Schlagwort-Archiv: the track

Pop: Die Schwelle

Die von Ereignissen sehr dichten letzten Tage habe nun den Abschnitt The Track: Pop herauskristallisiert, der auf The Track: Axiom folgt. Das ist ein weiteres Kapitel in meinem Langzeitprojekt The Long Distance Howl, welches 2013 ein erstes Jahrzehnt Laufzeit abgerundet hatte.

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Next Landscape

Wir haben im Jahr 2007 unsere erste Kooperation mit dem Festival „steirischer herbst“ realisiert. Das war die Vorläufer-Phase von „the track“, welche damals unter dem Titel „next code“ lief. Die Grundüberlegung jener Phase hatte ich an der Tatsache festgemacht, daß wir im 20. Jahrhundert die Codes des 19. ausdifferenziert und gründlich erprobt hatten, was auf der Schattenseite vor allem mit zwei Orten verbunden ist: Auschwitz und Srebrenica.

Milan Bosnic

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Zwischen den Ebenen pendeln

Winfried Lehmann hat jetzt so weit Klarheit, daß seine „kunst ost“-Location Crew in Ludersdorf als konstituiert gelten darf. Er ist die Schlüsselperson eines Kreises Kreativer, die nun in gemeinsame Praxisschritte gehen. Details wird er zu einem späteren Zeitpunkt seines Projektverlaufes bekannt geben. Lehmann im Web: [link]

Winfried Lehmann schafft in Ludersdorf eine neue kulturelle Faktenlage

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The Track: Strecken und Spuren #2

Der Abschnitt, den wir erreicht haben, ist von meiner Seite her einem künstlerischen Vorhaben gewidmet, für dessen Realisierung ich mindestens ein Jahrzehnt angesetzt habe. Dieses Jahrzehnt ist bald voll. Der „Generaltitel“ lautet „the long distance howl“. Ich habe das in „Büchern“ und „Kapiteln“ gedacht, weil diese Art des strukturellen Ordnens mir als Autor und als Lesender tief vertraut ist.

Das aktuelle „Buch“ trägt den Titel „the track“, was „Die Strecke“ bedeutet. Das handelt von einer RÄUMLICHEN Dimension und realen Ereignissen, die ich in diesem definierten Raum initiiere. Das älteste Dokument im Web, welches zu diesem Gesamtvorhaben noch zu finden ist, stammt aus dem Jahr 2003. Es trägt den Titel „the long distance howl“ (art under net conditions: worldwide) [link]

Darin ist ein Mann gewürdigt, der Pinochets Folter-Camps überlebt hat, der ein Liebhaber der Literatur und Künste ist, der Chiles Botschafter in Wien war, als wir uns begegneten. Von ihm erhielt ich sehr wesentliche Impulse zu diesem Vorhaben. Ende 2003 habe ich einige Hintergründe von „the long distance howl“ in einem kleinen Text zusammengefaßt: „Verschluckt“ (Neue Räume, alte Träume) [link]

Darin ein William Gibson-Zitat: “Lichtzeilen, in den Nicht-Raum des Verstandes gepackt, gruppierte Datenpakete. Wie die fliehenden Lichter einer Stadt.” Was wir später als Internet und „Cyberspace“ kennenlernten, was in Gibsons Literatur die „Kyberspace-Matrix”, von “knisternder Stille” belebt. Zu diesen radikalen Erfahrungen holte ich mir in meinem Projekt einen starken Bezug zum Realraum, da vor allem zum öffentlichen Raum, zurück.

Die Bahntrassen in der Oststeiermark sind ein greifbares Bezugssystem dieser ganzen Geschichte. Ausgangspunkt waren verschiedene Debatten über aktuelle Vorstellungen vom öffentlichen Raum und wie er sich zum privaten Raum verhalten würde. Ein Ergebnis dieser Prozesse war die frühe Phase unseres Avantourismus’.

Das erste avantouristische Dokument stammt vom Jänner 2005: [link] Gleich darauf war klar, daß ich ein Symposion in einem fahrenden Zug realisieren werde, von Graz, quer durch die Oststeiermark nach Wien: [link]

Zu diesen Ereignissen gehören auch Reflexionen wie „Unzusammenhängende Gedanken zu Mobilität und individuellen Rechte“ von Politologin Monika Mokre: [link]

Im Sommer 2004 begannen meine kleinen Wanderschaften entlang der Bahnlinie durch die Region, ausgehend von einer Debatte mit dem serbischen Künstler Mihael Milunovic: [link]

Das hatte sich 2003 über ein Konzept mobiler Kunst- und Vermittlungspraxis ergeben, deren genauere Zusammenhänge ich hier kurz skizziert habe: [link] So war ich zu meinem Langzeitprojekt „the long distance howl“ gekommen, über das 2003er-Projekt „die verschwundene galerie“: [link]

Das hatte wiederum seine 2002er-Vorgeschichte in der „praxiszone kunstraum gleisdorf“, wo im Bereich „Neue Räume“ zu erörtern war, was abseits des Landeszentrums Orte der Kunst sein könnten, aber auch generell, was im „Medienzeitalter“ nun der öffentliche Raum und der private Raum sei, wie sich beide zu einander verhielten…

[Überblick]

The Track: Strecken und Spuren

Künstlerische Praxis ist eine Praxis des symbolischen Denkens, ist ein Arbeiten mit Codes, ist ein Zuschreiben von Bedeutungen, ist ein Ausloten von Zusammenhängen und deren Deutung in Akten von Definitionsmacht. Klar? Klar! Ich mußte den Satz dann selber zwei mal lesen, um sicher zu gehen, daß er auf den Punkt kommt, den ich gerade vor Augen habe.

Winfried Lehmann (links) und Christian Strassegger südwärts im 1931er Triebwagen

Manche Sätze, Abschnitte, Seiten, ganze Texte muß ich öfter als zweimal lesen, um mir zugänglich zu machen, wovon sie handeln. In solchen Zugängen ist auch eine Landschaft für mich Text. Ich durchmesse Terrain gerne im Legen von Strecken, also im Gehen oder Fahren. Dabei erahne ich Spuren von getanen Taten und gelebtem Leben. Das ist eine Art des Erschließens von Geschichte.

Kürzlich machten wir eine kleine Strecke, auf der es sich ergab, daß wir unerwartet in einem 1931er Triebwagen saßen, mit dem wir etwa die Hälfte der Route absolviert haben. Das heißt, wir waren in ein Artefakt gepackt, das einer radikalen Ära entstammt, in der eine Mischung aus technologischen Veränderungen und Ideologie begann, das Antlitz der Welt zu ändern; in einem wörtlichen, physischen Sinn.

Ich denke, es sind uns heute weder die genauern Zusammenhänge präsent, noch die Kontinuität vor Augen, in der sich das vollzogen hat, in der sich das an uns manifestierte. Ich streue in polemischer Verkürzung einen Satz ein, an dem wir noch viel Arbeit haben werden: Die aktuelle Krisensituation ist vor allem auch eine Krise des Fordismus; genauer: Die umfassende Krise einer fordistischen Kultur.

Kleiner Einschub:
Der Begriff Fordismus wurde von Henry Ford und seinen unternehmerischen Konzepten hergeleitet: [link] Eva Kreisky faßt zusammen: „Merkmale eines fordistischen Systems sind Massenproduktion in der Kombination mit der Schaffung von Massenkaufkraft, bzw. -konsum, Vollbeschäftigung und Sozialstaat sowie eine institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen Kapital und Arbeit in einer Industriegesellschaft. All dies ist vom Staat zu garantieren.“

Es ist demnach kein Zufall, daß ich im Teilprojekt The Track [link] das Motiv der Mobilität so zentral angeordnet habe und daß eines der dominanten Teilthemen in diesem Zusammenhang der Automobilismus ist, der in unserer Mobilitätsgeschichte so radikal auftaucht und wirkt wie zuletzt vermutlich die federleichten Streitwagen mit ihren revolutionären Speichenrädern, wie sie im zweiten Jahrtausend vor Christus von den Sumerern eingeführt wurden.

Auf unserer kleinen Reise zu Kathi Veliks „Kopfbahnhof“ in Bad Gleichenberg kam ein symbolträchtiges Ensemble zustande. Den 1931er Triebwagen habe ich schon erwähnt. Dazu kam Bildhauer Winfried Lehmann, der übrigens erwähnte, es säße nun seit rund 25 Jahren das erste Mal wieder in der Eisenbahn. Lehmann wurde 1934 geboren. Das ist exakt jenes gut beschreibbare Jahr, in dem der Fordismus sowie das gesamte Industriegeschehen in einer neuen Ära aufgingen, was sich auch kulturell enorm niederschlug.

Ich hab in „Die erste Fahrt“ [link] schon knapp skizziert, was die „Stromlininen-Ära“ bedeutet und durch welche amerikanischen Fahrzeuge sie erstmals für die breitere Wahrnehmung repräsentiert wurde: Der Eisenbahnzug Pioneer Zephyr und der Air Flow von Autoproduzent Chrysler. Siehe dazu auch meinen Logbuch-Eintrag #1817! [link]

Die Ära der "Silberpfeile": Der "P-Wagen" von Hitlers Hof-Ingenieur Ferdinand Porsche bei der Erprobung in Monza (Quelle: Allgemeine Automobilzeitung, Februar 1934)

Die für heutige Gewohnheiten auffallende Langsamkeit unserer Bahnfahrt auf dem letzten Abschnitt der Route stand im harten Kontrast zu jenem Beschleunigungskult, der sich mit den „Streamliners“ 1934 erstmals ganz massiv hervortat. 1934 ist auch das Jahr, in dem Auto Union und Mercedes-Benz neue Rennwagen vorstellten, die später als „Silberpfeile“ nicht bloß Motorsportgeschichte schreiben sollten, sondern auch zu einem prominenten Kapitel in der Geschichte der Tyrannis wurden.

Adolf Hitler war 1933 zum Reichskanzler ernannt worden. Sein Verbrechensregime setzte propagandistisch auf eben diese „Silberpfeile“, investierte Vermögen in deren Entwicklung, machte das Automobil zu einem Hauptgegenstand einer vollkommen neuen Massenkultur.

Damit wurde ein reaktionärer Modernismus inszeniert, der auf Massenmobilisierung zielte und das Auto zu jenem herausragenden Konsumgut erhob, mit dem der breiten Bevölkerung versprochen wurde, an einem kommenden Wohlstand teilnehmen zu können. (Eines der vielen Versprechen, das die Nazi gebrochen haben.)

So mag erahnbar werden, wie all diese Aspekte zusammenhängen und zusammenwirken. So mag greifbar werden, warum ich der Ansicht bin, daß unseren aktuellen Krisenerfahrungen aus einigen Kausalketten hervorgehen, die teils tief in den Bereichen des Fordismus und da wiederum in der Kontinuität eines aggressiven Automobilismus liegen, der in dieser Deutung mehr Ideologie als Transportsystem ist.

[Überblick]
[April-Festival 2012]
[kuratorium für triviale mythen]