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Wovon handelt Kulturpolitik? #32

Was war in den letzten Monaten über unseren Lauf der Dinge herauszufinden? Das 2012er-Jahr mit seinen Spitzenwerten an Geschäftspleiten und mit allerhand außergewöhnlichen Belastungen ist abgearbeitet. Jenes Jahr der Konsequenzen aus den weltweit krisenhaften Entwicklungen von 2008/2009 hat zu einigen Veränderungen geführt, aber es hat uns nicht vom Tisch gewischt.

Festival-Station in Pöllau bei Makrt Hartmannsdorf

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Was wir derzeit wissen

Wirtschaftslandesrat Christian Buchmann, zugleich Landeskulturreferent, spricht über die Region, spricht darüber mit Funktionstragenden aus der Region, und erwähnt dabei eine Reihe positiver Aspekte.

Kunst- und Kulturschaffende der Region auf gutem Weg, um in neuer Weise ernst genommen zu werden.

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Arbeit am Konsens

Der „Kulturpakt Gleisdorf“ ist nun ein „Ereignisfeld“ geworden, auf dem kulturpolitische Entwicklungsschritte in eine sehr spannende Phase kommen, weil auf regionaler Ebene derzeit so viele offene Variable bestehen, daß auch auf Landesebene noch keine Tendenzen ablesbar sind, was unser oststeirisches Gefüge angeht.

Gleisdorfs Bürgermeister Christoph Stark (links) und City-Manager Gerwald Hierzi

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Umbruch: Aufwertung des Kulturbereiches

Hat es sich langsam herumgesprochen? Eine wichtige Herausforderung lautet für uns derzeit: Aufwertung des Kulturbereiches in einer Abwärtsbewegung der Budgets. Das Szenario hat zwei Hauptereignisse, die sich belastend auswirken:
a) Die kommenden Gemeindezusammenlegungen (Zum 31.12.2014 ein gesamtsteirisches Faktum)
b) Das kommende steirische Doppelbudget 2013/2014

Die unausweichlichen Reduktionen des Landesbudgets (um den Maastricht-Kriterien zu entsprechen) werden unabsehbare Konsequenzen für die Kommunen haben. Gerade der Kulturbereich ist von einem Verlust an Priorität bedroht, wie wir das schon 2009 österreichweit erfahren mußten.

Wovon ist da eigentlich die Rede? Das öffentliche Defizit darf 3% des Brutto-Inlandsproduktes (BIP) nicht übersteigen. Der öffentliche Schuldenstand darf maximal 60% des BIP erreichen etc. Zu den Maastricht-Kriterien siehe: [link]

Fit für Dialoge: Gemeinderat Karl Bauer

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Unruhe durch Umbrüche

Der Informationsabend zum Thema Gemeindezusammenlegungen war von einer Brisanz, die ich weit unterschätzt habe. Vor allem war mir nicht klar, wie bald schon neue Faktenlagen auf gesetzlicher Ebene den Zustand der Steiermark verändern werden. Der Tag steht inzwischen fest. Es ist der 31.12.2014.

Angesichts der Tatsache, daß Fusionen kommen werden und auch gegen Widerstände durchgesetzt werden sollen, erscheint es mir etwas gespenstisch, wie wenig öffentlicher Diskurs in der Sache bisher stattfindet. Die Konsequenzen dieses Prozesses und seiner Ergebnisse werden auch für uns Kulturschaffende fundamental sein.

Bürgermeister Christoph Stark (links) und Kunstsammler Erich Wolf beim Diskussionsabend zum Thema "Gemeindezusammenlegung"

Vor allem aber werden unsere langjährigen Bemühungen dort leiden, wo wir auf Kooperationen mit den Gemeinden aus sind, denn wo Unfriede und womöglich Konfusion herrschen, bekommt der Kulturbetrieb als erstes Schläge und Abfuhren. Das haben die letzten Jahre deutlich gezeigt.

Der erste Teil meine Notizen zu einem der Diskussionsabende ist im Projekt-Logbuch zusammengefaßt: [link]

Ich bin durchaus beunruhigt und meine, wir sollten uns wappnen, vor allem aber in der Netzwerkbildung und in praktischen Kooperationen vorankommen. Ähnliche Unruhe kommt nämlich längst auch in den diversen LEADER-Managements auf, weil schon eine Weile klar ist, daß die steirischen LEADER-Regionen beizeiten über Fusionen in der Anzahl verringert werden.

Auch diese Unruhe betrifft uns, weil es eine neue LEADER-Periode geben wird, für die der Pionierbereich „LEADER Kultur“ in die Gänge kommen muß, um weiter in diesem Rahmen arbeiten zu können.

Historiker Robert F. Hasumann beim Diskussionsabend zum Thema "Gemeindezusammenlegung"

Ich hab allerdings auch gute Nachrichten auf Lager. Seit heute ist klar, daß kunst ost eine Kooperation mit dem BG/BRG Gleisdorf [link] eingeht, um, den Themenschwerpunkt „Frauen und Technik“ längerfristig zu bearbeiten. Unsere Kuratorin Mirjana Peitler-Selakov und Schulleiter Nikolas Schweighofer haben sich eben über Details geeinigt. (Zum Themenschwerpunkt „Tech_Lab“ siehe:Gleisdorf als Angelpunkt!)

Von unserem kommenden Kunst-Symposion hab ich schon mehrfach erzählt. „Regionalität und Realität // Globalität und Virtualität“ wird am 7. und 8. September dieses Jahres in Gleisdorf stattfinden. Außerdem will sich die Grazer Geschichtswissenschaft in das regionale Kulturgeschehen der Steiermark einbringen; davon habe ich im Beitrag „Kulturgeschichte und Kulturgeschehen“ berichtet: [link]

Dabei fiel mir auf, daß es zwischen diesen beiden Themenkomplexen vielleicht Schnittpunkte geben könnte, die eventuell das Potential für eine längerfristige Kooperation hätten. Um das herauszufinden, werde ich in den nächsten Tagen mit Kunstsammler Erich Wolf und mit Historiker Robert F. Hausmann ein gemeinsames Arbeitsgespräch führen.

Es muß überhaupt erst einmal abgeklopft werden, was diese meine Idee taugt, aber ich bin eigentlich sehr zuversichtlich, daß wir mindestens auf einige relevante Fragestellungen kommen, die uns für das regionale Kulturgeschehen interessieren, daraus könnten sich dann auch durchaus ein paar gemeinsame Aufgaben ableiten lassen. Schauen wir einmal, dann sehn wir schon.

kunst ost: reflexionen #5

Kulturelles Engagement auf der Höhe der Zeit

Aber nun kurz zurück zu den klar erinnerbaren Anfängen von kunst ost, in erster Schreibweise noch kunst O.ST, was auf den Regionsbegriff „Oststeiermark“ verwies. Rückblickend läßt sich ein Abend konstituierender Ereignisse markieren. Der 6. März 2007: [link]

Wir hatten bei kultur.at zu der Zeit eine Kooperation mit dem Festival steirischer herbst erreicht, um so im Herbst 2007 einen Kunstakzent von internationaler Relevanz zu realisieren. Der Auftakt dazu war für 16. März festgesetzt: [link] Im Mai folgte, als Zwischenschritt, die kleine Ausstellung „Nobody Want’s To Be Nobody“.

Veronica Kaup-Hasler (steirischer herbst, links) und Mirjana Peitler-Selakov (kultur.at, Mitte) bei der Eröffnung in Gleisdorf

Das eingangs erwähnte Treffen vom 6. März hatte ich als eine Einladung an regionale Kräfte konzipiert, mit einem Auftritt an die Herbst-Geschichte anzudocken und ein Gesamtereignis herbeizuführen, in dem internationale und regionale Kräfte in Wechselwirkung kamen.

Das war also 2007 gewissermaßen die Vorläufersituation zum aktuellen Programmschema, in dem diese zwei Positionen allerdings heute geteilt sind: Regionale Kräfte im ersten Halbjahr (April-Festival), internationaler Kontext im zweiten Halbjahr.

Ende März 2007 hatte ich außerdem noch ein Gespräch in Weiz erwirkt, bei dem wir eine mögliche Kooperation Kulturschaffender quer durch die Region erörterten: [link] Das war die kulturpolitische Ebene; mit einigen Konsequenzen, die ich damals nicht einmal geahnt habe, denn es sollte später noch für erhebliche Unruhe sorgen, daß unser Arbeitsansatz der regionalen Kulturpolitik ganz neue Optionen zumutete: [link]

Gleisdorfer Kunst- und Kulturschschaffende beim ersten 2007er-Treffen, das zu kunst ost führte

Für die Ebene der primären Kräfte hatte ich einen „Dreisprung“ vorgeschlagen. Es ging mir darum, daß wir in drei festgelegten Schritten innerhalb von drei Jahren die praktische Kooperation üben konnten und innerhalb der Region schrittweise wachsen würden; falls alles gut ging. Die „1 von 3“ trug den Titel „next code: flow“ und ging im November 2007 auf dem Weizberg über die Bühne: [link]

Mit der „2 von 3“ im Jahr 2008 waren wir bei den konzeptionellen Grundlagen des April-Festivals angelangt: [link] 2009 folgte die „3 von 3“ und 2010 hatte ich mit der ganzen Geschichte einen Status quo erreicht, der uns neue Möglichkeiten bot, weil kunst ost inzwischen zu einem LEADER-Kulturprojekt geworden war; weshalb wir es aus kultur.at auslagerten und als eigenständige Rechtsperson aufstellten. Hier eine kleine Zusammenfassung dieser Schritte: [link]

Von links: Winfried Kuckenberger (Kulturbüro), Christoph Stark (Bürgermeister) und Hannes Felgitsch (Kulturreferent) vertraten das "offizielle Gleisdorf" beim Weizer Treffen

Ich denke, einer der wichtigsten Aspekten dieses Prozesses lag darin, regionale und internationale Kräfte in ein Wechselspiel zu bringen, so daß für die Kreativen in der Region neue Impressionen und Erfahrungen zum fixen Bestandteil unseres gemeinsamen Tuns wurden. Außerdem haben wir im kulturpolitischen Bereich eingelöst, was die Kommunen seit Jahren offiziell erwarten und erbitten: „Bürgerbeteiligung“, Bürgerinnen selbstverständlich eingeschlossen. Genau dieses Einlösen des Bottom up-Prinzip hat uns allerdings in manchen Gemeindestuben auch erhebliche Widerstände beschert.

Ich hab vor fast genau einem Jahr, beginnend am 21. März 2011, kurz zusammengefaßt, wo wir damals gerade mit kunst ost standen: [link] Es war das „Krisenjahr“, in dem die bestürzenden Budgeteinbrüche der Kommunen voll zur Wirkung kamen. Die weltweiten Krisen von 2008/2009 hatten voll zu uns durchgeschlagen, gerade im Kulturbereich wurde bedenkenlos gekürzt.

Ich habe in sehr schöner Erinnerung, was uns als Kollektiv in diesem schwierigen Jahr gelungen ist. Für mich steht außer Zweifel, daß wir diese Ergebnisse heuer bestätigen und stabilisieren können. Nächstes Jahr wird die aktuelle LEADER-Periode enden. Diesen Zusammenhang möchte ich noch kurz erläutern.

Wir sind in einer LEADER-Region, der Energie-Region Weiz-Gleisdorf (Oststeiermark), angesiedelt. Deshalb haben wir eine grundlegende Themenstellung formuliert, die ausdrückt, was hier prägend erscheint: „Zwischen Landwirtschaft und High Tech“. In diesem Gesamtzusammenhang entfalten wir seit Jahren unsere Aktivitäten.

Was diese Region angeht, finden Sie hier weiterführende Details: [link]

Auf dem Weg zum überhaupt ersten LEADER-Kulturprojekt des Landes im Jahr 2009 hatte ich die erhebliche Freiheit, daß mir niemand sagen konnte, wie zu verfahren wäre. Es gab ein interessantes Regelwerk, das sich von der Landesebene her aus a) Sonderrichtlinien und b) einem eigenen Arbeitspapier zusammensetzte:
a) Aktionsprogramm Achse 4 LEADER [Link]
b) Sechs Punkte zum Kulturgeschehen (Gerald Gigler) [link]

Es gab meine eigenen Erfahrungen aus der Praxis mit kultur.at und dem künstlerischen Langzeitprojekt the long distance howl, dessen damaliger Abschnitt unter dem Titel next code der Suche nach neuen Codes und Vorgangsweisen im Kunstkontext gewidmet war: [link]

Ich hatte außerdem seit den 1980ern meine Erfahrungen mit den Ideen eigenständiger Regionalentwicklung. Von da her war klar, daß jenseits des Landeszentrums noch keinerlei kulturpolitische Konzepte bestanden, die über Gemeindegrenzen hinausreichten; wenn wir vom Veranstaltungstyp „Landesausstellung“ und dessen Folgekonzept „regionale“ absehen. Aber die sind beide top down angelegt. Mich interessierte, was für einen Künstler bottom up möglich wäre…

[kunst ost: reflexionen]

auf die nächste ebene

im vorfeld hatte es die frage gegeben: „wie hast du es geschafft, daß der buchmann herauskommt?“ ich konnte ein wenig angeben und sagen: „ist gar nicht so schwer gewesen.“ gut, das sind spielchen. nein, das ist nicht ganz nebensächlich. zur erläuterung: christian buchmann ist steirischer landeskulturreferent und wirtschaftslandesrat. er war gestern zu einem arbeitsgespräch nach gleisdorf gekommen.

ich habe als kunst- und kulturschaffender zwei grundlegende anliegen an leute aus politik und verwaltung:
a) gehört zu werden und
b) sachkundige gegenüber für arbeitsgespräche zu finden.

von links: sigrid meister (kustodin des „museum im rathaus“), winfried kuckenberger (leiter des büros für kultur und marketing), karl bauer (sachpromotor unserer „tage der agrarischen welt“) und gerhard flekatsch (kulturprojekt „bluethenlese“)

manchmal bin ich erneut überrascht, wie viel vorarbeit es ist, für ein komplexeres meeting die eigenen optionen aufzubereiten, so daß kommunizier- und verhandelbar ist, was wir anstreben und wie es erreicht werden soll. mir lag daran, personen der drei sektoren staat, markt und zivilgesellschaft an einen tisch zu bekommen. es ging darum, modi zu klären, wie eine kooperation von leuten aus diesen drei sektoren gestaltet sein solle, um längerfristig eine stabile arbeitssituation für kunst- und kulturschaffende zu erreichen.

landesrat christian buchmann: „warme stube richte ich zur zeit keinem. ansonsten bin ich für vieles offen.“

um diese fragen zu debattieren, hatte ich auch alois reisenhofer, den kulturreferenten von gleisdorf, an den tisch gebeten. und winfried kuckenberger, den leiter des büros für kultur und marketing, der sigrid meister, die kustodin des „museum im rathaus“, mitgebracht hatte. bürgemeister christoph stark hatte sich ebenfalls zeit genommen.

die drei sektoren, also politik & verwaltung, wirtschaftsbetriebe und deren metabereich sowie — in unserem fall der zivilgesellschaft — vor allem kunst- und kulturschaffende. worin und wofür können wir abschnittweise an einem gleichen strang ziehen? wie vermeiden wir das feststecken in bewährten klischee-ensembles, über die kaum mehr als bloß ein starkes gefälle produziert wird? unterm strich bleibt ja auch die frage, ob und unter welchen bedingungen uns ein umgang miteinander gelingt, der von begegnungen in augenhöhe geprägt ist.

alois reisenhofer (gleisdorfs kulturreferent) und maren spitzer-diemath (büro buchmann)

es waren demnach diese aspekte unterzubringen UND konkete, projektbezogene fragen, inhaltliche aspekte eines kulturgeschehens jenseits des landeszentrums, in dem überdies die gegenwartskunst an boden gewinnen kann. nicht weniger wollte ich bei diesem treffen auf dem tisch haben. damit ist auch klar gewesen, das konnte nur der AUFTAKT einer serie von treffen sein, in denen dieses komplexe paket bearbeitet wird.

arbeitstreffen, die eben zunehmend davon geprägt sein sollen, daß leute aus politik, verwaltung, wirtschaft und zivilgesellschaft a) gemeinsame fragen finden, b) daraus gemeinsame aufgabenstellungen beziehen, was c) zu gemeinsamen vorhaben führen soll. das betrifft unter anderem strukturen und bedingungen, in denen sich AUCH das kunstschaffen ereignen kann. aber hier muß klarheit bestehen, daß die kunst kein werkzeug der sozialarbeit, des tourismus oder anderer metiers ist.

bürgermeister christoph stark (links) und landesrat christian buchmann

es sind die gemeinsamen fragen und aufgabenstellungen, zu denen sich kunstschaffende mit ihren mitteln einbringen können, ohne daß die künstlerische praxis selbst in einen werzeugkasten für andere zwecke gepackt wird. ich stelle fest, daß diese nötige trennschärfe von den funktionären am tisch ansatzlos verstanden wurde, während sie unter uns kultur- und kunstschaffenden als thema nicht gar so präsent ist.

das berührt übrigens aspekte, wo ich mit künstler gerhard flekatsch einig bin: wir haben in unserem metier noch viel zu wenig antrengung darauf verwandt, breiter klar zu machen, wovon genau unsere profession eigentlich handelt, welche bedingungen sie hat und was genau sie zu leisten imstande ist, was andrerseits ausgeschlossen bleiben muß.

das macht wohl auch gelegentlich die verständigung mit leuten aus anderen metiers etwas schwierig. selbstreferenzielle wanderlegenden über das dasein als künstler nutzen uns dabei am allerwenigsten. wenn ich noch einrechne, wie wenig basiswissen selbst in gebildeten kreisen zu fragen des kunstbetriebes stellenweise vorzufinden ist, halte ich es für einigermaßen dringend, in diesen angelegenheiten langsam auf stand zu kommen. (oder doch etwas schneller.)

zur praxis des „bottom up-prinzips“

der begriff „bottom up“ steht in der regionalpolitik für „bürgerbeteiligung“ und für „von der basis her“. das finde ich nun seit jahren in vielen papieren („regio next“, „leader“, „lokale agenda 21“ etc.) als wichtige anforderung, die in der kommunalpolitik beachtet werden möge. aber was bedeutet das in der praxis?

wir loten das in gleisdorf nun seit einigen jahren aus. zugegeben, ich komme damit nicht annähernd so zügig voran, wie ich es mir wünschen würde. woran mag das liegen? man kann natürlich pech haben und in einer gemeinde leben, wo sich alte funktionärsherrlichkeit massiv gegen eine praxis der bürgerbeteiligung abschottet. solche fälle gibt es, sogar hier in nächster nähe. in gleisdorf ist das zum glück nicht so.

eine meiner wichtigsten erfahrungen in diesen zusammenhängen ist die wachsende klarheit, daß politik und verwaltung gegenüber dem alltagsleben, wie ich es kenne, von grundsätzlich anderen konventionen und prioritäten geprägt sind, was vor allem bedeutet: kommunikation ist knifflig.

politik und verwaltung an einem arbeitstisch mit mir; von links: kulturbüro-leiter winfried kuckenberger, bürgermeister christoph stark und kulturreferent alois reisenhofer.

unterm strich kommt das freilich auf einige aspekte herunter, die in jeder banalen beziehung zu einem ende oder zu neuen ufern führen können. einer dieser aspekte: haben wir genug zeit und gelegenheit, um uns darüber zu verständigen, was wir von einander verstanden haben?

eine andere, sehr grundlegende erfahrung besagt: es braucht zeit!

diese prozesse, aus denen auf den feldern der kultur und der regionalpolitik KOOPERATION entstehen kann, in der man einander in AUGENHÖHE begegnet, lassen sich über kein knie brechen und sind nicht beliebig beschleunigbar. zeit ist ein enorm wichtiger faktor. (wir müssen also herausfinden, wie sichergestellt werden kann, daß uns weder geld, noch langer atem ausgehen.)

ich hab bei verschiedenen gelegenheiten betont, an dieser gesellschaft mißfalle mir zur zeit vor allem zweierlei: stagnation und rasender kompetenzverlust. ich bin nicht der einzige, dem das aufstößt. da wir eben eine kulturdebatte hatten, fand ich bemerkenswert, wie einhellig meine drei gesprächspartner – bürgermeister, kulturreferent und kulturbüro-leiter – jene tendenz zur „eventitis“ kritisiert haben, in der bei EVENTS ein immer höherer aufwand nötig sei, um menschen zu mobilisieren, wobei es in diesen abläufen kaum noch möglich erscheine, INHALTE zur debatte zu bringen.

das ist nun ein fragenkomplex, den wir teilen, wie unterschiedlich auch sonst unsere prioritäten sein mögen. etwa diese frage: wie können wir menschen gewinnen, sich auf relevante themen einzulassen und sich damit nachvollziehbar auseinanderzusetzen? das sind unter anderem soziokulturelle agenda.

da fallen auch fragen nach kommunikationsstrategien und verfahrensweisen im umgang miteinander an. ausdrücklich NICHT, um einander schönfärberei anzudienen oder die jeweils anderen ansichten zu „verkaufen“. ich war angenehm überrascht, wie sehr genau dieser punkt unter uns verschiedenen leuten als konsenstauglich erschien: über relevante themen der region ins gespräch kommen.

kunst hat ihre eigenen regeln und strategien in ihrem verhältnis zur gesellschaft (die ausstellung von ulla rauter im rahmen des „frauenmonats“ von „kunst ost“)

das sind ja auch zusammenhänge, wo kunstschaffende themen und anlässe finden, mit ihren bevorzugten mitteln stellung zu beziehen. die kunst nicht als „angewandte solzialarbeit“, als wellness-faktor oder dekorationsgeschäft, auch nicht als „quotenbringer“ für das tourismus-büro, sondern als ganz eigenständige disziplin mit ihren eigenen regeln; aber die kunstschaffenden als mitmenschen, die auf ihre umgebung einfallsreich reagieren.

was zur zeit die vorrangigen probleme der region sind, halte ich für evident. strukturelle und budgetäre schieflagen werden durch kommunikations-hemmnisse und eine reihe anderer defizite verschärft. etliche standortnachteile haben geschichte und tradition. der problemkatalog wurde mehrfach abgefaßt und ist evident. aber was schließen wir daraus? und was gedenken wir zu tun?

derlei dinge debattiere ich im kontext von kunst und kultur gerade mit funktionstragenden aus politik und verwaltung. ich will herausfinden, wie ein „bottom up-modell“ in der praxis angelegt sein muß, um funktionieren zu können. ich will verstehen können, wo teilweise die kommunikation zwischen
a) politik und verwaltung und
b) zivilgesellschaft klemmt.

dazu ist es einigermaßen hilfreich, die konzepte und prioritäten der jeweiligen gegenüber zu kennen. so hab ich kürzlich erfahren, bürgermeiszter christoph stark habe ein konzept für die „region gleisdorf“ verfaßt und den funktionstragenden der kommunen zur diskussion gestellt.

es ist ja nicht so, daß politische papiere immer als „geheimdokumente“ gehandelt werden. ich bekomme auf anfrage meistens die gewünschten unterlagen, deren kenntnis ich für wichtig halte

solche arbeitspapiere werden nicht grade am schwarzen brett ausgehängt. aber wenn ich darum frage, bin ich noch selten enttäuscht worden. ich halte es für vorteilhaft, intentionen und arbeitsansätze der politik auf wunsch möglichst detailliert erfahren zu können.

ich schätzte es auch sehr, wenn nicht ignoriert wird, daß ich darüber dann eventuell ein gespräch führen möchte; sei es, daß ich einwände vorzubringen habe, sei es, daß ich etwas davon aufgreifen möchte.

april-festival: rundgänge

eine zweite führung durch gleisdorfs innenstadt, entlang der stationen des „april-festivals“, war von „irischen momenten“ geprägt. (ein gang durch belfast würde einen gelegentlich in wiederkehrende regengüsse geraten lassen, aber auch sonne und nebenbei einigen wind bescheren.)

fotograf franz sattler in allwetter-ausstattung

nina strassegger-tipl lotste die gäste zu den einzelnen stationen. diese weise, den alltag der menschen zu bespielen, geht übrigens auf eine konzentrierte form zurück, die wir vor einigen jahren als jene kompakte „bühne“ zu gestalten versuchten, die sich anlaßbezogen und temporär in der stadt entfalten möge. ich nannte das damals aufgrund der form der route „gleisdorf: ein L für die kunst“ [link]

die aktivitäten von „kunst ost“ handeln unter anderem von einem kontinuierlichen vertiefen der erfahrungen, wie wir mit der kunst auf einem terrain bestehen können, das nicht primär der kunstvermittlung gewidmet ist.

nina strassegger-tipl (links) und gleisdorfs bürgermeister christoph stark

darin hat gleisdorf allerdings eine besondere ausnahme. das „museum im rathaus“ ist sicher der attraktivste ausstellungsort in der region.  dort waren wir etwas spät am tage angelangt, weil es als schlußpunkt der runde angelegt ist. der arbeitstag im rathaus hatte längst geendet.

malerin irmgard hierzer (mitte) bei der erläuterung der arbeiten von michaela knittelfelder-lang

dabei machten wir die kuriose erfahrung, was geschieht, wenn das museum schon „scharf gemacht“ wurde. ein bewegungsmelder sprang auf uns an und im haus, außerhalb des hauses sowie im anschließende café ging ein ohrendbetäubender alarm los.

die geschichte endete mit einer plauderei, bei der uns zwei freundliche polizisten und ein mitarbeiter der gemeinde gegenüber standen. bürgermeister christoph stark, der sich zu der zeit schon bei freunden befand, um seinen geburtstag zu feiern, meinte, als ich ihm von unserem malheur berichtete, lachend: „ist mir auch schon passiert.“

[april-festival]

kunst ost in der praxis #4

es macht mir erhebliche freude, daß einige leute der „kunst ost“-community so genau verstanden haben, was zeichen der zeit sind und wie wir einige der defizite kompensieren können, welche uns durch aktuelle sparmaßnahmen verursacht wurden. dieses „april-festival“ ist ausdruck einer aktiven und einfallsreichen reaktion auf die budgetprobleme des landes und der kommunen.

gleisdorfs kulturreferent alois reisenhofer und kulturmanagerin nina strassegger-tipl (kulturreferent ist ein politisches amt, das von einer verwaltungsaufgabe unterschieden werden muß)

das bedeutet definitiv nicht, hier hätten bürgerinnen und bürger sich aufgerafft, politik und verwaltung aus ihren aufgaben zu entlassen. aber wir haben schon vor einer weile begonnen, neue modi und möglichkeiten der kooperation zu entwerfen, zu verhandelt und zu erproben.

im beitrag #2 zum thema „kunst ost in der praxis“ habe ich skizziert, welche situation der gemeinderat uns zeigt. gleisdorf, das muß betont werden, steht augenblicklich – im vergleich zu anderen gemeinden – noch ungewöhnlich gut da. und weil die fraktionen offensichtlich die situation möglichst stabil halen möchten, wurde in einigen bereichen kräftig auf die bremse gestiegen. das haben auch wir schmerzlich zu spüren bekommen.

winfried kuckenberger leitet das gleisdorfer "büro für kultur & marketing", repräsentiert also die VERWALTUNG, während kulturreferent reisenhofer für die POLITIK steht; das sind zwei verschiedene instanzen

auf der anderen seite ist allerdings ein ansatz gegeben, mit politik und verwaltung der stadt neue kooperationsweisen auszuloten. das nimmt uns leider nicht die bürde der erheblichen kürzung von mitteln, von ressourcen. da geht’s also nicht bloß um cash. in der „kleinen zeitung“ war eben zu lesen: „Denn, so Stark, sehr viele Serviceleistungen würden von der Gemeinde freiwillig erledigt, die eigentlich gar nicht Aufgabe der Gemeinde wären.“ gleisdorfs bürgermeister christoph stark bevorzugt klartext; siehe: „Soll die Gemeinde so viel helfen?“ [quelle]

wie läßt sich die veränderung also handhaben? wie lassen sich die aktuellen defizite kompensieren? ich hab im beitrag #3 das denkmodell von den „drei sektoren“ erwähnt: 1) staat, 2) markt und 3) zivilgesellschaft. ich bemühe mich, kooperations-situationen zwischen leuten aus diesen drei bereichen herbeizuführen: 1) politik &/ verwaltung, 2) wirtschaft und 3) privatpersonen, vereine etc.

gemeinderat karl bauer (links) und bürgermeister christoph stark repräsentieren zwei bereiche der politik der stadt

das „april-festival“ ist gewissermaßen unser „labor“ für diese perspektive. wie und wodurch können wir politik und verwaltung bewegen, in unsere vorhaben zu investieren? was führt dazu, daß wirtschaftstreibende sich auf unsere projekte einlassen? es scheint ansatzweise so zu gehen: relevante themenstellungen, prozeßhafte arbeit, also auch: kontinuität, ein mindestesmaß an selbstorganisation, also auch: selbstverantwortung, all das in einem zusammenwirken von hauptamt und ehrenamt, also von bezahlter und unbezahlter arbeit.

das bedeutet in summe, den stellenwert von kooperationen höher anzusetzen und teilbereiche zu professionalisieren; im sinne von: engagement und abläufe etwas effizienter gestalten, damit die knapperen mittel besser genutzt werden können.

mir ist aufgefallen, daß manche unserer leute keine trennschärfe zwischen künstlerischer praxis und vermittlungsarbeit aufbringen. so habe ich etwa die kuriose vorhaltung gehört, eine themenstellung würde die „künstlerische freiheit“ einchränken. oder ich erlebe, daß eine künstlerin jemandem im projekt für ihre dienstmagd hält und entsprechend fordernd agiert, ohne selbst etwas erkennbares für das „größere ganze“ beizutragen.

diese unschärfen werden sich noch abarbeien lassen. wie angedeutet, es ist zweierlei, a) als kunstschaffende ein werk zu erarbeiten und b) sich für die kunstvermittlung, die publikation von werken zu engagieren, also etwas beizutragen, damit es so ein kulturfestival gegeben kann, eine serie von veranstaltungen, die koordiniert, organisiert und beworben werden müssen.

ich schreibe hier von zweierlei: von momenten kollektiver kreativität und von zukunftsträchtigen kooperationen engagierter leute aus den drei erwähnen sektoren. die individuelle künstlerische position und freiheit bleibt davon ja unbelastet. als freelancer weiß ich gut genug, daß marktlage und kulturpolitischer status quo natürlich großen einfluß auf meine individuelle situation haben, daß meine möglichkeiten als freischaffender künstler davon sehr wesentlich mitbestimmt werden.

aber eine „regionale kulturpolitik“, die über einzelne gemeindegrenzen hinausreichen würde und mit deren funktionstragenden wir unsere bedingungen verhandeln könnten, gibt es noch nicht. vielleicht bietet das „labor april-festival“ einen ansatz dazu …

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