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KWW: Genres, Codes und Perspektiven

Das Thema „Regionale Identität: eine Illusion oder unsere Wirklichkeit?“ ergibt einen Angelpunkt, über den sich sehr unterschiedliche Genres in Wechselwirkung bringen lassen. Das ist für uns wichtig, wenn wir eine Begegnung in Augenhöhe bevorzugen und im kulturellen Engagement auf Kooperation setzen; so ein Schnittpunkt, bei dem selbst sehr gegensätzliche Positionen einen gemeinsamen Ausgangspunkt finden.

Bürgermeister Werner Höfler

Wir haben uns bemüht, für den Abend am 25. Jänner Personen zusammenzubringen, die aus ihrer Arbeitspraxis sehr konkrete Ansichten haben, was die Region sei und welche Fragen zum Thema Identität dabei augenblicklich vorrangig erscheinen.

In der Verständigung zu diesem Abend fällt auf: Exponierte Leute sind oft in Personalunion für mehrere Felder repräsentativ. So wird etwa Kurt Winter dabei sein, der einerseits beeideter Sachverständiger in der IT-Branche ist, andrerseits Gleisdorfer Wirtschaftsbund-Obmann. Winter ist also einerseits lokaler Wirtschaftstreibender, andrerseits bringt er Sichtweisen von der Landesebene her ein, nimmt an diesem Abend im Namen von Landesrat Christian Buchmann teil.

Gastgeber und KWB-Geschäftsführer Erwin Stubenschrott ist nicht nur ein bemerkenswertes Beispiel für unternehmerische Kreativität, er hat auch in Fragen des sozialen Klimas und dessen Bedingungen in der Region äußerst klare Vorstellungen.

LEADER-Managerin Iris Absenger-Helmli

Werner Höfler steht für die erhebliche Komplexität, welche wir im Lauf der regionalen Dinge heute finden. Als aktiver Landwirt ist er in Fragen der agrarischen Welt sachkundig. Als Bürgermeister von Hofstätten a.d. Raab hat er mit den Anliegen des Handwerks, der Industrie und des Speditionswesens zu tun, weil diese Metiers in der Gemeinde präsent sind.

Nun ist Hofstätten einerseits das Ergebnis einer vormaligen Zusammenlegung mehrerer Katastralgemeinden, andrerseits heute aber auch Teil der „Kleinregion Gleisdorf“, die dieses Thema Zusammenlegung erneut durchläuft. Überdies ist Hofstätten die südlichste Gemeinde der „Energie-Region Weiz Gleisdorf“, einer LEADER-Region.

Apropos! LEADER-Managerin Iris Absenger-Helmli wird auch an diesem Abend teilnehmen. Sie hat nun seit Jahren damit zu tun, Interessenslagen in den vielschichtigen Überlagerungen von Regionalkonzepten zu moderieren, aber auch im Kräftespiel zwischen einzelnen Gemeinden zu bestehen, die bei unterschiedlicher Größe auch höchst unterschiedliche wirtschaftliche Potenz haben; je nach betrieblicher Verfassung.

Sandra Kocuvan (Kulturabteilung des Landes Steiermark)

Wir werden ferner Sandra Kocuvan von der Kulturabteilung des Landes Steiermark hören. Sie ist unter anderem für das Festival „regionale“ und für die steirischen „LEADER Kulturprojekte“ zuständig.

Außerdem hat Tierarzt Karl Bauer sein Kommen zugesagt. Er ist als Gleisdorfer Gemeinderat mit der Kommunalpolitik vertraut, hat aber auch Erfahrung als Unternehmer.

Nicht zu vergessen, daß wir im „Basis-Team“ (Fickel, Flekatsch, Krusche & Peitler-Selakov) selbst den gesamten Themenblock „Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft“ repräsentieren. Sie ahnen schon, unser Tun ist einem Möglichkeitsraum gewidmet, der meint: Den Ort, die Region, das Land und internationale Anknüpfungspunkte.

Es geht aktuell vor allem einmal um ein Ausloten: Was sind a) relevante Fragen und b) naheliegende Aufgabenstellungen, die uns quer durch diese Genres gleichermaßen interessieren und beschäftigen?

Falls wir darüber Klarheit finden, falls die Verständigung zwischen Leuten gelingt, die berufsbedingt doch ganz verschiedene Codes pflegen, dürften sich daraus interessante Perspektiven ergeben.

Regionale Identität: eine Illusion oder unsere Wirklichkeit?
(Konferenz und öffentlich zugängliches Arbeitstreffen)
Mittwoch, 25. Januar 2012
[link]

und dann 2050? #11

Kunstschaffende, Wirtschaftstreibende und Leute aus der Wissenschaft haben eines auf jeden Fall gemeinsam: Die wechselseitigen Klischees sind gut überschaubar. Auf die markantesten Positionen heruntergebrochen bleibt ein spaßiges Stereotypenbündel, das sich komplementär anordnen läßt. Kunstschaffende schauen nur auf sich, Unternehmer schauen nur aufs Geld und Wissenschafter schauen nur in die Luft. Das Ich, das Geld, die Theorie… und die Welt ganz woanders.

Das ist die Art gängigen Unfugs, der Gesellschaften oft nachhaltiger aufbricht, fragmentiert, als manch andere Kräftespiele. Wenn wir nun noch Politik und Verwaltung in die Mischung rühren, kommt unter Hitze und Druck eine Torte á la Operetten-Österreich heraus, die sich zwar in manchen Schaufenstern gut macht, aber schlucken sollte das niemand können.

Kulturwissenschafter Günther Marchner in Gleisdorf

Wir haben schon vor einer Weile begonnen, uns mit erfahrenen Leuten aus den jeweils anderen Bereichen zu verständigen, um vor allem einmal herauszufinden: Worin decken sich allenfalls unsere Befunde zum Stand der Dinge in unserem Lebensraum?

Das führt erfahrungsgemäß laufend zu Schnittpunkten und es ist in der Folge recht interessant, zu überprüfen, ob sich daraus auch gemeinsame Fragestellungen und womöglich gemeinsame Aufgaben ableiten lassen. Hier ein kleines Beispiel aus der Verständigung Kunstschaffender mit einem Wissenschafter, nämlich Günther Marchner: [link] In einem internen Arbeitspapier zu unserer „Kulturspange“ betont Marchner einen Zusammenhang, der die Wirtschaftswelt berührt:

>>Ich möchte dabei besonders auf die Herausforderungen von ländlichen Regionen hinweisen: Der Wettbewerbsdruck und wirtschaftliche Strukturwandel führt zu einer Polarisierung zwischen Gewinnern und Verlierern. Viele ländliche Regionen erleben eine massive Veränderung (einen Verlust) von Wirtschafts- und Erwerbsmöglichkeiten.<<

Solche Effekte haben etwa zur Folge, daß junge Letzte weggehen, was wir sogar im Kulturbetrieb jenseits von Graz zu spüren bekommen. Oder wie es Marchner ausdrückt: >>Regionen, die diesem Anpassungsdruck nicht gewachsen und nicht in der Lage sind, ihre Potentiale zu nutzen, geraten zunehmend unter Druck. Ein besonderer Indikator dieser Entwicklung ist die Abwanderung von jungen Qualifizierten.<<

Wir stellen fest, daß wir mit solchen Überlegungen auf Themen treffen, wie sich auch von diversen regionalen Managements und Gemeindeverbänden bearbeitet werden. Wenn Wissenschafter Marchner in der Debatte mit Kunstschaffenden zu folgenden Überlegungen kommt, könnten das auch Wirtschaftstreibende, Politik und Verwaltung interessieren:

>>Viele ländliche Regionen brauchen vor allem eine kulturelle Veränderung im Sinne von Öffnung, um zukünftig diesen Herausforderungen besser begegnen zu können und um nicht laufend an Attraktivität zu verlieren. Das Nachdenken, die Reflexion und Auseinandersetzung darüber, was mit ländlichen Regionen, Kleinstädten und Regionen passiert, sollte nicht alleine dem „Markt“ oder jenen wirtschaftspolitischen Strategen überlassen werden, die sich außerhalb der Ballungsräume nur Erholung, Wellness und Natur oder Räume für Ressourcenausbeutung, Transit und Entsorgung gefährlicher Stoffe vorstellen können.<<

Nachdem Kommunen auf dem Lande im Jahr 2010 Kulturbudgets, soweit überhaupt vorhanden, drastisch heruntergefahren haben, beginnt inzwischen da und dort wieder eine Besinnung darauf, welche Aufgaben im Kulturbereich zu bearbeiten wären und was davon einer Kofinanzerung aus öffentlichen Mitteln bedarf. Wir stellen immer noch fest, daß Debatten über ein „Zentrum-Provinz-Gefälle“ der Mittel und Möglichkeiten zwischen Graz und dem Rest der Steiermark nicht zustande kommen. Nicht einmal in unserem eigenen Metier. Bis das möglich ist, haben wir unter uns auf dem Lande auch gut zu tun.

Marchner präzisiert:
>>Wie wichtig – aber weitgehend unberücksichtig – eine Perspektive ist, die sich nicht nur auf urbane Räume/große Städte konzentriert, zeigt die reale Verteilung der Bevölkerung: In Österreich leben knapp 30% der Bevölkerung in Städten mit mehr als 30.000 BewohnerInnen. Dies bedeutet, dass Kulturentwicklung und die Förderung von zeitgenössischer Kunst und Kultur nicht nur in Ballungszentren, sondern auch dort erfolgen sollte, wo die anderen 70% leben.<<

Voila! Da reden wir dann von unserer Arbeit. Die ergibt sich aus einer Summe von Fragestellungen und Aufgaben, über die es quer durch die Steiermark eindeutig mehr Verständigung und Diskurs geben müßte.

Marchner führt aus:
>>Und es sollten die Rahmenbedingungen und Kontexte mitbeachtet werden, in denen der Großteil der Bevölkerung nach wie vor lebt: in Kleinstädten und ländlichen Gemeinden, wenn auch forciert durch eine tendenzielle Abwanderung aus peripheren Gebieten (dazu zählt zum Beispiel die Bezirke Liezen und Murau) und durch ein Wachstum des Umlandes der Städte (zum Beispiel Gleisdorf). Dies bedeutet, dass eine erfolgreiche von Gegenwartskunst auch davon abhängt, inwiefern diese Bedingungen und Zugänge reflektiert und berücksichtigt werden.<<

Das Bündeln von Kompetrenzen und (Themen-) Zugängen aus ganz verschiedenen Tätigkeitsbereichen dürfte dabei ein sehr vielversprechender Arbeitsansatz sein.

[2050: übersicht]

„Regionale Identität: eine Illusion oder unsere Wirklichkeit?“
Konferenz und öffentlich zugängliches Arbeitstreffen
Mittwoch, 25. Januar 2012
Beginn: 18:00 Uhr
[link]

und dann 2050? #10

Einige Male im Jahr tagt das „Kuratorium für triviale Mythen“ [link] an wechselnden Orten und in wechselnder Besetzung. Diesmal, dem Thema sehr naheliegend, in einer Autobahn-Raststätte. Mich beschäftigt in der Sache zur Zeit vorrangig zweierlei. Die Zeit zwischen 1955 und 1960 sowie das Thema Masseproduktion für eine Massengesellschaft.

Techniker Michel Toson (links) und Fotograf Franz Sattler in der Startposition zu unserer Konferenz

Die zweite Hälfte der 1950er-Jahre war eine Ära beispielloser Massenmotorisierung. Das stellt sich in Debatten und Produktionen dar, die vom Motorrad zum Motorroller führen (Komfortgewinn) und damit das Thema „Rollermobil“ aufwerfen (kein Roller mehr, aber noch kein „richtiges“ Auto), um schließlich über den Fiat 600 zum 500 Nuova und so auch zum Grazer „Puch-Auto“ zu führen, die als Kleinwagen, aber „richtige“ Autos galten.

Bedingungen der Massenproduktion sind Grundlagen einer Preisgestaltung, durch welche die gemeinten Waren für breitere Kreise erschwinglich werden. Es mag banal wirken, wenn wir erörtern, ob eine Schraube mehr oder weniger an einem Auto etwas im Preis bewirkt. Aber das sind tatsächlich relevante Kategorien. Norbert Gall [link], Brand Manager von „Abarth Österreich“ [link], konzedierte, daß hier 3 Cent, dort 5 Cent und da 10 Cent eingespart in der Masse etwas bewegen würde.

Abarth-Brand Manager Norbert Gall, in den lauf der Dinge verstrickt

Michael Toson [link], Techniker bei „Magna Steyr“ [link], erzählte aus seinem Arbeitsbereich, daß in einer abschließenden Durchsicht an einem neuen Fahrzeug sehr wohl erwogen werde, ob man etwa ein Kabel doch noch so verlegen könne, daß sich ein Zentimeter Kabellänge einsparen ließe.

Wir haben mindestens seit a) dem Waffendrill der preußischen Armee und b) seit den Methoden der Effizienzsteigerung durch Henry Ford eine Reihe von menschlichen Zurichtungsverfahren erlebt, die unsere Lebensbedingungen sehr grundlegend veränderten.

Effizienzsteigerung, Beschleunigung, Massenfertigung. Ich hausiere schon eine Weile mit einem Zitat von Philosoph Peter Sloterdijk, der in „Weltverschwörung der Spießer“ meinte: „Wir erleben Vorgänge, die in ihrem ganzen Ausmaß erst durch unsere Nachkommen gewürdigt werden können. Summarisch gesprochen: Wir sind in ein Zeitalter der unmenschlichen Geschwindigkeiten eingetreten – und dieser Übergang läuft mitten durch unsere Lebensgeschichten.“ [Quelle]

Kein Konsumgut repräsentiert das in jeder Hinsicht so sehr, wie das Automobil. Seine Produktion wie seine Nutzung sind Ausdruck dessen, was Sloterdijk kritisiert. Das Geniale an diesem Fetisch, er löst auch noch Begehren in genau diesen Eigenheiten aus, statt uns darin zu beunruhigen, abzuschrecken.

Wir haben es da also mit einem sehr komplexen und problematischen Kulturgut zu tun. Damit werden wir demnach noch eine Menge Arbeit haben. Speziell hier in der „Energie-Region“, wo der steirische Automobil-Cluster [link] gleich ums Ecker präsent ist. Da haben wir einige Gelegenheit, zu überprüfen, welche Fragen das konkret für den Lebensalltag vor Ort aufwirft.

[2050: übersicht]

Wir und wer?

Ich hab es in letzter Zeit öfter betont, wir müssen neu klären, wie sich der Kulturbetrieb zur Privatwirtschaft verhalten soll, vice versa. In der sogenannten „Provinz“ helfen uns urbane Konzepte aus den Zentren nichts. Die Bedingungen sind zu verschieden.

Es geht ferner darum, neu zu klären, warum, womit und wozu sich diese Lager verständigen sollen. Da gibt es derzeit viel zu viele unüberprüfte Annahmen. Meine Erfahrung zeigt mir ja nicht „Die Unternehmer“, sondern höchst unterschiedliche Persönlichkeiten, deren Orientierungen und Prioritäten eigentlich stets individuell erfahren werden müssen.

Was jenseits davon allgemeine Zusammenhänge wären, die sich den Genres „Die Wirtschaft“ und „Der Kulturbetrieb“ zuschreiben ließen, halte ich ebenso für klärungsbedürftig. Es steht für mich außer Zweifel, daß diese Klärungsprozesse zu fruchtbaren Ergebnissen führen können. Ebenso halte ich für evident, daß wir dazu einige Ressourcen einsetzen müssen und daß wir dafür Zeit brauchen. Es gibt in dieser Sache keine „schnellen Ergebnisse“.

Folgendes ist vermutlich da wie dort konsenstauglich und kann zur Ausstattung „erster Gemeinsamkeiten“ gehören: Wir übernehmen Verantwortung für ein vorteilhaftes kulturelles Klima in unserem Lebensraum. Ein stark entwickeltes kulturelles Klima erleichtert uns
+) die Alltagsbewältigung,
+) den Umgang mit besonderen Aufgaben.

Dies ist eine Zeit, die uns beides in hohem Maß abverlangt. Aber wie sollen so unterschiedliche Metiers und Genres zusammenwirken? Das zu lösen, sind sozio-kulturelle Agenda.

Bei aller Verschiedenheit von Aufgaben und Milieus, von Codes und Jargons, kann sicher auch das zur Ausstattung „erster Gemeinsamkeiten“ gehören:
+) Gibt es Fragen, die uns gleichermaßen interessieren?
+) Führt uns das zu Themen, die uns gemeinsam beschäftigen?
+) Lassen sich daraus Aufgabenstellungen ableiten, für die eine Bündelung unserer sehr unterschiedlichen Kompetenzen vielversprechend wäre?

In der Annäherung und Verständigung nützt uns sicher auch, wenn wir klären, welche Kompetenzen wir individuell zur Verfügung haben, die über unsere „primäre Zuständigkeit“ hinausreichen. Damit meine ich, daß ich ja nicht nur meine Profession repräsentiere, sondern auch ein Bürger bin, der als Teil des Gemeinwesens weiterreichende Ambitionen und Interessen hat.

Das halte ich für vorrangig klärungsbedürftig in Auftaktphasen der Annäherung:
+) Was sind meine berufsspezifischen Schwerpunkte und Fragen?
+) Was habe ich, darüber hinaus, als Privatperson an Interessen und Kompetenzen, die ich hier einbringen würde?

Ein konkretes Beispiel:
Ich bin von Beruf Künstler und bestehe da auch auf dem Prinzip der Autonomie der Kunst, wofür ich in künstlerischer Arbeit eigenen Regeln folge. Aber ich befasse mich ebenso mit anderen Themenkomplexen und den Inhalten anderer Berufsfelder. Darin folge ich NICHT den Regeln der Kunst.

Durch mein spezielles Interesse an Sozialgeschichte findet ich aktuelle Bezugspunkte zu jenen Themen angelegt, die das 20. Jahrhundert ausmachen. Das betrifft vor allem die Verhältnisse zwischen agrarischer Welt und Industrialisierung, das betont Mobilitätsgeschichte (Die Motorisierung einer Massengesellschaft) und das bearbeite ich in Fragen zum „Denkmodell Zentrum/Provinz“. Dazu kommt — übergreifend — meine Medien-Kompetenz bezüglich der Wechselbeziehungen zwischen Print, Radio und Internet.

Es sind vorrangig einmal solche Aspekte, über welche ich die Verständigung mit Wirtschaftstreibenden suche. Ob sich das dann auch in künstlerischen Optionen einlöst, muß der jeweilige Prozeß zeigen, falls es eben nach der Anbahnung zu Formen von Work in Progress kommt.

Für den Arbeitsbereich „Kunst, Wirtschaft, Wissenschaft“ hat sich ein Quartett formiert, das solche Möglichkeiten bearbeitet. KWW auf Facebook: [link]

Zum großen Thema Mobilitätsgeschichte läuft momentan auf Facebook eine Leiste im Plauderton: [link]

Bezüglich Regionalentwicklung liegt für uns ein Arbeitsansatz in der Frage nach einer „Vision 2050“ (Projekt „iEnergy“): [link]

und dann 2050? #9

Ich bin ein Feind der Phrasendrescherei. Sie macht mir die Rufenden suspekt. Ich mißtraue jenen, die ihre Gründe nicht zu nennen bereit sind. Und wie sollten gute Gründe in beliebig befüllbaren Containersätzen verborgen sein? Was sollen abgenutzte Floskeln verdeutlichen? Es mag ja sein, daß Marktschreierei diesem oder jenem Geschäft sehr nützlich ist. In meinem Geschäft schadet sie.

Wir haben gerade ein Jahr der Klärungen durchlaufen. Klar ist vor allem, daß aktuell eine Menge Klärungsbedarf besteht. Wofür sollen sich Kunst- und Kulturschaffende selbst zuständig fühlen? Was haben sie mit Politik und Verwaltung zu verhandeln? Wie soll sich der Kulturbetrieb in unserem Bereich zur Privatwirtschaft verhalten?

Ich beziehe solche Fragen primär auf den Bereich jenseits des Landeszentrums, auf die sogenannte „Provinz“. Das hat mit kpmplexen Räumen und mit Wegstrecken zu tun, auch mit strukturellen Differenzen. Das hat mit großen Unterschieden der Milieus zu tun.

Wir haben hier, auf dem Lande, keinen Bevölkerungsanteil, der – ausreichend kulturaffin – ein Stück Grundkonsens verkörpern würde, daß es ein lebhaftes kulturelles Klima geben muß, welches angemessene Ressourcenausstattung verlangt. Was hier an nennenswert Kulturinteressierten wohnt, pendelt gerne in die nächsten Zentren, um Interessen zu befriedigen. Graz, Maribor, Wien …

Wir haben keine Kulturreferate und Kulturbeauftragten, die Kahlschläge von minus 70 bis minus 100 Prozent im Kulturbudget als ein ernstes Problem im Gemeinderat behandeln würden. Vieles weist drauf hin, daß es da und dort genau umgekehrt ist, daß bestehende Kulturbudget wird als Problem verstanden, seine Abschaffung als politische Leistung angesehen. Ich gehe noch weiter: Niemand hat uns gerufen. Niemand würde beklagen, wenn wir als Kulturschaffende demissionieren wollten.

Daß erfahrene Leute den realen Bedarf, auch auf dem Lande, ganz anders einschätzen und bewerten, gehört zu den gut gehüteten Geheimnissen unseres Metiers. Daß nun langsam Defizite der Regionalenwicklung offensichtlich werden, die auf soziokulturelle Mankos hinweisen, beginnt manchen aufzufallen. Mit Phrasendreschen und Marktschreierei wird nun in solchen Fragen nichts zu erreichen sein.

Was bedeutet nun „Professionalität“ in unserer Profession? Wie kommen wir vom Modus Förderung zum Modus Kooperation? Wie soll unser Verhältnis zur Privatwirtschaft angelegt sein? Wie mögen sich Ehrenamt und Hauptamt zu einander verhalten? Und als inhaltlicher Angelpunkt: Was ist die Gegenwartskunst im Kontrast zu anderen Genres?

[2050: übersicht]

2012 ist klar

Das kommende „April-Festival“ [link] ist nun nächster größerer Orientierungspunkt für die aktuelle Arbeitsweise bei „kunst ost“. Zentraler Angelpunkt des Geschehens ist eine „Location Crew“, eine in sich autonome Formation, die sich einem selbstgewählten Aspekt des Generalthemas widmet. (In Zukunft sollte es mehrere solche autonomen Einheiten geben.)

Irmgard Hierzer (links, neben Mirjana Peitler-Selakov) ist die Schlüsselperson der ersten eigenständigen „Location Crew“ von „kunst ost“

Die Kleingruppe hat sich gestern konkret formiert. Das bedeutet, hier ist ein künstlerischer Schwerpunkt fixiert, der NICHT als Sammelbecken für andere Interessierte dient, sondern ein Beispiel gibt, wie sich AUCH andere untereinander verständigen sollten, um einen Beitrag zum Generalthema zu erarbeiten.

Die „Location Crew“ ist dem Verein „kunst ost“ verbunden und bekommt von daher angemessenen Support. Einen anderen Modus demonstriert die „Malwerkstatt Gleisdorf“. Das ist eine völlig eigenständige Initiative von Kreativen, deren aktuelle Vorhaben im April 2012 einen Schnittpunkt mit unseren finden. Hier entsteht eine temporäre Kooperation mit „kunst ost“, die wir unter anderem in einer kleinen Kulturkonferenz einlösen werden. Siehe dazu: [link]

Im Themenzusammenhang „Tage der agrarischen Welt“ hat ferner ein „reisendes Quintett“ zusammengefunden, das augenblicklich mit Basisarbeit befaßt ist, mit Firmenbesuchen, bei denen erst einmal grundlegende Gespräche geführt werden. Schlüsselperson dieses Quintetts ist Karl Bauer. Siehe dazu den vorherigen Link und: [link]

Georg Enzinger und Michaela Knittelfelder-Lang

Einen speziellen Schwerpunkt ergibt unser wiederkehrender „Frauenmonat“ mit dem Fokus auf „Frauen, Macht und Technik“. Schlüsselperson ist dabei Mirjana Peitler-Selakov, die schon am Programm für 2012 arbeitet. Siehe dazu: [link] Damit ist unser Themenbogen, wie wir ihn für die Region definiert haben, konkret markiert: „Zwischen Landwirtschaft und High Tech“; siehe: [link]

So haben wir auch eine klare inhaltliche Orientierung für allfällige Beiträge zum regionalen Prozeß „Vision 2050“: [link] Dieser gedanklich Blick hinter nächste Horizonte berührt auch unsere Kooperation mit der „Sammlung Wolf“ (Schlüsselperson: Martin Krusche), in der wir über einen mehrjährigen Prozeß einen speziellen Akzent zum Thema Steirische Gegenwartskunst setzen möchten: [link]

Das werden wir im Herbst 2012 mit einem großen Symposion an die Öffentlichkeit tragen. Auf die Art ist der Jahreslauf 2012 nun einmal in Arbeitsvorhaben dargestellt. Wer auf diese oder jene Weise an der Mitwirkung Interesse hat, ist eingeladen, sich bei den laufenden Plenartreffen mit seinen/ihren Vorstellungen einzubringen. Die werden stets hier avisiert: [link]

Ich darf erneut empfehlen, sich für mögliche Vorhaben ganz eigenständig mit möglichen Kooperationspartnerinnen und -partnern in Verbindung zu setzen. Wir werden solche Kleingruppen gerne anlaßbezogen mit dem größeren Ganzen verknüpfen und gemäß unseren Möglichkeiten unterstützen.

Auf Stand gebracht

Lokal, regional, national… klar, fehlt noch international. Die Aktivitäten von „kunst ost“ sollten schrittweise eine Relevanz in all diesen Aktions-Radien entwickeln. Das verlangt Prozesse, in denen ZEIT ein enorm wichtiger Faktor ist. Und natürlich Kommunikation.

Es scheint auch, daß einige Funktionstragende der Kommunen zu verstehen beginnen, es habe einen WERT, solche Prozesse zu entwickeln und zu betreuen, Kulturarbeit solle nicht NUR in Events bzw. eröffenbare Veranstaltungen münden.

Mit dem Themenfokus KWW (Kunst Wirtschaft Wissenschaft) haben wir gerade eine Arbeitsbereich fix konstituiert, der vor allem einmal auf lokale und regionale Wirkung zielt. Siehe: [link] Das zuständige Team (Fickel, Flekatsch, Krusche, Peitler-Selakov) wird dazu am 25. Jänner 2012 in der Oststeiermark einen weiteren Akzent setzen.

Von links: Fotograf Christian Strassegger, Zuchtleiterin Johanna Winkler, Assistent Jure Kolaric, Tierarzt Karl Bauer

Eine andere Formation ist auf Tour über die Dörfer, um in Gesprächen mit höchst unterschiedlichen Menschen in größeren Unternehmen überhaupt erst einmal zu erfahren, womit wir es da wirtschaftlich in der Region konkret zu tun haben. Wir erleben in diesen Gesprächen, daß hier Kompetenzen wirken, die uns zu Facetten führen, auf die wir selbst teilweise nie gekommen wären. So wie kürzlich in der Lederfabrik Wollsdorf: [link] Oder jüngst bei der „Saatzucht Gleisdorf“: [link]

Dieses Team sind Tierarzt Karl Bauer, Malerin Michaela Knittelfelder-Lang, Künstler Martin Krusche, Kunsthistorikerin Mirjana Peitler-Selakov und Fotograf Christian Strassegger.

Die Kooperation mit Kunstsammler Erich Wolf und unser Ziel, eine regionale Plattform von internationalem Rang aufzubauen, welche der steirischen Gegenwartskunst gewidmet ist, habe ich schon mehrfach erwähnt: [link]

Dem stehen strukturell kleinere Initiativen gegenüber, die sich beispielsweise als eigenständige Location Crews formieren, um Beiträge für regionale Veranstaltungen zu erarbeiten. Ein Exempel dafür ist die Runde um Irmgard Hierzer, die ein konkretes Team für einen Beitrag zum kommenden April-Festival stellt: [link]

Der Gleisdorfer Maler Gernot Schrampf

Das April-Festival 2012 hat schon eine konzeptionelle Vorgeschichte, wird aber gerade dem neuen Stand der Dinge angepaßt: [link] Dazu gehört auch die Kooperation mit eigenständigen Kulturinitiativen der Region.

So hat eben ein Arbeitsgespräch mit Gernot Schrampf von der „Malwerkstatt Gleisdorf“ zu einer Verknüpfung von Vorhaben geführt. Diese Gruppe wird im Frühjahr in Wetzawinkel eine Klausur mit Gästen aus Deutschland und Ungarn realisieren. Das wollen wir für eine kleine Kulturkonferenz nutzen, in der wir uns Fragen nach Rahmenbedingungen und kulturpolitischen Anforderungen widmen wollen.

Die Ausstellung der Klausur-Ergebnisse im „Museum im Rathaus“ wird einen Beitrag zum April-Festival ergeben. So verdichten sich Verfahrensweisen, wo einerseits „kunst ost“ seine eigenen Schwerpunkt-Teams einsetzt, wo aber andrerseits der Kontakt und Austausch mit völlig eigenständigen Kultuformationen der Region gesucht wird.

Zusammenfassend:
Am Anfang des April-Festival 2011 stand folgende Idee: „Wenn diese Region eine Erzählung wäre, dann könnte sie sich selbst erzählen, falls die Menschen, die hier leben und arbeiten, ihre Stimmen erheben würden. …“ [Quelle]

Das ist die Grundidee, mit der wir auch in den Prozeß „Vision 2050“ einstimmen. Mit den Mitteln Kulturschaffender anregen, daß die Region sich quasi selbst erzählt…

[2050: Übersicht]

und dann 2050? #8

Das Jahr war für Kulturschaffende jenseits des Landeszentrums insofern sehr problematisch, als es hier keine ortsübergreifende Kulturpolitik gibt, an die oder gegen die sich jemand wenden könnte. Es gibt auch keinen breiteren gesellschaftlichen Grundkonsens pro Gegenwartskunst, der sich etwa, wie in Graz, in konkreten Budgets ausdrücken würde.

Wir sind also hier darauf angewiesen, völlig andere Wege zu finden, wie sich der Gegenwartskunst Terrain sichern läßt. Kulturwissenschafter Günther Marchner hat einen zentralen Aspekt so formuliert:

>>Zeitgenössische Kunst und Kultur wird vorrangig durch öffentliche Mittel finanziert. Dies ist vielfältig begründbar, da es ja um die Finanzierung eines Bereiches geht, der nicht mehrheitsfähig, populär und somit in den meisten Fällen nicht kommerzialisierbar ist. Diese Begründung für die öffentliche Finanzierung von nicht massentauglicher zeitgenössischer Kunst und Kultur beruht jedoch auf einem politischem Verständnis, welches zunehmend an Boden verliert anstatt breitere Schichten zu erreichen.<<

Mit Kulturwissenchafter Günther Marchner widmen wir uns sehr unterschiedlichen Arten von Studien

Diese Passage entstammt einem vorerst noch internen Arbeitspapier unserer „Kulturspange“: [link] Wie verhalten sich nun Verhältnisse und Budgetierungen in Zentren und in deren Peripherien zu einander? Das wissen wir zwar, doch es ist selbst in der sogenannten „Initiativenszene“ eher ein Tabuthema als ein zeitgemäßer Diskussionsgegegenstand. Marchner in seinem Text:

>>Wie wichtig – aber weitgehend unberücksichtig – eine Perspektive ist, die sich nicht nur auf urbane Räume/große Städte konzentriert, zeigt die reale Verteilung der Bevölkerung: In Österreich leben knapp 30% der Bevölkerung in Städten mit mehr als 30.000 BewohnerInnen. Dies bedeutet, dass Kulturentwicklung und die Förderung von zeitgenössischer Kunst und Kultur nicht nur in Ballungszentren, sondern auch dort erfolgen sollte, wo die anderen 70% leben.<<

Das betrifft genau jene Zonen, in denen wir hauptsächlich aktiv sind, wo sich seit Jahren eine zunehmende Landflucht durchsetzt und wo Funktionstragende der Kommunen momentan zu allerhand Formen der Schreckstarre neigen, da von der Landesebene her die Anforderung zu neuen Gemeindezusammenlegungen evident ist.

Informationen zum Status quo in der Region

Das hat unter anderem den bedauerlichen Effekt, daß in der regionalen Politik kulturelle Vorstöße zur ortsübergreifenden Kooperation oft als angebliche „Vorboten“ der unerwünschten Gemeindezusammenlegungen gedeutet werden, was für zusätzliche Blockaden sorgt. Marchner zu diesen Terrains:

>>Und es sollten die Rahmenbedingungen und  Kontexte mitbeachtet werden, in denen der Großteil der  Bevölkerung nach wie vor lebt: in Kleinstädten und ländlichen Gemeinden, wenn auch forciert durch eine tendenzielle Abwanderung aus peripheren Gebieten (dazu zählt zum  Beispiel die Bezirke Liezen und Murau)  und durch ein Wachstum des Umlandes der Städte (zum Beispiel Gleisdorf).  Dies bedeutet, dass eine erfolgreiche von Gegenwartskunst auch davon abhängt, inwiefern diese Bedingungen und Zugänge reflektiert und berücksichtigt werden.<<

Das sind für uns auch Denkanströße in einem aktuellen Prozeß, mit dem der Vorstand der hiesigen LEADER-Region eine breitere Beteiligung der Menschen erreichen möchte, auf daß sie Wege in die Zukunft mitgestalten mögen. Ich denke, wir Kulturschaffende sollten diesen Appell ernst nehmen. Dazu gibt es auch einen ineressanten Arbeitsauftrag an das „Institut für Systemwissenschaften, Innovations- & Nachhaltigkeitsforschung“ (Universität Graz), durch den wir anregende Informationen erhalten.

LEADER-Managerin Iris Absenger-Helmli hat mir eben die Auswertung des ersten Szenarien-Parcours überlassen. Zu den regionalen Gemeinden heißt es da: „Rücklauf zu gering (Trend)“. Ich schließe daraus, daß Funktionstragende der Kommunen momentan durchaus offene Ohren haben, wenn von der Basis her elaborierte Rückmeldungen kommen, wovon Prozesse handeln mögen und wohin sie zielen könnten. Da liegt also durchaus eine Chance für Kulturchaffende, das eigene Genre im regionalen Geschehen aufzuwerten.

[2050: übersicht]

Nichts gegen gute Laune!

Ich muß darauf bestehen, daß die Arbeit auch Spaß machen soll, ganz egal, wie hart die Konsequenzen waren, die uns aus verschiedenen Krisensituation des Staates und der Welt inzwischen erreicht haben. Im Sinn von: Die Freude darf mir nicht verloren gehen. Das löst sich auf sehr unterschiedliche Weisen ein. Zum Beispiel, wenn Dinge gelingen. Und wenn inspirierte Menschen mich bei unseren Vorhaben begleiten.

Auch allerhand Rückmeldungen machen mir Freude. Die sind teils inhaltliche Art und bereichern so das verfügbare Know how. Die sind teils auf aktive Teilnahme an kommenden Stationen bezogen. Die haben aber auch Momente der Ermutigung. (Können wir alle gut brauchen, hm?)

Michael Toson (links) mit Karlheinz Rathkolb, dem Leiter des Puch-Museums

In den letzten Wochen dieses Jahres sind wir ganz auf das Thema Mobilitätsgeschichte konzentriert. Augenblicklich arbeitet Graphic Novelist Jörg Vogeltanz [link] am Layout einer Publikation, die zweierlei bietet:
a) Eine Serie von Bastelbögen, mit denen Techniker Michael Toson [link] die Geschichte des „Puch-Autos“ darstellt.
b) Eine erläuternder Text von mir, der diese Historie vom Beginn des 20. Jahrhunderts her aufrollt.

Der Weg in die Massenmotorisierung ist von einem fast unbeschreiblichen ideologisch-propagandistischen Kräftespiel getragen worden, das im Faschismus Bilder etablierte, die bis heute Wirkung haben. Fahrrad – Motorrad – Automobil; die Mechanisierung der individuellen Mobilität hat weltweit so enorme Konsequenzen gezeigt, daß es uns schwer fällt, einen kritischen Blick zu entwickeln, der nicht zutiefst von den trivialen Mythen dieser Geschichte geprägt ist.

Der Austro Daimler „Sascha“, von Ferdinand Porsche konstruiert, war zu seiner Zeit zwar noch den Reichen vorbehalten, ist aber konzeptionell der erste bedeutende „Kleinwagen“ Österreichs

Um dieses Thema zu erschließen, hat unser „Kuratorium für triviale Mythen“ [link] nun auch eine Themenleiste auf Facebook eingerichtet, wo die Sache im launigen Plauderton abgehandelt wird: [link]

Dieser Themenbereich ereignet sich auch in Querverbindungen zu unserem Schwerpunkt „Frauen und Technik“, den Mirjana Peitler-Selakov eingeführt hat. Siehe dazu: [link] Peitler-Selakov arbeitet zur Zeit aber noch an einem ganz anderen Thema. Ihre Dissertation handelt von: „Kunst und Krieg: Politik des Erinnerns in öffentlichem Raum“.

Die „Akademie Graz“ veranstaltet die Reihe „Trauma und Kreativität“. Im Zuge dessen ist ein Block dem Teilthema „Verletzungen der Seele“ gewidmet, bei dem Peitler-Selakov mit eine Beitrag vertreten ist; zu einigen brisanten Fragen:

„Ein Trauma kann nicht wie andere Erinnerungen erzählt werden. Können Kunst und Literatur dazu beitragen, die Unmöglichkeit des Ausdrucks mit anderen Formen erzählter Erinnerung zu übersetzen? Kreativität ist eine gestaltende Kraft, mit der Widerstand gegen menschenunwürdige Verhältnisse aufgebaut werden kann, und mit der man die Würde des Menschen zu behaupten versucht.“ [quelle]

[2050: Übersicht]

Prioritäten prüfen

Die Frage nach dem Rang Kultur- und Kunstschaffender

Diesmal ein sehr kleines Plenum mit der Arbeit an großen Vorhaben. Wir hatten uns in der Nachbarregion („Vulkanland“) getroffen, auf Schloß Hainfeld. Beim vorangegangenen Plenartreffen [link] waren schon einige Punkte deutlich geworden, die nun greifbarer gemacht werden müssen. Der Hintergrund all dessen ist heuer kontrastreich.

Zusammenfassend läßt sich sagen: Nun ist rund ein Jahr vergangen, seit die Konsequenzen mehrjähriger Krisenentwicklungen, national und international, ganz konkret und hart zur Basis regionaler Kulturschaffender durchgeschlagen haben.

Irmgard Hierzer (links) und Irmgard Eixelberger

Ende Oktober 2010 war klar, daß sich die Kommunen von uns zurückziehen, um sich mit allenfalls verbleibenden Kulturbudgets um ihre „hauseigenen“ Einrichtungen zu kümmern. Allein die Stadt Gleisdorf hat ihr Kulturbudget in zwei Jahresschritten (2010/2011) um 75 Prozent reduziert. Genau! Es blieb bloß noch ein Viertel übrig. Was das auf viele kleine Gemeinden umgelegt bedeutet, ist klar: Null Prozent Rest.

Inzwischen wurde sogar der Ausstellungsbetrieb im Gleisdorfer „Museum im Rathaus“ eingestellt und dieser wichtige wie zentrale Veranstaltungsort bleibt ab nun weitgehend privater Initiative überlassen. So schaut’s aus, punktum. Es gab keinen Moment, wo etwa das Kulturreferat bekanntermaßen engagierte Leute an einen Tisch gebeten hätte, so im Sinne von: „Wir sollten über den Status quo reden“.

Also kein kulturpolitischer Diskurs. Also minus 75 Prozent. Also keine Gespräche. So ist es gekommen. Wird es so bleiben? Zum Glück nicht ganz. Das war alles sehr anregend. (Ironie!) Die Politik beginnt nun doch noch, auf unser Bestreben zu reagieren. Worum geht es aber insgesamt?

Schloß Hainfeld war ja gerade erst unser Treffpunkt, um den Themenbrocken „Kunst Wirtschaft Wissenschaft“ in unsere Praxis herüberzuführen: [link] Siehe dazu auch die Notiz: [link] Das ist einer der Themenschwerpunkte im aktuellen Konzentrationsprozeß.

Gerhard Flekatsch

Ein anderer Aspekt betrifft die Frage nach dem Rang Kultur- und Kunstschaffender innerhalb der Regionalentwicklung. Da haben die Kommunen der „Energie-Region“ gerade einen anspruchsvollen Prozeß gestartet, der unter dem Aspekt von „BürgerInnenbeteiligung“ in die nächsten Jahre hinein wachsen soll. „Vision 2050“ ist für uns auf jeden Fall ein Anlaß, um zu demonstrieren, was kulturelle Kompetenzen in einer regionalen Gesellschaft sind und bedeuten.

Wir haben beim aktuellen Plenum erörtert und beschlossen, dem eine Serie von Arbeitstreffen folgen zu lassen. Die Themen-Website dazu gib schon einen Überblick, was in der Sache bisher zur Diskussion stand: [link] Nun wird „kunst ost“ seine Rolle in diesem Prozeß noch präzisieren.

Das bedeutet, wir bemühen uns, klarer erkennbar zu machen, daß zwar die künstlerische Praxis selbst kein soziales oder politisches Werkzeug ist und daß unsere künstlerische Arbeit sich selbst verpflichtet bleiben sollte, daß aber Kompetenzen, die wir aus der Befassung mit Kunst beziehen, im Gemeinwesen wichtig sind.

Wir haben außerdem erörtert, wo ein kulturpolitischer Diskurs ansetzen kann, da uns die letzten zwei Jahre mehr als deutlich gezeigt haben: Es gibt in den Kommunen der Region keinen breiten Konsens, sich für eine zeitgemäße Kulturpolitik zu engagieren, weil es darüber keine ausreichende Sachkenntnis gibt.

Landeszentren haben es da leichter, weil da historisch gewachsene Milieus bestehen, deren kulturelle Ansprüche und deren Kulturverständnis die Basis eines kulturellen Klimas ergeben, von dem die „Provinz“ keine Spur zeigt. Gut, es ist eben so und da bleiben momentan nur wir Kulturschaffende, die sich dem widmen mögen. Das heißt auch, Graz hat alle Vorteile materieller und immaterieller Art gegenüber der restlichen Steiermark, eine angemessene Wechselwirkung in der Frage findet kaum, eigentlich eher nicht statt.

Kernpunkt: Wenn wir den Leuten in Politik und Verwaltung klar machen möchten, warum es uns geben soll und warum Kommunen in den Kulturbereich investieren müssen, sollten wir das erst einmal uns selbst klar machen.

Dazu gehören auch Fragen nach Vermittlungsarbeit und Präsentation. Wir kennen die Falle. Alle Welt flötet: „Quoten sagen doch nichts aus.“ Aber unterm Strich fragt die Politik: „Wie viele Besucherinnen und Besucher waren da?“ Die konventionelle Verwertungslogik dominiert. Wir sind dem bisheute noch nie ausreichend streitbar entgegengetreten. Wir ließen es bisher an klaren Argumenten fehlen.

Wenn wir das nicht aufbrechen, wird es niemand sonst tun. Also haben wir auch uns selbst zu fragen: Warum soll es Ausstellungen geben? Welchen Sinn und welchen Stellenwert hat Präsentation? Wie viel davon sollte allenfalls zugunsten anderer Aktivitäten zurückgenommen werden?

Wir waren uns freilich einig: Das soll es weiter geben. Wir werden uns auch zukünftig über diesen Weg an eine Öffentlichkeit wenden, ein Publikum suchen. Doch insgesamt muß das Repertoire verschiedener Kulturveranstaltungen überdacht werden. Auf eine Kommunikation mit einem Publikum werden wir nicht verzichten. Aber es geht auch noch um ganz andere Settings und ganz andere Aufgabenstellungen.

Kunsthistorikerin Mirjana Peitler-Selakov mit Unternehmer Andreas Kindermann (Mitte) und Tierarzt Karl Bauer

Das kommende Aprilfestival bleibt natürlich auf der Checkliste: [link] Es wird allerdings konzeptionell gründlich zu überarbeiten sein. Unser „FrauenMonat“ bleibt auch auf dem Programm. Da hat Kuratorin Mirjana Peitler-Selakov aus dem letzten Sommer heraus offenkundig mehrere Durchbrüche geschafft. Siehe dazu auch die Notiz „Frauen, Technik, Kunst“: [link]

Für den Herbst 2012 ist ohnehin schon länger eines von zwei Symposien fixiert, mit dem wir auf die Ebene eines internationalen Kunstdiskurses gehen. Der kommende Herbst ist dem Thema „regionalität und realität // globalität und virtualität“ gewidmet; siehe: [link]

Wir sind also gerüstet, die Positionen Kulturschaffender jenseits des Landeszentrums neu zu besetzen und zu begründen.