wetterfest im schlechten wetter

künstlerin eva ursprung, eben noch gast bei unseren talking communities in gleisdorf, ordinierte nun mit einer musik-performance beim „homerun“ im grazerschaumbad. das bedeutet, ein großes kunstkollektiv räumt das feld und das obere stockwerk einer stattlichen halle am rande der stadt.

eva ursprung ist nicht nur versierte kunstschaffende, sondern auch mit fragen der kunstvermittlung gründlich vertraut

ursprung wird sich jener kleinen kulturkonferenz anschließen, die wie mitte august im obersteirischen absolvieren werden, um einen neuen ansatz erfahrener leute herauszuarbeiten, welche schwerpunkte mit welchen mitteln vertretbar erscheinen, um sie vor allem in diesen krisenhaften zeiten zunehmender budgeteinbrüche zu sichern. themen, know how, strategien.

viele ländliche gemeinden haben kulturbudgets zugunsten von sozialbudgets gekürzt, teilweise sogar gestrichen. das weist auf eine verfehlte praxis hin und auf fehlende konzepte. kultur wird da offenbar eher als dekorationsgeschäft, denn als teil des bildungssektors betrachtet. würde jemand schulen sperren, weil die straßenerhaltung so teuer geworden ist? das sind kuriose begründungsmuster.

mehr noch, der kulturbereich ist nicht bloß ein bildungsthema, sondern ein grundlegender bereich menschlichen zusammenlebens. deshalb ist es eigentlich unverzichtbar, kulturschaffenden ein mindestmaß an seriösen rahmen- und arbeitsbedingungen zu sichern.

simon brault („no culture, no future“) kritisiert dieses an üblicher konsumlogik orientiere verständnis von kultur

darin liegt natürlich auch so manches grundlegende versäumnis der kulturschaffenden selbst. alte eliten haben ihre materiellen vorteile genutzt, um mit freier zeit, interesse und muße sich der kunst und „gehobenen“ kulturellen ereignissen zu widmen. das war stets auch ein mittel, um sich von den massen abzugrenzen. die elitären repräsentationsaufgaben von kunst und kultur sind wir bis heute nicht losgeworden.

nun sind wir kinder einer massengesellschaft und (jungen) massenkultur auf dem set. unseresgleichen, also überwiegend leute bescheidener herkunft, sind es nun, die uns arbeitsbedingungen und kulturbudgets zusammenkürzen. das ist zugleich auch restauration alter herrschatsverhältnisse, da kunstgenuß und kulturereignis nicht nur vergnügen, sondern auch zugehörigkeitsdemonstratin sozialer eliten waren.

im klartext: leute unserer eigenen milieus fallen uns kultur- und kunstschaffenden da wie dort bremsend bis blockierend in die arme. wir haben es verabsäumt, uns früh genug um diesen teil der anwachsenden probleme zu kümmern.

sie kennen sicher den zuruf: „das ist so abgehoben!“ „ihr seid so elitär!“ in einer „mc world“, wo man zielistrebig an die theke des lebens eilt, um flott zu ordern, was man sich gerade leisten kann, mit dem ziel, es zackzack zu verzehren, in solchen lebensverhältnissen fehlt natürlich viel an einsicht, daß man sich manche themen und kompetenzen NUR über das aufbringen von ZEIT und ZUWENDUNG aneignen kann.

zeit und neugier für das irritierende, erfahrungen und reflexion ohne gedränge...

unsere wege der künstlerischen und kulturellen praxis sind auf zeiträume und erfahrungsschritte angelegt. kommunikation über die konsequenzen solcher prozesse, in denen man erst einmal ruhig wird, um sich selber wieder hörern zu können. auch die irritiation braucht raum und zeit. befassung mit kunstwerken ist ohne irritationen völlig undenkbar.

wie merkwürdig, daß staat und wirtschaft milliarden investieren, um eine coaching-industrie zu füttern, die an den mängeln eben jener möglichkeiten arbeiten, um die wachsende zahl der ratlosen und der beschleunigungsopfer in dieser gesellschaft abzufangen.

und wenn wir solche möglichkeiten erarbeiten, müssen wir mit anfeindungen rechnen, mindestens mit abschätzigkeit. da ist also einiges an fälliger arbeit bisher unerledigt geblieben, um solche zusammenhänge klarzustellen.

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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Eine Antwort auf wetterfest im schlechten wetter

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