Der „Kulturpakt Gleisdorf“ bewährt sich in seinem Modus offenbar. Der Begriff hat inzwischen zwei Bedeutungen, die nun auch nach außen zur Wirkung kommen.

Der „Kulturpakt Gleisdorf“ bewährt sich in seinem Modus offenbar. Der Begriff hat inzwischen zwei Bedeutungen, die nun auch nach außen zur Wirkung kommen.

Die Präsentation der Studie, welche Veronika Ratzenböck mit ihrem Team erarbeitet hat, stimmt zuversichtlich. Woher kommt dann die viele schlechte Laune unter den Kulturschaffenden in meiner direkten Umgebung? Naja, was generell gelingt, muß nicht alle von uns sanft betten. Gut, „sanft“ ist sowieso momentan nicht lagernd, kann auch auf absehbare Zeit nicht nachbestellt werden.

Die Wiener Session hat mir ergänzend deutlich gemacht, daß der Kulturbereich — ganz unabhängig von diversen krisenhaften Entwicklungen — generell gar nicht so übel beinander ist. Wir haben aber einen Verteilungswettkampf am Hals, ein Rennen um Budgets, das mit spitzen Ellbogen und anderen Artigkeiten ausgetragen wird.
Ich behalte einige Standardzeilen aus meinem Lieblingsliedchen auf den Lippen: „Hundert Prozent Abhängigkeit vom Staat wäre so ein Nordkorea-Modus. Will das jemand?“ Oder: „Als Künstler bin ich noch nicht auf einen geschützten Arbeitsplatz aus.“ (Blöd, daß einen das rauhe Arbeitsklima schon geraume Zeit derart zaust, ich träume natürlich zwischendurch von einem Liegestuhl und kühlen Drinks on the house.)
Woher also Budgets nehmen und nicht stehlen, wenn Länder und Kommunen die Budgets runterfahren? Vom (Kunst-) Markt = Verkäufe von Werken? Von der Wirtschaft = Sponsoring?
Es ist ja klar, daß all unsere liebgewonnen Vorstellungen aus früheren Jahrzehnten völlig irrelevant werden, sobald wir a) die Landeszentren verlassen und dann womöglich auch noch b) von den Feldern bürgerlicher Repräsentationskultur runtersteigen.
Kleiner Einschub:
Ich hab keinerlei Ressentiments gegenüber bürgerliche Repräsentationskultur. Ich hab bloß die Erfahrung gemacht, daß sie für Agenda der eigenständigen Regionalentwicklung kaum etwas hergibt; im inhaltlichen wie im materiellen Sinn des Wortes „hergeben“. Sie bringt uns kaum etwas für die Arbeit an neuen Optionen. Aber sie sichert in einigen Nischen kulturellen Grundkonsens. Das hilft auch.

Gerald Gigler, der für LEADER zuständige Fachreferent beim Land Steiermark, hat mir zur Wien-Session noch ein paar Überlegungen und Einwände zugeworfen. Darunter zu Fragen der Funktionen von Gegenwartskunst:
„Was noch immer nicht beantwortet, welche Art von Kunst das nun sein wird, aber etwas hat mir schon einen Stich versetzt, dass du die Kunst nicht als ‚soziokulturellen Entwicklungshelfer’ sehen willst. Siehst du unsere ‚Ansprüche’ (Joseph II) wirklich so? Künstler als Unternehmensberater? Nein, hatten wir nicht im Sinn, aber – wie du immer betonst – das Schaffen von ‚NEUEN Verhandlungsebenen’, für Kunst, für gesellschaftliche Entwicklung, das kann schon ein verfolgbares Ziel sein.“
In Pischelsdorf hatte ich bemerkt, daß ich keine allgemeine Kenntnis voraussetzen darf, wer und warum er „J’accuse!“ ausgerufen hat. So verstand zwar Gigler meine ironische Erwähnung Josef II, aber ich erkläre es für alle Fälle kurz.
Seit dieser aufgeklärte Monarch in Österreich geschaltet und gewaltet hat, scheinen wir eine ungebrochene Tradition zu genießen, in der Reformen „von oben“ kommen, also von Regierungsseite. Seit jener Zeit haben wir auch den Typ des Künstlers im Staatsdienst als vertrautes Sujet vor Augen. Zum Thema „oben/unten“ siehe: [link]
In der Tat und peinlicherweise sind die gegenwärtigen Sonderrichtlinien plus das steirische Punkteprogramm zu LEADER Kultur sehr viel anregender als vieles, was ich seit Jahren von der steirischen Szene lese. Während wir also „vorne“ die Kulturpolitik lauthals schmähen, bekommen wir „hinten“ von der Beamtenschaft recht interessante Diskussionsgrundlagen zugestellt.
+) Die „Sechs Punkte“ von Gerald Gigler: [link]
+) Die Sonderrichtlinien: [link]
Nun muß ich einerseits, wie sich zeigt, die Autonomie der Kunst verteidigen, weil zu viele Leute mit unscharfen Vorstellungen herumgeistern, und zum Beispiel annehmen, Kunst ließe sich als soziokulturelles Reparatur-Set funktionalisieren. (Mumpitz!) Ich muß andrerseits völlig neue Arbeitsansätze finden, wo es um Kulturarbeit und eigenständige Regionalentwicklung geht, weil sich veraltete Zentrumskonzepte nicht in der Provinz recyceln lassen, wie sich auch die Provinz nicht „urbanisieren“ läßt.

Ergo kann ich, von einigen Teilaspekten abgesehen, für die (kulturelle) Emanzipation der Provinz gegenüber den Zentren keine Zentrumsstrategien anwenden. Wir müssen hier schon selbst herausfinden, was es überhaupt geben sollte und wie es zu erreichen wäre.
Gerald Gigler meinte auch: „Ist ja leider auch bei ‚Insidern’ noch nicht so angekommen: der Krusche plaudert mit Bauern und Schlossern, wo ist da die Kunst?“
Es wäre eine zu drollige Vorstellung:
Der Künstler rennt zu Bauern d und Handwerken und erklärt ihnen die Kunst, er „beuyselt“ also gewissermaßen, und die wackeren Kinder des Ruralen lauschen aufmerksam, werden erhellt und erweckt.
So hat das natürlich Gigler nicht gemeint, so hab auch ich das noch nie versucht, aber derlei fahrlässiges „Beuyseln“ kommt tatsächlich gelegentlich vor, wenn manche Spießer und Mittelschicht-Trutschen sich selbst auf Bauern oder Mechaniker loslassen. Na, das muß ich noch genauer ausführen. Was ich mit „Beuyseln“ meine, ist hier skizziert: [link]
— [Dokumentation] —
Kulturpolitik als Two Trick-Pony
Ich erlebe nun seit vielen Jahren das häufige Betonen von „Bürgerbeteiligung“, „Bottom up-Prinzip“ und ähnlichen Ansätzen zur Kooperation zwischen den verschiedenen Sektoren einer Gesellschaft. Die drei Bereiche Staat Markt und Zivilgesellschaft sind in den jeweiligen Lagern mit allerhand Ressentiments hochgerüstet. Von den Zinnen so mancher Festung wird einander zugegrinst.
Regionalentwicklung, Regionalpolitik, regionales Bewußtsein, das sind Optionen, die in der regionalen Kulturpolitik noch kaum Spuren hinterlassen haben. Es gab dazu von der Landesebene her einige Impulse, etwa die Ablöse des Veranstaltungstyps „Landesausstellung“ durch die „regionale“. Das hatte zwei wunde Punkte: Es kam von der Landesebene und es ist der Gegenwartskunst gewidmet.

Nicht einmal die sogenannte „Initiativenszene“ zeigte sich ausreichend in der Lage, solche Ansätze jenseits des Landeszentrums Graz angemessen in Empfang zu nehmen. Nun ist „LEADER Kultur“ gewissermaßen die „Cousine“ dieses Ereignisses „regionale“, das Ganzjahresereignis neben dem Festival. „LEADER Kultur“ hat Schnittpunkte mit der „regionale“, was Intentionen und Aufgaben betrifft, ist gleichermaßen der Provinz verpflichtet und der Gegenwartskunst.
Ich könnte im Augenblick nicht so genau sagen, was meine Kolleginnen und Kollegen in der Sache entwickelt haben, was landesweit Stand der Dinge ist und wo die einzelnen Projekte praktisch hinzielen; vor allem aber, worin wir nun Potential und konkrete Schnittstellen hätten, um dieses neue kulturelle Geschehen auf dem Lande in wesentlichen Teilen ein wenig zu verknüpfen.

Aber zurück zum lokalen „Erfahrungsbereich Kulturpolitik“. Ich hab schon angedeutet, daß es kaum praktische Beispiele gibt, wo Kulturpolitik über Ortsgrenzen hinaus geführt wird und den Ansatz einer regionalen Kulturpolitik zeigen möchte. Das ist allein schon deshalb staunenswert, weil wir von diversen Regionalkonzepten umhüllt sind wie von Zwiebelschalen. Regionext, „Großregion Oststeiermark“, Kleinregionen im Sinne der „Lokalen Agenda 21“, LEADER plus, Städtepartnerschaft etc.
Gut. Es ist eben so. Und wie schon notiert, Kulturpolitik wird regional – von wenigen Ausnahmen abgesehen – auf zwei wesentliche Aufgaben beschränkt:
a) Das Verwalten von Kulturbudgets beziehungsweise das Rechtfertigen eines völligen Fehlens von Kulturbudgets und
b) das Eröffnen von Veranstaltungen.
Wir hatten also bei kunst ost einige Inhalte und Positionen zu erarbeiten, die es reizvoll werden ließen, über diese knappen Optionen der „Zwei Aufgaben“ hinauszudenken und hinauszugehen. Das wäre zwar prinzipiell in den genannten Programmen der Regionalentwicklung schon angelegt, hatte aber zum Beginn unserer Arbeit noch keinerlei konkrete Entsprechung in der Region.
Ganz im Gegenteil, wir haben unter anderem erlebt, daß einzelne Funktionäre der Lokalpolitik unsere Arbeit massiv angefochten haben; und zwar genau weil sie verstanden, daß wir hier auch (kultur-) politische Fragestellungen bearbeiten.
Das sind also gewichtige Barrieren im Bereich möglicher Zusammenarbeit. Anders betrachtet, in dieser Sache ist noch viel an Verständigung, Entwicklungsarbeit und Erfahrungsaustausch notwendig. Wo dann derlei Kooperation mit Funktionstragenden der Kommunen schon klappt, erweisen sich zwei andere Themenbereiche als sehr leichtgängige Krisenquellen:
+) Bestehende Phantasien über die Möglichkeiten von Sponsoring bei Kulturprojekten.
+) Die reibungslose Kombination von bezahlter und unbezahlter Arbeit bei Kulturprojekten.
Die Annahmen über Sponsoring sind gewöhnlich aus den Landeszentren übernommen, wo sie einem anderen Kontext entstammen, in den meisten Fällen nämlich aus diversen, sehr repräsentativen Formen des Kulturbetriebs. Das meint bei uns auf dem Lande dann eigentlich weder die Gegenwartskunst noch die Hobby-Varianten der Voluntary Arts. Das meint eher Operette und Musical, dann aber doch ab und zu hochrangige Gegenwartskunst mit entsprechendem „Promi-Faktor“ (Marke: Arnulf Rainer umarmt einen Bürgermeister).
In Summe meint es Repräsentationskultur, mit der hauptsächlich die Selbstdarstellung von bürgerlichen Kreisen in Events realisiert wird. Prozeßhafte Arbeit kommt da kaum vor. Gut, das sind tradierte Formen, wie sie im 20. Jahrhundert reichlich in die Provinzen gefunden haben. Unsere Arbeit wird nicht gegen solche Formen zu entfalten sein, sondern neben diesen Formen.
Es ist allerhand Sponsorleistung regionaler Wirtschaft an den Sport gebunden. Es fehlt uns noch an ausreichenden Ideen und Konzepten, was Wirtschaft und Kunst/Kultur in der Provinz so verbinden könnte, daß die Wirtschaft hier nennenswerte Budgets investieren würde, die genau nicht vozugsweise in das Repräsentative gehn.
Die Erfahrung zeigt, daß einzelne Geschäftsleute für Eigenveranstaltungen im Kunst- und Kulturbereich durchaus beträchtliche Ausgaben in Kauf nehmen. Dagegen ist der Modus „Geben Sie uns Ihr Geld, wir machen dann schon“ irrelevant. Gleichermaßen substanzlos ist die halbherzige Überredungskonsequenz, um brutto 100,- bis 150,- Euro auf den Tisch zu hauen. In diesem Modus fettet sich die Hobby-Liga ein Vernissagen-Buffet auf, aber kulturelle Entwicklungsarbeit ermöglicht das nicht.
+) Großregion Oststeiermark
+) LEADER plus
+) Lokale Agenda 21
+) Regionext
+) Städtepartnerschaft
was ich am zusammenkommen von versierten leuten sehr mag: wir müssen uns die branche nicht erklären. niemand hat lust, sich jammereien anzuhören. wir überprüfen unsere befunde auf klare schnittpunkte, wir debattieren die schlüsse, die daraus zu ziehen sind, und welche handlungspläne diese nahelegen. so ist das nach meinem geschmack.
oh, was könnten wir in dreißig jahren für eine verrückte rentner-gang abgeben! (womöglich kommt es ja so.) es ist also von einer denkwürdigen session in weng bei admont zu erzählen. die gegend hat besonderen reiz. es herrscht dort etwa acht monate winter und zwei monate ist es kalt. nein! kleiner scherz! wir hatten bei unserer klausur milde sommertage.

kürzlich gab es eine „erfahrung von weng“, der folgte meine erste „erklärung von weng“. das war eine kleine wegmarke am rand möglicher routen. zwischendurch hatte ich einige leute gefragt, ob sie mit mir in eine konzentrierte arbeitssituation gehen würden. meine lieblings-annahme: gerade WEIL die zeiten schwierig sind, der kulturbereich schläge gegen seine fundamente und strukturen hinnehmen muß, die sich offenbar nicht abwenden lassen, möchte ich mit inspirierten leuten losziehen und zusätzlichen boden gewinnen.
diese idee fand jazz-promotor franz maunz ganz interessant. zumal ihm auch die vorstellung behagte, wir könnten quer durch die steiermark eine art „kulturachse“ installieren, der entlang sich kompetenzen bündeln und möglichkeiten verknüpfen ließen.

diese vorstellung mußte ich dem sozialwissenschafter günther marchner [link] nicht erst buchstabieren, der mann ist seit wenigstens 20 jahren mit solchen zusammenhängen gut vertraut. künstler gerhard flekatsch [link] bringt auch so viel an erfahrung und vorausschau mit, daß wir uns mit fragen nach den basics keinen moment lang aufhalten müssen. damit war unser pflänzchen von neuem bezugssystem — über gleisdorf — nach norden und nach süden verzweigt.
man kennt hier mein wiederkehrendes räsonieren über „zentrum-provinz-verhältnisse“ und die diversen arten von gefälle, welche darin zutage treten. das ist EIN aspekt der geschichte. ein anderer aspekt liegt in den zusammenhängen künstlerischer praxis im landeszentrum graz, wo ja von keinem honigschlecken berichtet werden kann; wie künsterin eva ursprung zu erzählen weiß. [link] unserer erfahrungen handeln von allerlei kontrasten und schnittpunkten. das macht die erörtererung von gemeinsamen optionen ziemlich spannend.
kuratorin mirjana peitler-selakov pendelt in ihrer arbeitspraxis zwischen höchst verschiedenen lebensräumen zwischen „zentrum“ und „provinz“, vertieft durch aktuelle projekte auf dem balkan, der ja seinerseits als ganzes dem „westlichen“ europa gegenüber eine art provinz-funktion wahrnehmen muß.

so, da sind wir also nun, drei kunstchaffende (flekatsch, ursprung und ich), ein kulturschaffender (maunz), eine kunsthistorikerin (peitler-selakov) und ein sozialwissenschafter (marchner). das ergibt in summe weit über hundert jahre kulturelle praxis und theoriegestützte diskurse. ich darf behaupten, hier hat sich nun eine „gang of excellence“ formiert, die lustig ist, über das bündeln der diversen kompetenzen und kenntnisse arbeitsbedingungen herbeizuführen, die das bei weitem übertreffen, was uns zur zeit quasi „gnadenhalber“ von herkömmlichen einrichtungen angeboten wird.
themen, strategien, methoden, ich darf weiter behaupten: wo wir hinfassen, ist auf jeden fall die action. und zwar auf der höhe der zeit. schauen wir also wer das zeug und die laune hat, auf diese art für kunst und kultur neuen boden zu erarbeiten. (siehe zum aktuellen hintergrund auch: „wetterfest im schlechten wetter“!)
das jahr 2009 war die zeit der grundlagenarbeit für „kunst ost“. dafür hatte ich damals das überhaupt erste LEADER-kulturprojekt der steiermark realisiert. das jahr 2010 war die aufbau-phase des neuen abschnittes. hier ging es sehr wesentlich darum, die schlüsse und ergebnisse des 2009er-jahres in der praxis zu erproben. wir hatten auszusortieren, was sich nicht bewährte, wir hatten zu konkretisieren, was vielversprechend erschien.
so sind wir jetzt zu einem adaptierten konzept und einem neuen setup für 2011 gekommen. dieser arbeitsschritt wurde durch eine aktuelle finanzkrise des landes steiermark mit schärferen kontrasten versehen, weil plötzlich gemeinden, die enorm unter druck gekommen waren, alle ihre zusagen zurückzogen. (siehe dazu: „umbruch„!) man könnte meinen, diese krise kam genau zum richtigen zeitpunkt, wo wir ohnehin mit einer neustrukturierung von „kunst ost“ befaßt waren.
so konnten wir uns gleich auf die neue situation einstellen und liefen nicht gefahr, im nächsten quartal eben erst geleistete planungsarbeit verwerfen zu müssen. unser programm-konzept wurde völlig überarbeitet. das projekt-team wurde verkleinert. waren wir eben noch fünf personen, sind wir für die nächsten monate nur mehr drei.

wir haben mit aller zuversicht, die unsere kompetenzen erlauben, einen plan geschmiedet, bei dem wir das erste quartal 2011 aus privaten mitteln absichern. so kann unsere arbeit plangemäß durchgezogen werden, ohne eine unterbrechung zu erfahren. (siehe dazu auch: log #330!)
das simple motiv dafür: wir trauen uns locker zu, in den so gesicherten vier monaten, die jetzt vor uns liegen, alle nötigen verhandlungen und akquisitionsschritte so weit voranzubringen, daß das restliche projektjahr finanziell abgesichert ist und das projekt völlig stabil wird.
das heißt auch, wir drei werden keinem bürgermsieter vorjammern, wie schwierig die zeiten sind, das weiß eh jeder selbst ganz gut. wir wollen in einem referenzprojekt der „best practice“ vorführen, wie man relevante kulturarbeit auf der höhe der zeit auch durch solche krisen führt, ohne daß der ganze laden niederbricht.
übrigens, nina profiliert sich eben als unsere fachfrau für die „voluntary arts“. mirjana baut unsere internationalen kontakte im bereich „gegenwartskunst“ weiter aus. ich schaffe auch in zukunft die konzeptionelle basis des projektes und führe das „labor“, unsere „versuchsstation“, wo alle neuen optionen erprobt werden. wer genauer wissen will, was da läuft und wie es dazu gekommen ist, kann das im ausführlichen „projekt-logbuch“ jederzeit detailliert nachlesen: [link]
das land steiermark ist aktuell merklich angeschlagen. landtagsabgeordnete ingrid lechner-sonnek sagte mir, es fehlen im budget wenigstens 600 millionen euro, womöglich sogar bis zu 900 millionen.
am allerhärtesten hat es momentan den sozialbereich getroffen. siehe dazu etwa: „Sozialhilfeverband streikt: Budget wird offengelassen“!
auf kommunaler ebene sehe ich zwar keine panikartigen reaktionen, aber die bürgermeister, mit denen ich in den letzten tagen gesprochen hab, wirken ziemlich ernst. so scheint also auch die situation zu sein.
solche schreiben — dieses haben wir von der stadt gleisdorf erhalten –, düften zur zeit in erhöhter dichte quer durchs land aufkommen. das bedeutet logischerweise, daß wir alle unsere vorhaben überarbeiten müssen. konzeptionelle adaption, größenordnung reduzieren, neue modi und strategien suchen, um die gesteckten ziele dennoch erreichen zu können.
ich hab in unserem „projekt-logbuch“ schon zusammengefaßt, wo wir bei „kunst ost“ gerade stehen: „Die Krise? Ja, ist angekommen. Und? Wurscht! Warum? Erstens …“ [link] wir hören das natürlich auf dem kunstfeld nicht gar so gerne: reduzieren! rationalisieren! effizienz steigern! kooperieren!
aber wie wir es auch drehen und wenden, offene fragen nach verteilungsgerechtigkeit werden sich nicht in wenigen wochen lösen lassen. also müssen wir inzwischen wege finden, wie sich die momentanen einbrüche kompensieren lassen.
da kommt nun das „labor“ von „kunst ost“ verstärkt zum zug. innen: brüten, grübeln, debattier, entwerfen. außen: verhandeln, diskutieren, um konsens ringen.
ja, ich würde diese zeit und kraft jetzt eigentlich auch lieber auf mein künstlerisches werk verwenden, statt an den strukturen zu arbeiten. aber wie sagte kollegin hutter im „joglland“? „es ist halt so!„
in der aktuellen WOCHE-ausgabe habe ich einen bemerkenswerten artikel entdeckt. unter dem titel „Strukturen der Energie im Kulmland“ berichtet moni bertsch von einem neuen LEADER-kulturprojekt in der nachbarregion: „Kunst hat Energie und Struktur. Mit der Organisation einer großen Diskussionsrunde rund um neue Energiestrukturen im Kulmland überraschte das K.U.L.M.-Kollektiv mit Richard Frankenberger in Pischelsdorf.“ [link]
frankenberger und philosoph erwin fiala als masterminds des vorhabens, da darf man annehmen, daß es klare positionen zu fragen der GEGENWARTSKUNST gibt: „Gilt es doch innerhalb kürzester Zeit eine breitere Energiedebatte zu führen und für die nächsten Jahre Strukturen aufzubauen, da man doch eine Leader-Förderungszusage erhalten hat.“
sieht man auf der website von K.U.L.M. nach, findet man eine detailreiche dokumentation einiger schritte. so ist etwa das protokoll des aktuellen meetings hier downloadbar: [link]
unter „Textbeiträge im Vorfeld“ findet man zusätzliche informationen: [link]
also keine unerklärliche geheimniskrämerei, wie sie um manch andere leader-projekte herrscht. etliche grundlagen des vorhabens sind zur lektüre verfügbar. statements und ansichten verschiedener akteurinnen und akteure werden greifbar gemacht. ich kann mir einen eindruck verschaffen, was sich dort ereignen möchte.
diese transparenz ist anregend, weil man selbst feststellen kann, als teil welchen geistigen klimas man in der oststeiermark agiert. das pischelsdorfer kollektiv demonstriert damit außerdem, daß man geistige güter teils unter verwendung öffentlicher gelder generiert hat und diese stoffe daher der öffentlichkeit zugänglich macht.
eine haltung, die auf dem LEADER-feld keineswegs standard ist.
(über die repolitisierung des kulturgeschehens)
als christian eigner vom „büro für perspektivenmanagement“ in ehrenhausen die ergebnisse der evaluierung schon aktiver LEADER-kulturprojekte vorstellte (siehe dazu: „LEADER kultur: steiermarkweit“!), fiel mir ein punkt besonders auf.
er betonte, daß „produktion und vermittlung“ nahe beinander liegen würden. damit meinte er, daß kunstproduktion und kunstvermittlung auf diese art stattfänden, also: kunstschaffende engagieren sich auch für die vermittlungsarbeit.
das ist hier kein „hauptereignis“, aber ein wichtiger aspekt, wenn man nach intentionen fragt. gerade die kunstschaffenden wären ja der primäre interessenskreis, um zu klären, wie und wodurch die kunst einen angemesseneren stellenwert erlangen könne; vor allem aber: WARUM das so sein soll.
sind dazu brauchbare ideen entwickelt, muß herausgefunden werden, welche arten von kooperationen sich dafür realisieren lassen. kooperationen unter den „drei sektoren“: staat, markt und zivilgesellschaft. (warum kooperation? na, wenigstens als gegenentwurf zur oft beklagten situation der „bittstellerei“.)
die position der AVANTGARDE legt solche wege nicht nahe. eigner erwähnte, daß avantgarde sich abgrenze. sie behauptet und fordert. wenn wir aber über „eigenständige regionalentwicklung“ reden, müssen wir feststellen: behaupten und fordern, das hat uns die politik schon vorgemacht, das haben diverse agenturen eingeführt, das ist eine strategie, mit der wir praktisch als KONSERVATIV auftreten würden.
der „bohemien“ ist ein antiquiertes rollenfach. dagegen: die drei erwähnten sektoren in ein adäquates kooperationsverhalten zu reklamieren, das hieße: RE-POLITISIERUNG. politik im klassischen sinn: als wechselspiel von „polis“ und politiké“ per dialog, verhandeln, seine gründe nennen, wechselseitige veratwortung übernehmen.
ich habe beim LEADER-kulturtreffen in ehrenhausen einige dieser aspekte kurz mit dem in kulturfragen höchst erfahrenen peter wolf erörtert; und gemerkt: da wären jetzt endlich einmal einige FRAGEN zu präzisieren, die dann konsequent bearbeitet werden sollten.
und DAS, so behaupte ich, sind probate mittel, um PARTIZIPATION voranzubringen. jene grundlage von DEMOKRATIE: die weitreichende teilnahme möglichst großer bevölkerungsschichten am öffentlichen, kulturellen und politischen leben eines landes.
wir sind die urenkel der gegenreformation und die enkel der tyrannis. in der sache haben wir also noch viel übungsbedarf. das KULTURfeld legt solche zugänge nahe, weil da ohne partizipation und formen der „folgerichtigkeit“ gar nichts geht …
(siehe zu den aktuellen hintergründen auch den eintrag # 324 in meinem projekt-logbuch!)
In rund einer Woche findet im Naturpark Südsteirisches Weinland eine steirische LEADER Kultur-Arbeitskonferenz statt. Sandra Kocuvan, die Referatsleiterin „regionale, Filmkunst und LEADER“, wird einen Gesamtüberblick der LEADER Kulturförderung und aktuelle Informationen bieten.

Danach stellt Christian Eigner vom „Büro für Perspektivenmanagement“ die Ergebnisse der Evaluierung schon aktiver LEADER-Kulturprojekte vor. Für uns von „kunst ost“ ein wichtiges Ereignis, um einmal über einen methodischen Blick von außen zu erfahren, wo wir in dieser Entwicklung im ländlichen Raum stehen.
Anschließend werden einige jüngere LEADER-Kulturprojekte ihren Status quo vorstellen.
Wir waren ja erhebliche Zeit ganz alleine in diesem neuen Modus präsent. Das bedeutete Neuland und auch allerhand Unsicherheiten, weil dieser Teil des LEADER-Programmes keine Vorbilder oder Vorläufer hat. Das heißt, nicht nur wir als Kulturschaffende, auch die Funktionstragenden der Region einerseits, jene des Landes andrerseits, mußten erst einmal Praxisschritte mit einander erproben.
Es war uns von Anfang an „Labor-Status“ zuerkannt, auf Landesebene verstand man unseren Weg als Experiment. In der Region ist das nicht überall so gesehen worden. Dort findet sich (neben zukunftsorientierten Sichtweisen) durchaus auch die Vorstellung, EU-Projekte sollten Geld in die Region schaufeln.
Vom wem stammt bloß die oft zitierte Aussage, die sich auch auf unsere Situation anwenden läßt? „Geld allein spielt nicht Fußball.“ Geld allein macht keine Regionalentwicklung, schon gar keinen geistreichen Kulturbetrieb. Es geht um sehr konkrete Inhalte und die Frage nach angemessenen Strategien, Verfahrensweisen.
Unsere Erfahrung besagt weiters: Es geht auch um zeitgemäße Kooperationsformen. Nicht bloß unter Kunst- und Kulturschaffenden. Auch zwischen uns und inspirierten Leuten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung.
+) Fakten zu LEADER 2007-2013 Steiermark: [link]
+) Steirische LEADER Kulturprojekte: [link]
+) Spezielle Richtlinien: [link]
+) Die erste LEADER-Kulturkonferenz, Gleisdorf 2009: [link]
(der hauch einer zwischenbilanz)
das projekt „kunst ost“ hat eine lebhafte projektgeschichte. es gibt eine genau benennbare stunde des beginns. am 6. März 2007 begann um 18:00 in gleisdorf jene lebhafte ereigniskette: [link]
das projekt „kunst ost“ hat sehr verschiedene, kontrastreiche, auch turbulente stadien durchlaufen. es waren mehere modi der kooperation zu erproben. kooperationen ganz unterschiedlicher bereiche: kulturschaffende, geschäftsleute, funktionstragende aus politik und verwaltung in EINEM verbindenden ereignis-strang.
der „durchgehende faden“ war über mehrere jahre sicher in den „plenartreffen“ angelegt, die an stets wechselnden orten in der region: [link]
momentan werten wir das zweite arbeitsjahr eines LEADER-kulturprojektes aus. wir sehen uns vergnügt an, was alles gelungen ist. wir nehmen durch, welche fehler uns schlauer machen sollten und nicht mehr wiederholt werden müssen.
das ist eine art reflexions- und revisionsgeschäft, in dem auch allerhand heftige emotionen den lauf der dinge befeuern. (den ausdruck „emo-bombe“ habe ich VOR diesem projekt noch nicht gekannt.)

es gibt in solchen vorhaben keine „reparatur-phase“ im trockendock. wir machen den kahn gewissermaßen in laufender fahrt flotter. dabei ließ sich unser grundsätzliches programmkonzept bestätigen. doch die einzelnen stationen werden – unseren erfahrungen folgend – adaptiert.
das jahr 2011 wird gemäß dieser grundstrukltur angelegt sein:
+) auftakt-konferenz („konferenz in permanenz“)
+) april-festival (mehrsparten-ereignis an mehreren orten der region)
+) frauenmonat (themenspezifisches veranstaltungs-ensemble)
+) kunst im herbst (schwerpunkt gegenwartskunst im internationalen kontext)
+) schluß-konferenz („konferenz in permanenz“)
rund um diese fixpunkte 2011 entfalten wir über das ganze jahr zahlreiche kleine einzelschritte. ein erheblicher teil der arbeit von „kunst ost“ findet freilich hinter den kulissen statt, ist nicht für die bühne geeignet. (labor, entwicklung, administration etc.)
auf diversen „bühnen“ zeigen wir aber die ergebnisse … in sachen rückschau siehe auch „wo sind wir denn? wie hab’n wir’s denn?“ [link]