Schlagwort-Archiv: joseph beuys

Projekt-Stand Mai 2018

Das heurige Aprilfestival liegt hinter uns. Darin hatte „Die Quest III“ einen Frühjahrsakzent und führt nun in einer Ereignislinie Richtung 2018er Kunstsymposion weiter. Der Teil „Die Beuyse des Pessler“ verweist schon auf einen der künstlerischen Schwerpunkte gegen Jahresende. Hier die Dokumentationsübersicht dieses Abschnittes: [link]

Nikolaus Pessler in Sachen Beuys auf Schloß Freiberg

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Themenkontraste Mai 2018

Das Aprilfestival liegt hinter uns und mit „Die Quest III“ sind wir gut beschäftigt, Kunstpraxis und Kunstdiskurs Richtung Jahresende 2018 zu bewegen. Knapp davor werden wir das heurige Kunstsymposion realisieren, wobei Maler Nikolaus Pessler eine weitere Rolle spielen wird und außerdem „Mythos Puch“ seine fünfte Ausgabe erfährt.

Nikolaus Pessler: „Talk To The Rabbit“

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The Track: Pop * Ikarus

Wieso habe ich mehr als ein Jahrzehnt auf sehr konzentrierte Art an einer möglichen Position in der Gegenwartskunst gearbeitet („The Long Distance Howl“), um nun in der griechischen Mythologie anzukommen?

Joseph Beuys: Wer nicht denken will fliegt raus

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Axiom * 2014: Referenz

Derzeit begleiten mich in der Arbeit zwei Bücher, die schon allein physikalisch solche Brocken sind, daß man zur Lektüre ein Pult oder einen Tisch braucht. Das eine ist Manfried Rauchensteiners „Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburger-Monarchie“, überarbeitet und neu aufgelegt. Eine von mehreren wichtigen Publikationen, die uns keine Mythenbildung zumuten.

Peter Weibels wuchtiges Kompendium über die österreichisch-ungarische Geisteswelt

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Wider das Beuyseln

Die Präsentation der Studie, welche Veronika Ratzenböck mit ihrem Team erarbeitet hat, stimmt zuversichtlich. Woher kommt dann die viele schlechte Laune unter den Kulturschaffenden in meiner direkten Umgebung? Naja, was generell gelingt, muß nicht alle von uns sanft betten. Gut, „sanft“ ist sowieso momentan nicht lagernd, kann auch auf absehbare Zeit nicht nachbestellt werden.

Wissenschafterin Veronika Ratzenböck

Die Wiener Session hat mir ergänzend deutlich gemacht, daß der Kulturbereich — ganz unabhängig von diversen krisenhaften Entwicklungen — generell gar nicht so übel beinander ist. Wir haben aber einen Verteilungswettkampf am Hals, ein Rennen um Budgets, das mit spitzen Ellbogen und anderen Artigkeiten ausgetragen wird.

Ich behalte einige Standardzeilen aus meinem Lieblingsliedchen auf den Lippen: „Hundert Prozent Abhängigkeit vom Staat wäre so ein Nordkorea-Modus. Will das jemand?“ Oder: „Als Künstler bin ich noch nicht auf einen geschützten Arbeitsplatz aus.“ (Blöd, daß einen das rauhe Arbeitsklima schon geraume Zeit derart zaust, ich träume natürlich zwischendurch von einem Liegestuhl und kühlen Drinks on the house.)

Woher also Budgets nehmen und nicht stehlen, wenn Länder und Kommunen die Budgets runterfahren? Vom (Kunst-) Markt = Verkäufe von Werken? Von der Wirtschaft = Sponsoring?

Es ist ja klar, daß all unsere liebgewonnen Vorstellungen aus früheren Jahrzehnten völlig irrelevant werden, sobald wir a) die Landeszentren verlassen und dann womöglich auch noch b) von den Feldern bürgerlicher Repräsentationskultur runtersteigen.

Kleiner Einschub:
Ich hab keinerlei Ressentiments gegenüber bürgerliche Repräsentationskultur. Ich hab bloß die Erfahrung gemacht, daß sie für Agenda der eigenständigen Regionalentwicklung kaum etwas hergibt; im inhaltlichen wie im materiellen Sinn des Wortes „hergeben“. Sie bringt uns kaum etwas für die Arbeit an neuen Optionen. Aber sie sichert in einigen Nischen kulturellen Grundkonsens. Das hilft auch.

Für "LEADER Kultur" zuständig: Sandra Kocuvan und Gerald Gigler

Gerald Gigler, der für LEADER zuständige Fachreferent beim Land Steiermark, hat mir zur Wien-Session noch ein paar Überlegungen und Einwände zugeworfen. Darunter zu Fragen der Funktionen von Gegenwartskunst:

„Was noch immer nicht beantwortet, welche Art von Kunst das nun sein wird, aber etwas hat mir schon einen Stich versetzt, dass du die Kunst nicht als ‚soziokulturellen Entwicklungshelfer’ sehen willst. Siehst du unsere ‚Ansprüche’ (Joseph II) wirklich so? Künstler als Unternehmensberater? Nein, hatten wir nicht im Sinn, aber – wie du immer betonst – das Schaffen von ‚NEUEN Verhandlungsebenen’, für Kunst, für gesellschaftliche Entwicklung, das kann schon ein verfolgbares Ziel sein.“

In Pischelsdorf hatte ich bemerkt, daß ich keine allgemeine Kenntnis voraussetzen darf, wer und warum er „J’accuse!“ ausgerufen hat. So verstand zwar Gigler meine ironische Erwähnung Josef II, aber ich erkläre es für alle Fälle kurz.

Seit dieser aufgeklärte Monarch in Österreich geschaltet und gewaltet hat, scheinen wir eine ungebrochene Tradition zu genießen, in der Reformen „von oben“ kommen, also von Regierungsseite. Seit jener Zeit haben wir auch den Typ des Künstlers im Staatsdienst als vertrautes Sujet vor Augen. Zum Thema „oben/unten“ siehe: [link]

In der Tat und peinlicherweise sind die gegenwärtigen Sonderrichtlinien plus das steirische Punkteprogramm zu LEADER Kultur sehr viel anregender als vieles, was ich seit Jahren von der steirischen Szene lese. Während wir also „vorne“ die Kulturpolitik lauthals schmähen, bekommen wir „hinten“ von der Beamtenschaft recht interessante Diskussionsgrundlagen zugestellt.

+) Die „Sechs Punkte“ von Gerald Gigler: [link]
+) Die Sonderrichtlinien: [link]

Nun muß ich einerseits, wie sich zeigt, die Autonomie der Kunst verteidigen, weil zu viele Leute mit unscharfen Vorstellungen herumgeistern, und zum Beispiel annehmen, Kunst ließe sich als soziokulturelles Reparatur-Set funktionalisieren. (Mumpitz!) Ich muß andrerseits völlig neue Arbeitsansätze finden, wo es um Kulturarbeit und eigenständige Regionalentwicklung geht, weil sich veraltete Zentrumskonzepte nicht in der Provinz recyceln lassen, wie sich auch die Provinz nicht „urbanisieren“ läßt.

IG Kultur: Stefan Schmitzer und Juliane Alton in Pischelsdorf

Ergo kann ich, von einigen Teilaspekten abgesehen, für die (kulturelle) Emanzipation der Provinz gegenüber den Zentren keine Zentrumsstrategien anwenden. Wir müssen hier schon selbst herausfinden, was es überhaupt geben sollte und wie es zu erreichen wäre.

Gerald Gigler meinte auch: „Ist ja leider auch bei ‚Insidern’ noch nicht so angekommen: der Krusche plaudert mit Bauern und Schlossern, wo ist da die Kunst?“

Es wäre eine zu drollige Vorstellung:
Der Künstler rennt zu Bauern d und Handwerken und erklärt ihnen die Kunst, er „beuyselt“ also gewissermaßen, und die wackeren Kinder des Ruralen lauschen aufmerksam, werden erhellt und erweckt.

So hat das natürlich Gigler nicht gemeint, so hab auch ich das noch nie versucht, aber derlei fahrlässiges „Beuyseln“ kommt tatsächlich gelegentlich vor, wenn manche Spießer und Mittelschicht-Trutschen sich selbst auf Bauern oder Mechaniker loslassen. Na, das muß ich noch genauer ausführen. Was ich mit „Beuyseln“ meine, ist hier skizziert: [link]

— [Dokumentation] —

Wovon handelt Kulturpolitik? #22

Die generelle Abwertung von Wissensarbeit hat sehr spezielle Konsequenzen für den Kulturbereich und da wiederum merkwürdige Auswirkungen auf das Kunstfeld. In den Debatten um den Einsatz öffentlicher Mittel ist daher von entsprechender Bedeutung, welchen Stellenwert diese Metiers in öffentlichen Diskursen haben.

Es geht also unter anderem um Definitionsmacht und darum, worüber breiter gesellschaftliche Konsens vorzufinden ist. Das alles ist aber ausnahmslos AUCH Verhandlungssache.

Bei unseren talking communities sagte Michael Narodoslawsky vom Institut für Prozess- und Partikeltechnik (TU Graz), Wissenschaft habe nichts mit Wahrheit zu tun. In der Wissenschaft werde versucht, „das, was die Leute vor uns gefunden haben, zu widerlegen“. [Quelle]

Es gehe darum, sich nach vereinbarten Regeln mit der Realität auseinanderzusetzen. Zu diesen Regeln darf wohl gezählt werden, daß korrekt zitiert wird, um bestenfalls auch den Kontext einer Aussage kennenzulernen, was ermöglichen sollte, die Aussage authentisch zu erfahren.

Ich strapaziere dieses Thema, weil mir zunehmend auffällt, daß wir manche kulturpolitische Problemlagen nicht bearbeiten können, wenn wir ignorieren, was an unscharfen, teils kontrafaktischen Auffassungen zu diesem oder jenem Aspekt vorherrscht. Klartext: Wo bezüglich des Kulturbetriebs unsinnige Ansichten dominieren, werden wir vorzugsweise im öffentlichen Diskurs Gegenpositionen schaffen müssen.

Der Flohmarkt als Feld flüchtiger Begegnungen mit der eigenen Vergangenheit

In meiner individuellen sozialen Erfahrung zieht sich Abschätzigkeit dem Kunstfeld gegenüber durch viele Jahrzehnte. Das ging mir eben durch den Kopf, als ich auf einem Flohmarkt in Gleisdorf einige alte „hobby“-Hefte erstand. Auf Seite 43 der Ausgabe Nr. 14 von 1964 wird der Eindruck erweckt, William Shakespeare habe gefordert: „Mehr Inhalt – weniger Kunst!“ Diese Art der Polemik kennen wir in ungezählten Varianten.

Solche Ressentiments suchen Legitimation über selbstreferenzielle Bestätigung und teilen sich gerne medial auf allen erdenkbaren Ebenen mit. Das kommt etwa so flapsig daher wie der vormalige Bundeskanzler Viktor Klima beim SP-Parteitag 1988, wo er Heinz Fischers Statement, die SPÖ brauche eine Vision, folgendermaßen quittierte: „Wer Visionen hat, braucht einen Arzt!“

Ein Zitat auf Seite 43 der „hobby“-Ausgabe Nr. 14 von 1964

Das paßt in den Kanon jener Massenkultur, wie sie von den Nazi entworfen, erprobt und etabliert wurde; ein Codesystem und Paket von Verfahrensweisen, die uns heute noch kulturelles Fundament sind.

„Wenn ich Kultur höre, greife ich nach meiner Pistole.“ Kommt Ihnen das bekannt vor? Hanns Johst, Nazi-Schriftsteller und zeitweiliger Präsident der Reichsschrifttumskammer, prägte in seinem Theaterstück über den Proto-Nazi Albert Leo Schlageter einen Satz, der nicht nur Goehring, Himmler und Goebbels angeheftet wurde, sondern bis heute unter Augenzwinkern und Schenkelklopfen Verwendung findet: „Wenn ich Kultur höre … entsichere ich meinen Browning!“

Shakespeare hat natürlich auch nicht gefordert, man möge die Kunst zugunsten anderer Möglichkeiten zurückstellen. Er läßt den Satz in einer Dialogsequenz des „Hamlet“ fallen, der Kontext macht den spaßigen Moment deutlich.

Polonius: “Your noble son is mad: Mad call I it, for to define true madness, What is’t but to be nothing else but mad? But let that go.”
Queen: “More matter with less art.”
Polonius: “Madam, I swear I use no art at all That he’s mad, ‚tis true, ‚tis true ‚tis pity, And pity ‚tis ‚tis true — a foolish figure, But farewell it, for I will use no art.”
(William Shakespeare, „Hamlet“)

Die Skepsis gegenüber der Wissensarbeit hat viele Facetten. Daran rührt auch ein älteres Beispiel. Sie kennen sicher das Gerede vom „gesunden Geist“, der einen „gesunden Körper“ voraussetze, wodurch gerne behauptet wird, daß nur geistig gesund sein könne, wer sich körperlich ertüchtige beziehungsweise auf leibliche Gesundheit achte. Und dummer Umkehrschluß, der nicht nur die Krüppel unter uns brüskiert.

Nun steht zwar außer Frage, daß körperliches Wohlbefinden große Vorzüge hat, doch diese Verknüpfung geistiger mit körperlicher Gesundheit als eine Bedingung ist infam. Der Satiriker Juvenal hat keineswegs geschrieben, ein gesunder Geist habe einen gesunden Körper zur Voraussetzung. Eher im Gegenteil meinte er, man dürfe sich glücklich schätzen, wenn man über beides verfüge und deutete damit an, was unsere Lebenspraxis jederzeit bestätigt, daß das Eine wohl auch ohne das Andere auskommen könne.

Reinhold Pölsler, nach eigener Aussage "Krebsberater", ist einer von Legionen, die ihrem Klientel staunenswerte Referenzen vorlegen

Aber wovon ist bei Juvenal eigentlich die Rede? Jan Steinhilber hat in seinem Studium am Institut für Sportwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz nachgelesen:

„Sollten sich die Menschen denn gar nichts wünschen?“ „Lass dir raten: Überlasse es schon den Göttern was dir zukommt und sie dir bescheren.“ „Damit du aber dennoch etwas zu erflehen hast, … solltest du um einen gesunden Geist in einem gesunden Körper beten, bete um mutigen Sinn, der sich nicht vor dem Tode fürchtet, …“

Steinhilber sieht das in:„Nil ergo optabund homines?“ „si consilium via, permittes ipsis expendere numinibus quid conveniat nobis rebusque sit utile nostris.“ „ut tamen et poscas aliquid voveasque… orandum est ut sit mens sana in corpore sano, fortem posce animum mortis terrore carentem, …“

Warum ich dieses Dinge hier überhaupt behandle?

Ich bin nach wie vor konsterniert, welche teils merkwürdigen Vorstellungen über Kunst und Kunstpraxis selbst unter Kulturschaffenden herrschen. Da wiederum erstaunen mich vor allem Leute, die das „Bildungsbürgertum“ repräsentieren, ohne sich nach wenigstens grundlegender Sachkenntnis in Fragen unserer Kultur zu sehnen.

Deswegen wird in meiner Umgebung auch Kunst meist nicht als ein zentraler menschlicher Kompetenzbereich gesehen und Kunstpraxis nicht als Profession begriffen. Das hat enorme Konsequenzen für die Kulturpolitik jenseits des Landeszentrums.

Und wenn sich jemand schon ein wenig mit Fragen der Gegenwartskunst vertraut gemacht hat, dann kann gelegentlich ein heftiges „Beuyseln“ vorkommen, eine mehr als schlampige Beuys-Exegese. Die betrifft vor allem jene Option, daß alle Menschen KünstlerInnen sein können, aber natürlich nicht müssen.

Wer den Kunstdiskurs gar nicht erst beginnen möchte, wird sich eventuell gleich einmal an Beuys vergreifen, dann ist eh ALLES Kunst und jede weitere Debatte erübrigt sich. (Foto: Rainer Rappmann 1973, GNU-Lizenz)

Falls jedoch jemand meint, Beuys habe behauptet, daß alle Menschen Kunstschaffende seien, gewissermaßen a priori, dann bitte ich um klare Quellenangaben.

Ähnliches Pannen-Potenzial hat eine andere Beuys-Kategoie. Geradezu furchterregend kommen einem ab und zu ergriffene Spießer und Mittelschicht-Trutschen daher, die sich selbst und ihre Entourage als „soziale Plastik“ verstehen, sich gelegentlich mit großer Geste dazu erklären und daraus ableiten, daß sie nun künstlerisch tätig geworden seien.

Wo aber schlichtweg ALLES zur Kunst erklärt wird, bezweifle ich, daß wir noch über Kunst debattieren können, mindestens können wir aber keine brauchbare kulturpolitische Debatte führen.

Ich habe keinen Grund, Menschen, die sich aus privater Neigung dem Kulturbereich verschreiben, etwas zuzurufen oder aufzudrängen. Aber wo Meinungsbildung sich öffentlich auf Positionen stützt, die unser Metier angreifen bzw. unsere Arbeitsbedingungen beschädigen, werden wir einige ernste Worte mit einander zu reden haben.

+) talking communities:
Martin Krusche
Kunst ist kein Reparaturbetrieb
29. Juni 2012 [link]

— [übersicht] —

ja, ja, ja, ja, ja. nee, nee, nee, nee, nee

sich mit kunst zu befassen bedeutet immer auch, sich selbst zu erkunden und zugleich das eigene verhältnis zur welt zu überprüfen. ich will zwar nicht ausschließen, daß es möglich wäre, ganz in sich UND in die kunst versunken zu sein, ohne sich auf ein weiteres bezugssystem einzulassen, aber ich kann mir so einen zustand nicht vorstellen.

meine jahrzehnte der befassung mit kunst UND ungezählte begegnungne mit kunstschaffenden haben mir ein codesystem vertraut gemacht, wie man eine fremde sprache lernt. meine wahrnehmung und mein verständnis der dinge sind davon verändert worden. deshalb frage ich nie „was ist kunst?“, sondern in manchen augenblicken bestenfalls „wann ist kunst?“ das sind immer momente der meta-ebene, denn mitten im erfahren von kunst-momenten stellt sich so eine frage nicht.

mirjana peitler-selakov (links) und sabine hänsgen

da ich gerade das thema beuys angeschnitten hab, manchmal geschieht etwas scheinbar banales, ganz nebenher, um sich in irgend einem winkel der wahrnehmung festzusetzen und sehr viel später mehr platz zu beanspruchen. das kann etwa so kommen:

„ja, ja, ja, ja, ja. nee, nee, nee, nee, nee“… das hatte ich zum ersten mal überhaupt gehört, als ich im herbst 2010 mit kuratorin mirjana peitler-selakov und sabine hänsgen von den „kollektiven aktionen“ durch gleisdorf spazierte. sabine hatte mich gefragt, ob ich das kenne und es noch einige male halblaut vor sich hingesagt.

es entstammt einer arbeit von joseph beuys, die hier kurz beschrieben ist: [link] nun habe ich im web dazu ein tondokument gefunden: [mp3-datei] diese arbeit hat etwas von einem koan. eine rationale klärung, wozu das gut sei, kann ruhig entfallen. was sich ereignen soll, ereignet sich, indem man sich darauf einläßt.

das "ubu web"

diese miniatur ist teil einer erstaunlichen sammlung von sound-files als teil des „Ubu-Web“, nämlich „UbuWeb: Sound“: [link] hier finden sich die stimmen so vieler, die im kunstgeschehen des 20. jahrhunderts bedeutung haben. es ist einerseits sehr interessant, deren stimmen zu hören, andrerseits ist diese sammlung inhaltlich eine massive anregung.

im „Ubu-Web“ sind auch filme, videos und texte verfügbar, hier sammelt eine ehrenamtlich tätige community relevantes material, in dessen fülle man sich länger verlieren kann.

was ist kunst? #19

in meinem milieu „beuyselt“ es gerade wieder heftig. damit meine ich, es ist ein vermehrtes aufkommen von berufungen auf joseph beuys festzustellen. dieses phänomen hat so eine konjunkturen. in den meisten fällen der berufungen ist es angewandte schlamperei.

wir haben bei „kunst ost“ nun schon einige zeit eine kooperationssituation mit kunstsammler erich wolf. der verdreht schnell die augen, wenn man ihm mit diesen schlampigen beuys-auslegungen kommt. wir teilen das anliegen, der gegenwartskunst mehr augenmerk und terrain zu sichern. dabei ist es sehr abträglich, wenn halbgare vorstellungen kolportiert werden, die vor allem zweierlei fördern. sie bedienen den bebend vorgetragenen appell von unsichern leute, doch bitte auch dem metier der kunstschaffenden zugerechnet zu werden. und sie ermutigen die verächtlichen, sich hinter diesem ignoranz-posten einzugraben: „das kann eh jeder!“

ich hab kürzlich in meinem logbuch eva blimlinger, die neue rektorin der akademie der bildenden künste, zitiert: „Mich nervt, dass manche glauben, wenn sie drei Versatzstücke haben, können sie alles. Das lässt sich generell auf die Kunst übertragen: Bestimmte Dinge muss man lernen, als Künstler.“ [link] was spricht bloß gegen solches lernen, gegen das vertiefen in stoffe und das klären von kontext?

robert adrian x bei einer session in wien. die kappe auf seinem kopf birgt einen hinweis darauf, daß er beuys schätzt

wenn es „beuyselt“, geht es meist dabei um den „erweiterten kunstbegriff“ im zusammenhang mit der beschreibung einer „sozialen plastik“ und um eine unterstellung, wonach beuys gesagt haben soll, jeder mensch sei ein künstler; so im sinne von kunstschaffend gleich franz sattler als fotograf, herta tinchon als malerin oder jörg vogeltanz als graphic novelist, so wie ich als autor.

es wäre natürlich völliger unfug, derlei anzunehmen. es wäre mumpitz, jahrzehnte der künstlerischen praxis für unerheblich zu halten und gelegentlich spontanes hineinschnuppern als gleiche kategorie zu deuten. dabei interessiert mich keine idee von erhabenheit oder exzellenz. es geht mir bloß darum, daß ein apfel keine birne ist und daß jede kommunikation in’s leere leäuft, wenn wir uns nicht gelegentlich rückversichern, was denn nun womit gemeint sei.

ich bin keineswegs eine autorität in der beuys-exegese, aber das getraue ich mich herzusagen: so hat es beuys keinesfalls gemeint, daß alle menschen künstler seien, sondern bloß, und das ist ja brisant genug, daß sie welche sein könnten. in einem der überlieferten gespräche (beuys, kounellis, kiefer und cucchi) heißt es etwa: „Wenn Du ein waches Auge hast für das Menschliche, kannst Du sehen, daß jeder Mensch ein Künstler ist“, was ja ganz offenbar ein nachdenken über die conditio humana ausdrückt, also auch über menschliche POTENZIALE.

ein flugzeugabsturz als schlüsselerlebnis, eine adikale auffassung des zusammenhangs von kunst und politik...

hier geht also generell um möglichkeiten der menschen und um quellen, aus denen zu schöpfen ist, auch um die frage, was denn die kunst und was künstlerische praxis sei. das rechtfertigt keinen umkehrschluß im sinne von: „alle menschen sind künstler“.

kürzlich habe ich eine veranstaltung erlebt, da wurden vor dem publikum einige leute zusammengesetzt, um ein thema zu diskutieren. dieses setup wurde zur „sozialen plastik“ erklärt und die moderatorin betonte mehrmals, daß sie, um diese aufgabenstellung zu verstärken, die gemeinten personen wie eine „reihe von perlen“ beinander halten würde.

es machte deutlich, hier wurde beuys recht schlampig so gedeutet, daß etwas herzustellen sei, was dann als „soziale plastik“ gelten dürfe, nämlich jenes grüppchen vor em publikum und die kommende debatte. ich kenne keinen hinweis, der uns nahelegt, das herstellen von etwas bestimmten könne eine „soziale plastik“ ergeben. es ist doch eher so, daß „soziale plastik“ etwas sehr viel größeres und grundlegenderes meint, etwas gesamtgesellschaftliches. in diesem sinn kann ich als künstler zwar beiträge zur „sozialen plastik“ erbringen, aber nicht ihr autor, ihr urheber sein.

ich denke, es ging beuys dabei um einen gesamten sozialen „organismus“, der (mit-) zu gestalten sei. es ist natürlich auch „gebeuyselt“, wenn ich behaupte, daß jede handlung politische relevanz habe. es weist allerhand darauf hin, daß es angemessen sein mag, in küntlerischer praxis da und dort im sinne beuys’ zu handeln, doch sich explizit auf ihn zu berufen halte ich für eitlen unsinn und eine überflüssige übung.

da mein werk und mein tun ohnehin auf den vorleistungen anderer beruhen, ist die referenz fast unausweichlich. im 20. jahrhundert haben etwa duchamp, warhol und beuys derart enormen einfluß auf die welt der (westlichen) kunst gehabt, daß mir scheint: man müßte ihren konsequenzen schon ziemlich bewußt und angestrengt ausweichen, um NICHT da und dort zu ihnen in tradition zu stehen.

das beliebte und geschwätzige „beuyseln“ hat was von den logos der sponsoren auf rennfahrzeugen, wie es dann die stutzer im alltag imitieren, wenn sie ihre golfs und audis mit markenzeichen dekorieren, um anzudeuten, daß sie schnelle und professionelle fahrer seien. nun erkennt man den schnellen und professionellen fahrer hauptsächlich an seinem fahrstil, da bedarf es keiner inszenierung. die logo-wirtschaft ist entbehrlich.

das ist dann auch in der kunst so. sie merken es gelegentlich an den einladungstexten zu vernissagen, wo sich leute hinreißen lassen, jeden gehabten sommerkurs aufzulisten, jede unerhebliche ausstellung in der letzen bankfiliale der hintersten provinz. legitimations-schinderei.

die komplexität von beuys’ werk hat eine dimension, die mich eher scheuen ließe, mich darauf öffentlich zu berufen. man muß ganz schön hoch springen können, um sich aus solchem schatten herauszubewegen. das übliche gehüpfe bringt einen da nicht voran.

p.s.:
da ich diese fotos in meinem beitrag verwendet hab: ich erinnere mich an einige sessions mit robert adrian x: [link]

hat er dabei beuys je explizit erwähnt? von sich auch nicht. bob hat allerdings ausgedrückt, daß ihm beuys und dessen auffassung von den zusammenhängen der kunst und der politik wichtig seien.

zum beispiel durch das tragen der kappe mit der aufgestickten ju 87, jenem „stuka“, in dem beuys 1944 während eines schneesturms auf der krim abgestürzt war. bob’s werk ist von beuys’ arbeit sicher markant beeinflußt. kein grund, das vor sich herzutrompeten… robert adrian x: [intelligent machines] [Zero – the art of being everywhere] [Deja Vu]

[überblick]