kunstschaffende widmen wir unsere künstlerische praxis der kunst. basta! aber!

wir sind als künstler soziale wesen, politisch anwesend. das bedeutet, wir verwenden unser reflexionsvermögen auf den lauf und den stand der dinge. und wir bringen unsere kompetenzen, die wir unter anderem in langjähriger befassung mit kunst erwerben, als engagierte bürger in das gemeinwesen ein.

christian strassegger

nein, das ist jetzt keine erklärung, keine verlautbarung, kein manifest. dieses WIR ist ein sehr loses, eigentlich: flüchtiges, das sich über kommunikationsverhalten und gelegentliche zusammenkünfte konstituiert. wir sind keine gruppe. die zusammensetzungen an den tischen sehen meist höchst unterschiedlich aus.

so, das war nun die stunde der offenbarungen. mehr ist davon augenblicklich wohl nicht nötig. „kunst ost“ ergibt einen MÖGLICHKEITSRAUM, in dem sich gelegentlich etwas von all dem verdichtet. manchmal heißt das auch einfach: ein paar drinks und über das leben wie über die kunst plaudern.

mir ist freilich die KONTINUITÄT wichtig. ich lege großen wert auf ein anregendes geistiges klima. das braucht inspirierte menschen, die miteinander zu tun haben möchten; wenigstens temporär. deshalb müssen wir nichts gründen. es ist ohnehin schon alles gegründet worden.

emil gruber

früher gab es hier einmal eine verschwörung der poeten“. das hat mir auch gefallen. heute ist das setup anders, wesentlich luftiger. naja, das „kuratorium für triviale mythen“ spielt derzeit schon eine markante rolle. motive und schwerpunkte ändern sich eben.

diesmal saß ich mit christian strassegger und emil gruber am tischchen. gerhard flekatsch [bluethenlese] gesellte sich schließlich dazu. wir debattierten die möglichkeiten, gelder für weiterführende projekte zu lukrieren. das faktum runtergefahrener bzw. völlig gestrichener kulturbudgets der gemeinden im ländlichen raum läßt sich nicht zurecht- oder wegdiskutieren. es gab schon vor jahren da und dort den expliziten politischen wunsch, die mittel kunstschaffender runterzukürzen und lieber in den sozialbereich zu investieren.

aus einer gleisdorfer wahlkampfbroschüre vom märz 2010

ich kann mich nicht erinnern, daß quer durchs land stimmen dagegen laut geworden wären. dem steht gegenüber, daß eine ubanisierung der „provinz“ unsinn wäre, daß also strategien aus den zentren sich nicht hierher verlegen und sinnvoll anwenden lassen. dazu zählt auch, daß herkömmliche ideen von sponsoring für unsere tätigkeitsbereiche nicht umsetzbar sind.

gerhard flekatsch

momentan verfügbare ideen in diesem zusammenhang greifen bloß dort, wo es um etablierte kunstformen und um repräsentation geht. also zum beispiel im musikbereich, wo die operettte regiert, klassische musik zuspruch erlebt und zeitgenössische musik sich da in nischen mitereignen darf.

bei bildender kunst regiert natürtlich der kanon, bei literatur und anderen geistigen stoffen ebenso das, was im feuilleton längst reüssiert hat. kurz, herkömmliches sponsoring setzt hauptsächlich auf den repräsentativen veranstaltungsbereich, auf bewährtes und populäres oder überhaupt lieber auf sport.

ich schreibe das ganz unaufgeregt, weil es vollkommen schlüssig ist, daß es sich so ereignet. wir sollten wissen, womit wir es zu tun haben und auf welchem terrain sich AUCH unser tun entfaltet. daß heißt dann für leute wie uns vor allem einmal, wir sollten gute gründe wissen, warum es unsere aktivitäten geben muß und warum das auch finanzierungen verdient. darüber haben wir also zu reden: was sind diese guten gründe?

ob wir es beklagen, ignorieren, ausblenden, egal, es gibt momentan einen enormen verdrängungswettlauf. eine stadt wie gleisdorf hat gegenüber 2009 ihr kulturbudget UM etwa 75 prozent AUF zirka 25 prozent heruntergekürzt. auf das verbleibende budget sind allerdings auch mehr einrichtungen aus, als in kleinen gemeinden. aber immerhin hat eine kleinstadt noch eine infrastruktur, wo wir bei manchen vorhaben durch sachleistungen seitens der kommune unterstützung finden.

in den kleineren gemeinden waren es entweder vorher schon NULL prozent kulturbudget, sind es spätestens jetzt MINUS hundert prozent, viele davon haben nicht einmal kulturbeauftragte. das ist der status quo in einer landschaft, wo nicht einmal unter gebildeten leuten und personen mit akademischen graden ein weitreichender grundkonsens herrscht, daß die „provinz“einen lebhaften KULTURBETRIEB haben solle, was – bitte schön! – keineswegs NUR veranstaltungskultur meint.

kurz: es besteht eine menge klärungsbedarf. gehen sie bitte davon aus, daß wir freilich gerüstet sind, diese debatte zu führen…

— [was ist kunst?] —

nachhall

irgendwas klingt vergnügt nach. die vorletzte station. das war vorgestern. nun liegt noch dieser ungewöhnliche „tesla-tag“ vor uns. der ist gewissermaßen auch eine angelegenheit des „kuratoriums für triviale mythen“. bernhard kober und branimir jovanovic werden uns einige grundlagen der energiegewinnung und der kraftmaschinen darlegen: [link]

fotograf franz sattler mit avantouristischem haustier

unsere session in albersdorf ging vergnügt und ziemlich gemütlich über die bühne. der ort albersdorf ist heute von der automobil-industrie geprägt. das sieht man dem dorf nicht unbedingt so deutlich an, weil die fabriken jenseits der bundesstraße liegen, außerhalb des ortsgebietes.

aber die kommunlabgaben hängen davon ab, was in einer gemeinde an arbeitskräften gemeldet ist. daraus ergibt sich ein erheblicher kontrast zu rein agarisch geprägten gemeinden. denn es macht einen unterschied, ob kommunen eigene mittel aufbringen können oder stark von land und bund abhängig sind.

von links: franz sattler, emil gruber und martin krusche

wir haben uns nun in einigen jahren sehr gründlich in jene zusammenhänge geschraubt, die rund um einen autkühler auffindbar werden, wenn man genauer nachsieht, was da zusammengewirkt hat, um diesen status quo herbeizuführen, von dem wir nun langsam abzurücken haben.

individualverkehr auf der basis von verbrennungsmotoren wird ein immer exklusiveres vergnügen werden. die exklusivität … „exklusion“ bedeutet ja ausgrenzung, ausschluß. anfangs war das automobil nur den reichen vorbehalten. dazu könnte es wieder kommen.

wir sind überwigend die enkel und urenkel von proletarischen kreisen, von eher armen leuten in landwirtschaft und industrie. welche enorme rolle das private automobil als ideologisch aufgeladenes werkzeug in dieser sache spielte, ist allgemein nicht einmal annähernd bekannt und geläufig.

die zweite karte ist da ...

die karre war ein versprechen, am wachsenden wohlstand teilnehmen zu dürfen. das hatte sozialen und politischen sprengstoff in sich. kein zufall, daß dieses versprechen an fahrzeugen festgemacht wurde, die heute noch sehr populär sind. zum beispiel die vespa, der 500er fiat und sein österreichisches pendant, das „puch-schammerl“, der vw käfer … oder denken sie an den citroen 2cv.

übrigens! jetzt ist die zweite karte der edition des „kuratorium für triviale mythen“ das. und die zeigt ein kurios modifiziertes „puch-schammerl“: [link]

— [april-festival] —

simultane abläufe

lokalaugenschein. platzabsprachen. einige drinks und plaudereien. mit franz sattler und emil gruber (foto) im wollsdorferhof; also draußen auf der „strecke“, wo wir in wenigen tagen die ausstellung wheels eröffnen werden. davor wird noch eine andere ausstellung eröffnet: „ungleich/ist gleich“ [link]

emil gruber, erfahrener "avantourist", hat für seinen beitrag die zeitmaschine angeworfen

das heurige „april-festival“ ist zu einer bemerkenswerten schau kollektiver kreativität geworden. dabei zeigt sich einmal mehr, daß es für solche ereignisse eben nicht bloß um gegenwartskunst gehen kann, sondern erst eine verknüpfung aller vier genres zu einem derartigen ereignis führt.

der bisherige verlauf und die inhaltliche arbeit hat übrigens inzwischen eine klare themenstellung für das kommende jahr und das „april-festival“ 2012 ergeben. wir werden uns eine komplexe aufgabenstellung erarbeiten und dann an die umsetzung gehen: „leben: die praxis der zuversicht“. die startseite ist schon montiert: [link]

die themenstellung für das nächste "april-festival" ist schon fstgelegt

ich hab inzwischen auch etwas zeit gefunden, unsre radio-leiste voranzubringen. in sound-miniaturen von jeweils rund zwei minuten länge deponiere ich die „kunst ost kulturnotizen“ auf radio gleisdorf und schließlich in unserem ton-archiv. das aktuelle blatt: [link]

übrigens, die online-dokumentation des
erzeitigen „april-festivals“ wächst: [link]

was ist kunst? #8

können sie sich unter einem „wow-effekt“ etwas vorstellen? es ist gewissermaßen die triviale variante von „kathedrale!“ markanter effekt, heftige reaktion. so in der art. ja, das ist schon etwas, worauf in der kunst nicht unbedingt verzichtet wird. die etwas zurückhaltendere deutung dessen meint ungefähr einen „erhebenden moment“. das kann auch auf „andere zustände“ hinauslaufen. solche „alterated states“ kennen wir nicht nur durch die einnahme verbotener substanzen, der eigene leib produziert kraftvolle stoffe, die unsere wahrnehmung verschieben und uns in solche anderen zustände versetzen. menschliche kultur handelt seit ewigkeiten davon, was auch immer an mitteln und methoden dazu führt.

ob es also nun um eher triviale momente geht, ob wir uns feierlich fühlen und erhoben sein möchten, erhoben über alltägliche zustände, stets sind das intensive wahrnehmungserfahrungen. der hooligan, dem es während eines fußball-matches völlig die sicherungen schmeißt, tobt da vermutlich auf einem ähnlichen bedeutungs-kontinent wie die kunstfreundin, die von einem entzücken über besonderen kunstgenuß gerade auf wolken schwebt.

der reisende und fotograf emil gruber pendelt mit seiner liebhaberei ausdauernd zwischen trivialen artefakten und hochkarätigen kunstgegenständen

vermutlich würde man beim durchforschen unserer gehirne mit einem scanner feststellen, daß dabei – fußball-match oder kunstgenuß – einerseits höchst unterschiedliche neuronen-ensembles feuern, aber ich stelle mir vor, es gibt dabei andrerseits auch viele übereinstimmungen. kleiner einschub: was immer wir tun, was immer uns bewegt, es bildet sich in gehirnaktivitäten ab. es wird durch physikalische und chemische ereignisse, die heute durch verschiedene „bildgebende verfahren“ gut sichtbar gemacht werden können, in unseren köpfen repräsentiert. diese oder jene gehirnegionen zeigen dann „leuchtende“ aktivitäten, was vergleiche der anlässe und ereignisse zuläßt.

franz sattler, fotograf und wandelndes gegenkonzept zu stubenhockern, verzichtet auf große gesten und zieht kontinuierliche arbeit vor.

aber diese neuronale ebene interessiert mich im augenblick gar nicht weiter. wir sind als spezies offenbar ziemlich darauf versessen, „wow-effekte“ oder „kathedrale!“-momente zu erleben, ganz egal, wodurch wir sie auslösen und auf welche weise sie sich einlösen. in der wirtschaft bediebnt man sich dieser neigung von menschen ebenso wie in anderen branchen.

und die effekte selbst? kulturelle und soziale konventionen regeln hierarchien solcher momente. in meinen kindertagen galt etwa die polarisierung „schundhefte“ (comics) versus „das gute buch“ als turnierplatz des ringes um kulturelle exzellenz. ein anderer nebenschauplatz ist jener der „kitsch oder kunst“-debatte. aber das sind irgendwie bloß zeitbezogene konzepte der dünkelhaftigkeit, falls sich daraus frontstellungen ableiten. viele von uns finden aus dem „entweder-oder“ in das „sowohl-als-auch“.

ich hab derlei fragen gerade mit den beiden fotografen emil gruber und franz sattler erörtert. in dieser debatte hat gruber den begriff „kathedrale!“ als metapher verwendet. das gefällt mir und erscheint mir für unser thema passend. wir sind akteure des „kuratorium für triviale mythen“. es beschäftigt uns daher ein mögliches ineinandergehen von so unerschiedlichen positionen; nämlich was da einerseits der gegenwartskunst zugerechnet werden kann, was andrerseits sache der populärkultur ist. gegenwartskunst und produkte der pop-kultur sind nicht generell von einandner zu unterscheiden. überlappungen, interferenzen, trugbilder und falschmünzerei ergeben in summe ein gedeutungsgefüge, da war es vergleichsweise simpel, zu sagen: beethove, leonardo, thomas mann!

wir kinder des popismus und des kalten krieges haben uns eine kompliziertere welt angeeignet, als es alte eliten für möglich halten wollten. das macht mir dann auch als künstler viel freude, aber es muß stets unter der androhung massiver verunsicherung gelebt werden.

ich dar für uns drei — gruber, sattler und mich – behaupten, daß wir in unseren leidenschaften keine grenzen zwischen diesen feldern zur kenntnis nehmen; im sinne von: demarkationslinien, an denen wir uns aufhalten würden. es ist auch nicht so, daß unser gemeinsames tun vor allem auf einen „wow-effekte“ oder „kathedrale!“-moment zielen würde. als künstler wählen wir fragestellungen, mit denen wir uns befassen möchten. wir wählen uns gemeinsame aufgabenstellungen.

unsere erfahrung besagt, das führt sehr verläßlich zu besonderen momenten, zu anderen zuständen. das ist einfach so, aber es ist kein „hauptereignis“ in unserem künstlerischen tun. sie ahnen schon, das praktische tun, die erfahrungen, das erlebnis des kritischen austausches, nein! bitte nicht die floskel, daß der weg das ziel sei! wir haben uns nämlich keine bestimmten ziele gesetzt. es ließe sich bestefalls sagen: der weg ist der weg. das hat nun entweder eine sehr buddhistische anmutung oder es ist leeres geschwätz, also lassen wir das.

künstler betreiben künstlerische praxis. wir sammeln dabei erfahrungen mit höchst unterschiedlichen codes und mit fragen, wie man sie verwenden kann. wir tun derlei – jeder für sich – lange genug, daß erwartet werden darf, diese prozesse werfen gelegentlich brauchbare ergebnisse ab. ich kennen kolleginnen und kollegen, die sich dabei dann mit großen gesten hervortun. auch recht! mir egal. das präsentationsgeschäft zähle ich zu den sozialen agenda, nicht zu denen der kunst. marktschreierei halte ich für banal, aber ich ignorirer nicht, daß sich ohne solche zutaten nur schwer geschäfte machen lassen.

gesellige regung und gesellschaftliche relevanz halte ich für zwei grundverschiedene vorkommnisse. ich will nicht so tun, als wäre mir das ringen um sozialprestige völlig gleichgültig. wahrgenommen zu werden, reaktionen auf das zu erfahren, was einem gelingt, das sind ja früchte, die ich auch ganz gerne nach hause trage. zugegeben, wie jedes milieu seinen jargon bildet und seinen verhaltens-kodex entwickelt, ist das „zurückhaltungs-gebot“, welches mir gefällt, im kern auch bloß pose. oder aber doch: haltung? also etwas, das inhalt ist und inhalt ausdrückt?

[überblick]
emil gruber, martin krusche, franz sattler: „wheels

aktion und reflexion

das aktuelle arbeitsjahr von „kunst ost“ wird verstärkt der idee gewidmet sein, aktion und reflexion beieinander zu halten. kunstpraxis in einigen konkreten veranstaltungs-vorhaben. kompetenz-gewinne durch eine kontinuierliche auseinandersetzungen mit fragen zur kunst. debatten und konkrete schritte quer durch die region.

reisen und fotografie unverzichtbare grundlagen: emil gruber (links) und franz sattler beim lokalaugenschein für „wheels“

ein beispiel, wie dabei auch „unscharfe zonen“ geschätzt werden: unser kuratorium für triviale mythen ist eingerichtet, um die grauzonen und die überlappenden felder zwischen alltagskultur und gegenwartskunst zu bearbeiten. aktuell lösen wir das im „avantourismus“-projekt wheels ein. (das steht seinerseits bewußt im kontrast zum „tag der agrarischen welt“.)

eine spezielle anordnung haben wir in jenem „work in progress“, für das sich drei unternehmer der region eingefunden haben … um selbst eine persönliche rolle im kulturgeschehen der gegend einzunehmen, die zu einem gemeinsamen künstlerischen statement führen soll: [link]

ausstellungsräume, diskursräume, aktionsräume ...

inzwischen bereiten wir weitere station der „konferenz in permanenz“ und der „talking communities“ vor, außerdem besuchen wir demnächst das hochspannungslabr der TU in graz. das knüpft an schritte an wie etwa kürzlich der gemeinsame besuch der ausstellung „roboterträume“: [link]

wie erwähnt: aktion und reflexion in einem fluß der ereignisse. all diese möglichkeiten fließen augenblicklich in das kommende „april-festival“; die wachsende übersicht: [link]

wheels

gruber, sattler und ich … wir sind drei männer, die knapp nach der mitte des 20. jahrhunderts geboren wurden. das ist insofern von bedeutung, als wir mit einem sozialen versprechen aufwuchsen, das während des zweiten weltkrieges formuliert wurde: „ihr werdet ALLE am kommenden wohlstand teilhaben!“

dieses große versprechen hatte ein zentrales kultobjekt, ein vehikel, das sehr bald selbst zum materiellen ausdruck dieses versprechens wurde: das automobil. emil gruber, franz sattler und ich stammen aus eher proletarischen milieus. in unseren kindertagen war der erwerb eines eigenen autos eine soziale sensation mit enormen konsequenzen.

franz sattler

zugleich sind wir kinder der pop(ulär)kultur. eine gewaltige kulturelle bewegung, die auf kunst und wirtschaft gleichermaßen radikal einfluß genommen hat. ein soziokulturelles phänomen, das in wenigen jahrzehnten weltumspannende präsenz und wirkung erreichte.

wenn wir uns nun in der „energie-region“ diesem themenkomplex widmen, dann bedeutet das, wir bearbeiten fundamente dieser (industrie-) gesellschaft, wir gehen den rätseln, fragen und anforderungen nach, die am beginn des neuen jahrhunderts offensichtlich sind. diese ganze geschichte, zugleich ein populäres mythengebilde, ist nicht nur gelegentlich anlaß für kriege gewesen, es ist auch eines der zentralen momente jener umbrüche, in die wir mittlerweile gestürzt sind.

emil gruber

was ist also das große ganze und wie zeigt es sich in seiner regional erfahrbaren dimension? welche erzählungen klingen dabei an und welche politischen kräftespiele erreichen uns in diesem zusammenhang?

das trio gruber-krusche-sattler setzt dazu beim kommenden april-festival einen akzent in der gemeinde albersdorf, welche stark vom industriellen geschehen im vorgelagerten raab-tal geprägt ist. das trio wird über mittel der bildenden kunst und der literatur ein gemeinsames künstlerisches statement erarbeiten, das in einem foto von franz sattler und einem song von bruce springsteen seinen ausgangspunkt hat.

so entsteht die ausstellung „wheels“. sie ist ihrerseits kein isoliertes einzelereignis, sondern der impuls für ein längerfristiges projekt, in dem wir den weiten horizont der gesamten themenstellung ausleuchten werden.

an einer stelle des springsteen-songs „thunderroad“ heißt es: „we got one last chance to make it real / to trade in these wings on some wheels. die flügel und die räder; in kombination eine nun schon jahrhundert-metapher für mobilität …

„wheels“ ist ein weiterer „avantourismus“-akzent, initiiert vom „kuratorium für triviale mythen“.

+) april-festival: „elektrisiert“
+) avantourismus
+) kuratorium für triviale mythen