Archiv für den Monat: April 2012

Wovon handelt Kulturpolitik? #20

Ich habe in der jüngeren Vergangenheit mehrfach geltend gemacht, daß der kulturpolitische Diskurs in der Steiermark offenbar den Bach hinuntergegangen sei. Und ich habe dabei die IG Kultur Steiermark nicht zu knapp kritisiert, weil ich zur Ansicht gekommen war, daß diese Interessensvertretung steirischer Kulturschaffender zu stark auf Graz konzentriert sei, dabei überdies zwischen kulturpolitischen Polemiken und Textimporten aus Wien (IG Kultur Österreich) genuin steirische Positionen und Konzepte weitgehend fehlen lasse.

„kunst der kulturpolitik“, eine veranstaltungsreihe der IG Kultur Steiermark

Dieser Befund hat sich so als nicht haltbar erwiesen. Es gilt nun eine Vortragsreihe als fixiert, welche tief in derlei Themenstellungen hineinreicht. Unter dem Titel „kunst der kulturpolitik“ wird eine Serie von Inputs geliefert, sollen die Debatten in Gang kommen.

Bei der IG Kultur Steiermark hat man nun kuriosen Humor gezeigt und… ausgerechnet mich zu einem Vortrag eingeladen. Ich werde am 29.06.2012 ab 18:00 Uhr ordinieren. Und zwar, das ist ein nächstes, überaus originelles Detail in der Sache, im Hause von k.u.l.m. (Kulm 49, 8212 Pischelsdorf).

Fein! Und ich will nicht zimperlich sein. Zwar wäre ich vermutlich gerne um Thema und Titel meines Vortrages gefragt worden, doch wenn es nun schon da steht, kann ich mich natürlich auch danach richten: „kulturpolitiken im ländlichen raum”. Das läßt ja einigen Spielraum zu.

Bei "kunst ost" versuchen wir klarzustellen: Uns gibt es auf jeden Fall und was wir tun, hat Bestand wie Perspektive; Politik und Verwaltung sind eingeladen, mit uns zu kooperieren

Bemerkenswert ist, daß ich per Einladung (siehe oben) der Bezirkshauptstadt Weiz einverleibt wurde, wo ich doch mein Schicksal angefleht habe, man möge über nun schon mehrere Jahrzehnte bemerkt haben, daß meine Arbeit von Gleisdorf ausgeht. Aber das ist andrerseits ein origineller Beitrag zum momentan so akuten Thema der „Zentrum-Provinz-Spannungen“ in der Region.

Es trägt uns ja eine Verwaltungsreform zu neuen Ufern und da bleibt demnächst kaum eine Gemeindegrenze auf der alten. Das sorgt für heftige Emotionen in der Oststeiermark; siehe etwa: [link] Da sollte es also auch einmal Gleisdorf zu spüren bekommen, wie es ist, wenn man als Weiz wahrgenommen wird, was sich sonst Ludersdorf, Albersdorf etc. von Gleisdorf gefallen lassen muß ;-)))

So gesehen wurde mir der Ball in launiger Weise aufgelegt. Es ist auch die überaus richtige Zeit, um aktuell zu klären, was genau wir uns eigentlich unter Kulturpolitik vorstellen und wer darin welche Positionen einnehmen könnte. Bei kunst ost haben wir inzwischen klar demonstriert, daß die inhaltliche Arbeit und das Definieren von Rahmenbedingungen erst einmal von uns ausgeht, also Sache der Zivilgesellschaft ist.

Aus dieser Arbeitshaltung heraus bestimmen wir auch, welche wesentlichern Ereignislinien geplant und praktisch verfolgt werden. Davon ausgehend suchen wir den Diskurs mit Leuten aus der kommunalen Kulturpolitik und die Kooperation mit Leuten aus der Verwaltung.

Dabei ist die Hauptposition genau NICHT dem Motto: „Wir wünschen, Ihr bezahlt, wir spielen!“ gewidmet. Wir haben auch keine Erwartung, daß eine hundertprozentige Finanzierung durch die öffentliche Hand verhandelbar und erreichbar wäre. Polemisch verkürzt: Hundert Prozent Abhängigkeit vom Staat assoziiere ich mit Nordkorea, aber nicht mit Österreich.

Ich hab das schon im vorigen Eintrag thematisiert: [link] Inklusive der regionalpolitischen Unruhe, mit der wir rechnen müssen, weil der 31.12.2014 ein hartes Datum ist, bei dessen Vorlauf wir ebenso Belastungen erwarten müssen wie in der Zeit danach.

Wir müssen also JETZT darüber reden, auf welche Art wir uns wappnen können, wenn die realpolitischen Kräftespiele ihr Personal derart belasten, daß sie vermutlich als erstes das Thema Kunst & Kultur über Bord werfen werden. Ich habe bei einem steirischen LEADER Kultur-Treffen [link] vor einigen Tagen genau das zum Auftakt der Session herausgestrichen. Alles schon dagewesen! Nun sollten wir nicht mehr kalt erwischt werden, sondern gut aufgewärmt sein, wenn es eng wird.

Zur Erinnerung: Im Jahr 2010 hatte der Österreichische Gemeindebund Bevölkerung und Orts-Chefs befragen lassen, in welchen Bereichen Einsparungen am ehesten Akzeptiert würden. Spitzenreiter wurden dabei Kunst & Kultur mit 92% bzw. 95% Akzeptanz für Kürzungen. So kam es dann auch.

Diesmal wissen wir was kommen wird und wann es kommen wird…

— [übersicht] —

kopfbahnhof

„Ein neuer Ort für die Kunst und ihre Bereiche des Lebens in sich wandelnden Zeiten stellt sich vor – versucht zu zeigen, was vorstellbar ist.“ Kathi Velik, die „Stationsvorsteherin“ der Kulturinitiative „kopfbahnhof“ Bad Gleichenberg, hat nun ihre Crew formiert, um den 5. Mai abzurunden. Wir werden per Zug von Gleisdorf über Feldbach nach Bad Gleichenberg anreisen, um das „April-Festival“ von kunst ost abzuschließen: [link]

Das „Performance Writing Weekend“ von Arnolfini

Dazu gehört eine online-Verknüpfung mit dem „Performance Writing Weekend“ von Arnolfini: [link] Genauer: 17:30 UpStage: Internet-liveperformance „make-shift“ von Helen Varley Jamieson (NZ) und Paula Cruchlow (UK) Interactive screening as part of PW12

Außerdem gibt es Akzente am Saxophon von Eva Ursprung und Thomas Rottleuthner. Die Zuglotsinnen und Weichenstellerinnen der kopfbahnhof-Crew aus der südöstlichen Steiermark sind: Bernadette Moser, Erwin Stefanie Posarnig, Karin Scheucher, Andrea Schlemmer, Marlene Stoisser und Kathrin Velik.

— [schaumbad] —

Das Buch von Renate Krammer

Künstlerin Renate Krammer gehört zu den markanten Bezugspunkten laufender Veranstaltungen von kunst ost. Vor allem ihr grafisches Werk demonstriert eine Tiefe, wo mit Ausdauer die langen Handlungsstränge ihres Tuns zu ästhetischen Erscheinungen führen, die neben ihren Themen, Inhalten, eben auch jene Zeit des Handelns repräsentieren.

Dieser Krammer’sche Weg ist nun Thema eines Buches, das am 8. Mai in Wien präsentiert wird. Renate Krammers „Linien/Lines“, erschienen in der edition keiper, bietet einen detailreichen Eindruck in diese kräfte- und zeitraubende Arbeit. Einige Blätter daraus sind hier als PDF-Dokument downloadbar: [link]

Philosoph Erwin Fiala präzisiert an einer Stelle des Buches, wie dann auch die Betrachtenden in das Prozeßhafte einbezogen werden: „Wird eine Fläche primär durch die Linie gestaltet, durch die zeichnerische Geste, so muss sie durch die Imagination des Betrachters ergänzt werden – und gerade darin liegt ein Merkmal der spezifischen Qualität des Graphischen.“

Renate Krammer (Foto: edition keiper)

Fiala an anderer Stelle: „Renate Krammer geht es zunächst aber darum, wie schnell die einfachsten piktographischen Formen und Zeichen beginnen, den Kommunikationsalltag zu determinieren und zu regeln, …“

Das verweist zum Beispiel auf die Anforderung, mit der wir im Alltag stets konfrontiert werden. Über eine Zeichenflut, mit welcher nicht bloß der öffentliche Raum intensiv bespielt wird, dringen stets Nachrichtern, Botschaften, Angebote auf uns ein. Während dieser Teil unsere Alltags davon geprägt ist, daß uns über solche Kanäle stets etwas angedient, verkauft, angedreht werden will, schaffen Kunstwerke ganz andere Zusammenhänge, in denen unsere „Blickkompetenz“ gefordert ist, unsere Fähigkeit, visuelle Codes zu lesen und zu dechiffrieren.

Übrigens! Bei unsere abschließenden Session zum „April-Festival“ im Bad Gleichenberger „Kopfbahnhof“ wird eine filmische Arbeit von Renate Krammer zu sehen sein: [link]

— [Krammer: Home] —

FrauenMonat: Nächste Serie

Im Jahr 2011 war der FrauenMonat, den kunst ost alljährlich veranstaltet, von den feinen und geistreichen Arbeiten der Künstlerin Ulla Rauter dominiert. Im Jahr davor durften wir eine bewegende Schau mit Arbeiten von Jelena Juresa zeigen.

Ulla Rauter

Mir ist es sehr wichtig, daß wir unsere regionale Kunstpraxis stets auch mit Impulsen von außen anreichern können. Andere Sichtweisen, andere Verfahrensweisen, überraschende handwerkliche Modi… Hinzu kommt, daß wir seit einer Weile den Themenschwerpunkt „Frauen, Macht und Technik“ bearbeiten.

Das hat uns eine sehr verblüffende Überraschung ins Haus gebracht. Seit etwa einem halben Jahr scheint dieses Thema eine enorme Relevanz zu gewinnen, vor allem in den letzten Monaten ist es auch medial überaus präsent.

Das hat für uns zwei besondere Vorteile. Erstens sind wir in dieser Themenstellung mehr als fit und nun schon mit etlicher Praxis auf dem Set unterwegs, zweitens gehen auf einmal Türen auf, an die wir vorher noch gar nicht gedacht hatten.

Kommenden Juni wird demnach der FrauenMonat wieder dem Thema Frauen und Technik gewidmet sein, genauer: dem Auftakt eines FMTech_Lab, dessen Konzept unsere Kuratorin Mirjana Peitler-Selakov erarbeitet hat.

“Da sich die Energie-Region Weiz-Gleisdorf als Gebiet der Kreativität, Forschung und Innovation entwickelt und weiter entwickeln möchte, halten wir es für unverzichtbar, in diesen Bereichen Frauen bzw. Mädchen intensiv einzubeziehen. Diverse Quellen der Kreativität (Kunst, Kultur) sollen sich mit den Elementen der Wissenschaft und Technik bzw. der Neuen Technologien verbinden. Und zwar in einem speziell dafür vorgesehenem Modell: im FMTech_Lab.

Mirjana Peitler-Selakov ist nicht nur Kunsthistorikerin (sie schließt gerade ihre Dissertation ab), ihre aktuelle Funktion als Functional Safety Manager bei der MAGNA E-Car Systems GmbH stellt eine reale Verbindung zur Welt von Forschung und Entwicklung in der Technikwelt dar.

Nun zum kommenden FrauenMonat. Da werden einerseits Stefanie Wuschitz und Miss Baltazars Laboratory ordinieren, andrerseits haben wir Niki Passath dabei, mit dem schon ein paar sehr anregenden Sessions hinter uns liegen.

Ich darf versichern, daß wir auch heuer wieder sehr spannende Zusammenkünfte erleben werden, aus denen sich für die eigene Kunstpraxis, egal in welchem Genre, Anregungen mitnehmen lassen.

+) Miss Baltazars Laboratory
+) Interview with Stefanie Wuschitz, part 1: On Women, Technology and Hacking Playground
+) Interview with Stefanie Wuschitz, part 2: Don’t scare of technology, dismantle it!
+) Niki Passath

— [FrauenMonat] —

April-Festival: Im „kopfbahnhof“

Künstlerin Kathi Velik teilt mit: „Ihr seid alle herzlich eingeladen, am 5. Mai zur Abschlußveranstaltung des April-Festivals von kunst ost und zum Debut des kopfbahnhof Bad Gleichenberg anzureisen!“

Sie kündigt an: „Ein Neuer Ort für die Kunst und ihre Bereiche des Lebens in sich wandelnden Zeiten stellt sich vor — versucht zu zeigen, was vorstellbar ist.“

Neu in der Region: Die Kulturinitiuative "kopfbahnhof"

Diese Ausfahrt und Ankunft ist zugleich die Abschlussveranstaltung des April-Festivals von kunst ost, in dem Kunstschaffende aus den östlichen Regionen der Steiermark sich zusammengetan haben, um neue Arbeiten zu präsentieren. Ziel ist der kopfbahnhof Bad Gleichenberg, welcher somit sein Debüt als Kulturveranstaltungsplatz feiert.

Das Programm „Leben: Die Praxis der Zuversicht“ zeigt sich hier als „memo“ – als Summe zarter Ansätze einer keimenden Idee durch Fragmente aus dem Festival und im Gartenprojekt „art-greening“, mit Unkraut und anderem Gemüse.

+) Die kunst ost-Crew: Irmgard Hierzer, Michaela Knittelfelder-Lang, Renate Krammer, Martin Krusche, Franz Sattler und Christian Strassegger.

+) Die Zuglotsinnen und Weichenstellerinnen der kopfbahnhof-Crew aus der südöstlichen Steiermark: Bernadette Moser, Karin Scheucher, Andrea Schlemmer, Marlene Stoisser und Kathrin Velik.

+) Die Reise
Eine Zugfahrt von Gleisdorf zum kopfbahnhof Bad Gleichenberg (auf der Monsieur Emile ein neues „Traktat des Avantourismus“ verfasst), begleitet von Kunstschaffenden, Kunst und Publikum, dienstlich betreut von Fahrdienstleiter Martin Krusche:
— Abfahrt: 13:30 Uhr, Bahnhof Gleisdorf
— Ankunft: 14:52 Uhr, Bahnhof Bad Gleichenberg
(Der Fahrkartenautomat nimmt Münzen und Bankomatkarten an!)

— 15:00 Uhr, Eröffnung der Ausstellung „Leben: Die Praxis der Zuversicht“ im kopfbahnhof mit Akzenten am Saxophon von Eva Ursprung und Thomas Rottleuthner
— 18:00 Uhr, „Eternal Charts“

— Letzte Rückfahrt mit dem Zug um 19:09 Uhr!

Weitere Infos zu Rückfahrmöglichkeiten mit dem Bus bitte selbst recherchieren oder für etwaige Rückfahrgemeinschaften bzw. Unterkünfte sorgen.

— Check: ÖBB-Fahrplan

Für alle AutofahrerInnen und Fahrgemeinschaften:
Autobahn A2 Richtung Wien/Graz – Abfahrt Gleisdorf Süd – Richtung Feldbach – mit Umfahrung weiter bis Bad Gleichenberg, vorbei an Fa. Kiefer Halle – zum unteren Ortskern MEZ – Kreisverkehr nach ortseinwärts – Bahnhof – (Gemeindeparkplatz). Genauer: Bahnhofstr. 3, 8344 Bad Gleichenberg

— Die Route: [link]
— Kontakt in dringenden Fällen: 0664 / 35.50.456

Vorsicht nach 22:00 Uhr ist der kopfbahnhof nachtaktiv. Ein überlanges Bleiben oder Tanzmusik kann nicht ausgeschlossen werden!

— [notizen] —

Wovon handelt Kulturpolitik? #19

Unter meinen Notizen findet sich folgende Passage: “In einer Rezession konsolidieren sich die Starken.” Das sagte der Gleisdorfer Kunstsammler Erich Wolf in einem unserer Gespräche. Als Unternehmensberater und Wirtschaftstreuhänder wird er damit wohl kein Bonmot fabriziert haben, sondern einen Hinweis auf den konkreten Lauf der Dinge. (Zu Wolf und styrian contemporary siehe: [link]!)

Ich schließe daraus: Die Konsolidierung der Starken geht in einer Rezession zwangsläufig auf Kosten der Schwachen. Sollen wir daher versuchen, uns auf die Seite der Starken zu bringen? Das hieße bloß, diesen unverschämten Modus zu bestätigen.

Kunstsammler Erich Wolf: "Kurzfristig tut sich überhaupt nichts. Ernsthaftes Arneiten und Kämpfen um Unverwechselbarkeit sind notwendig."

Ich würde bevorzugen, daß wir uns überlegen, wie der Modus zu ändern wäre. Ich denke, in regionaler Dimension ist das realistisch und machbar. Es dürften dazu bloß momentan gängige Protest-Posen nicht ausreichen. Ich meine, was unter dem Stichwort „BürgerInnenbeteiligung“ zur Debatte stünde, müßte beim Wort genommen werden: als BETEILIGUNG.

Derlei Aufraffen, derlei Eingreifen, dieses Hineingehen in die Agenda eines Gemeinwesens ist zugleich auch das Ende jeder wie immer gezimmerten Unschuld. Dann sind es nämlich nicht mehr „die Anderen“, die dies oder das zu verantworten haben, dann ist man selbst mit im Boot jener, die Verantwortung tragen.

Vielleicht höre ich deshalb an so manchen Ecken Protestgeschrei, dem kein eigenes Handeln folgen will. Gerade im Kulturbereich ist das momentan sehr populär. Es kursieren endlose Listen der Vorhaltungen an Politik und Verwaltung. Aber wo ist der konsequenten und vor allem öffentliche kulturpolitische Diskurs? Wo finde ich anregende Beispiele einer Best Practice, die genau NICHT einfach nur das reproduziert, was wir schon in den 1970er- und 80er-Jahren entwickelt haben? Was weist konkret in die nahe Zukunft?

Kulturpolitik darf kein Schattenspiel sein!

In diesen Belangen mangelt es erheblich. Wenigstens drei Viertel von dem, was ich, wenn ich die Steiermark im Blickfeld behalte, in derlei Fragen momentan zu lesen bekomme, handelt von einer etwas gespenstischen Option: Der Staat möge für dies und das, aber speziell möglichst für alles aufkommen. Das bedeutet, polemisch verkürzt, hier ruft ein ganzes Metier nach gut hundert Prozent Abhängigkeit vom Staat. Und das im Namen der Freiheit der Kunst.

Ich hätte es gerne leichter, denn meine Mühen um ein adäquates Jahreseinkommen sind in den letzten Jahren immer mehr geworden, damit ich nur gering unter das absacke, was ich vor Jahren verdienen konnte. Das ist ein sehr anstrengender Weg, auf dem ich inzwischen laufend Grenzen meiner Belastbarkeit erfahre. Aber das brächte mich nicht auf die beunruhigende Idee, mir hundert Prozent Abhängigkeit vom Staat zu wünschen.

Das bedeutet freilich, falls mir mein gegenwärtiger Marktwert als Kunstschaffender nicht erlaubt, auf dem Kunstmarkt ausreichend Geld zu lukrieren, und das trifft vermutlich auf weit mehr als drei Viertel Österreichs Kunstschaffender zu, brauchen wir kulturpolitische und künstlerische Strategien, die der Option „hundert Prozent Abhängigkeit vom Staat“ etwas Konkretes gegenüberstellen.

Wenn ich das so hinschreibe, meint es freilich, daß ich nicht bloß träume, sondern konkret an solchen Strategien arbeite und daß ich erprobe, was mir bisher eingefallen ist. Ich hab hier schon mehrfach angedeutet: Kulturpolitik ist NICHT, was Funktionstragende der Politik generieren, sondern was aus dem Kräftespiel zwischen ihnen und uns und anderen Leuten entsteht. DAS ist POLITIK.

Diese Ansicht verlangt unausweichlich, auch die eigene Position als eine aktive zu entwickeln, in der Konzept und Initiative keine Fremdwörter sind.

Es war in meiner Gegend überaus anstrengend, die letzten Jahre ökonomisch zu bewältigen. Ich wäre am Rande der Verzweiflung, würden sich jetzt nicht positive Tendenzen abzeichnen, die leichteres Fahrwasser versprechen.

Aber ich schätze die Erfahrungen, daß im regionalen Kulturgeschehen der Fokus ganz eindeutig auf die zivilgesellschaftliche Initiative und Verantwortung gestellt ist. Das bedeutet, WIR haben entworfen und erprobt, was kulturpolitische Optionen für die nahe Zukunft sind. Die Regionalpolitik zeigt, daß sie diese Arbeit nicht ignorieren wird.

2015 wird die Steiermark von der Verwaltung her radikal verändert sein

Es gibt ein Datum, VOR dem wir nichts zu lachen haben werden und NACH dem auch anstrengende Passagen winken. Am 31.12.2014 endet formell das, was wir von der Verwaltung her bisher als „die Steiermark“ kannten. Die aktuelle Verwaltungsreform wird dazu führen, daß dann unausweichlich neue Gemeindegrenzen gezogen werden und alle Erlässe neu erlassen werden müssen etc.

Das soll mit den Wahlen im März 2015 abgeschlossen sein. Bedenkt man, wie viel Widerstand diese Aussicht schon jetzt in den vor allem kleinen Gemeinden auslöst, müssen wir uns auf eine gewaltige Konfliktlage einstellen. (Siehe: Unruhe in der Kleinregion!)

Die Erfahrungen der letzten Jahre belegen: Wird es den kommunalen Kräften zu eng, geht als allererstes die Kulturpolitik über Bord, denn wir haben keinen breiten gesellschaftlichen Konsens, daß das ein Thema von hoher Priorität sei. Es wird also Zeit, daß wir uns für das wappnen, was absehbar ist.

— [übersicht] —

Gut gelaunter Gemeinderat

Während wir bei der Berichterstattung über Österreichs Bundespolitik aus Parlament oder Club-Alltag längst schon einen schäbigem Tonfall kennen, möchte man fast nicht glauben, wie entspannt und freundlich es im Gleisdorfer Gemeinderat zugeht.

Dabei hilft gewiß die Tatsache, daß der Haushalt des Vorjahres, rund 16,7 Millionen Euro, als ausgeglichen und korrekt gilt. Fritz Aigner (FP): „Es gab keine Beanstandungen in der Buchhaltung.“ Paul Stoschitzky (SP) und Karin Reder (Grüne) bekräftigten, daß Budgetüberschreitungen gut begründet waren und aus verfügbaren Mitteln abgedeckt werden konnten. Das alte und das aktuelle Budget (Ordentlicher Haushalt 2012) findet man auf der Website von Gleisdorf als PDF-Datei.

Hier die Übersicht der Gleisdorfer Budgets der letzten Jahre: [link]

Zwischenbemerkung: Auch die Umgebungsgemeinden Gleisdorfs gelten als florierende Kommunen. Es ist zur Zeit keine „Abgangsgemeinde“ darunter, also ein Haushalt in tiefroten Zahlen. Dieses Detail ist nicht unerheblich, wenn man über das Thema „Kleinregion“ und Gemeindezusammenlegungen nachdenkt. Aber dazu später noch ein paar Takte.

Vizebürgermeisterin Christa Lang ist beim Abstimmen höchst konzentriert.

Diesmal wurde ein Grundsatzbeschluß von großer sozialer Bedeutung gefällt. Die Sonnenhauptschule ist Basis eines „Haus des Kindes“, für dessen Errichtung nun eine Steuerungsgruppe formiert wird. Den Vorsitz führt Wolfgang Weber (SP). Wichtig ist für die Zukunft der Kinder auch der Vertragsabschluß zum Thema „Lehre mit Matura“.

Vizebürgermeisterin Christa Lang (SP), die Bürgermeister Christoph Stark (VP) zum nahen Geburtstag gratulierte, kam auf ihre beharrliche Forderung nach einem WC im GEZ zu sprechen. Stark: „Ich habe eine mündliche Zusage, daß eine öffentliche WC-Anlage errichtet wird.“ Dafür waren Verhandlungen um eine Erweiterung des Park & Ride-Terrains im Bereich Neubaugasse im Sand verlaufen, weil die ÖBB kein Budget übrig haben.

Mirko Franschitz (VP) erzählte, man sei bei der Rettung nach der Kilometerleistung jüngst sieben Mal rund um die Erde gefahren. Er schlug einige engagierte Leute aus dem Rot Kreuz-Bereich für Ehrungen vor: „Wenn jemand bereit ist, für die Gemeinschaft etwas zu tun, dann soll das auch bemerkt werden.“

Bemerkenswertes Detail: Fritz Aigner (FP) schlug vor, das Kulturbudget zu erhöhen, statt zusätzliche Ausgaben durch Nachbedeckungen zu bestreiten. Ein erster klarer Wegweiser in die Richtung eine neuerlichen Aufwertung des Kulturbereiches.

Tamara Niederbacher, hier neben Josef Wurm, verlangt der Runde im Bereich Rechnungswesen einiges ab.

In der Sache halte ich für grundlegend, daß die Gemeinde mit Sicherheit nicht Richtung „Selbstbedienungsladen“ oder „kultureller Rundumservice“ gehen wird, sondern eher auf engagierte Bürgerinnen und Bürger setzt, die ihrerseits Ideen erarbeiten, wovon die kulturelle Entwicklung der Stadt handeln möge und was davon im Sinne einer BürgerInnenbeteiligung von der Basis her getan werden kann.

Zum heißen Thema Gemeindestrukturreform sagte Stark, er habe mit allen Umgebungsgemeinden bilaterale Gespräche geführt. „Die Fusionslust der Kolleginnen und Kollegen ist bestenfalls homöopathisch vorhanden.“ Im April sollen Debatten mit der Bevölkerung der „Kleinregion Gleisdorf“ absolviert werden, Ende Mai des Jahres werde man sich dem „Amtsvorschlag“ des Landes Steiermark stellen.

Das Aviso ist klar: „2014/2015 muß sehr viel umgesetzt werden.“ Und zwar in kurzer Zeit, denn die Neuordnung soll in den Wahlen im März 2015 bestätigt werden. Siehe zu diesem Thema auch: „Unruhe in der Kleinregion“ [link]

styrian contemporary

Ich hab im vorigen Beitrag [link] deutlich zu machen versucht, wie wir gerade bei kunst ost konkret zu machen beginnen, was an Zusammenwirken von Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft a) wünschenswert und b) realistisch erscheint. Von unserer Kooperation mit Kunstsammler Erich Wolf war hier schon öfter die Rede: [link]

Kunstsammler Erich Wolf

Von meinen Erörterungen mit Historiker Robert F. Hausmann hab ich auch schon erzählt: [link] Nun saß ich mit beiden an einem Tisch, weil ich angenommen hatte, es gebe einige Fragestellungen, die uns gemeinsam interessieren, also könnten wir eventuell auch einige Aufgabenstellungen finden, für die uns Kooperation reizen mag. Da geht es um Kunst und Wissenschaft, im Kielwasser dieser Optionen natürlich auch um die Wirtschaft.

Ich bevorzuge solche Kräftespiele. Meine eigene künstlerische Praxis hat ja sehr viel mehr den Charakter von Forschungstätigkeit, als daß sie vor allem an ein Publikum adressiert wäre. Mit dieser Tendenz bin ich keinesfalls allein auf weiter Flur. Wolf hat als Sammler (mit dem Schwerpunkt bildender Kunst der Steiermark nach 1945) eine sehr aktuelle Vorstellung vom Status quo. Er sagte: „Die Kunst war nie zuvor so wissenschaftsaffin wie heute.“

Historiker Robert F. Hausmann

Was das Potential für eine Kooperation dieser beiden Genres betrifft, nannte Wolf einen recht interessanten Aspekt: „Die Kunst kann dort weiter gehen, wo die Wissenschaft aufgrund ihrer Bedingungen einmal innehalten muß.“ Außerdem betonte er, auch das Kunstpublikum müsse sich heutzutage mehr mit Zugängen zur Wissenschaft befassen, um Zugänge zur Kunst zu finden.

Damit bin ich erneut bei dem im vorigen Beitrag [link] zitierten Richard Buckminster Fuller: “Je fortgeschrittener Wissenschaft ist, desto näher kommt sie der Kunst. Je fortgeschrittener Kunst ist, desto näher kommt sie der Wissenschaft.”

Historiker Hausmann berührte in unserem Gespräch dann noch einen äußerst brisanten Punkt, der heute, was seine Wirkung angeht, zu gerne übersehen wird oder unzureichend bewertet wird: „Im 19. Jahrhundert kommt die Freizeit. Was tut man damit?“

Wir sehen heute, daß eine mit Milliarden-Budgets gerüstete Freizeitindustrie, eng begleitet von Medienkonzernen, um die von Erwerbstätigkeit freie Zeit und das Geld der Menschen ringt. Diesem Kräftespiel stehen wir Kulturschaffende in der Wissensarbeit und im kulturellen Engagement gegenüber. Das ist kein einfaches Match!

In diesem Zusammenhang sei notiert: Der Verein „styrian contemporary“ (Federführend: Erich Wolf) ist gerade in seiner Gründungsphase und wird in Kürze als formeller Kooperationspartner von kunst ost und kultur.at im regionalen Kulturgeschehen auftauchen.

Wir werden so zwar die vorhin angedeuteten Major Companies der Freizeit- und Medienindustrie nicht anrempeln können, aber wir werden eine klare, regionale Position zugunsten von Bildung, Kunst und Kultur errichten. Neugier, Debatten, Wissenserwerb, ästhetische Erfahrungen…

Wissenschaft und Kunst

Am Beginn des 20. Jahrhunderts war es bei etlichen Leuten der Russischen Avantgarde selbstverständlich, daß sie sich nicht nur als Kunstschaffende, sondern auch als Forschende verstehen. Kasimir Malewitsch ist eines der exponiertesten Beispiel für diese Haltung. Der Einfluß der der Russischen Avantgarde auf die westliche Kunst des vorigen Jahrhunderts kann gar nicht überschätzt werden.

Kasimir Malewitsch: Skizze zum 5. Bild der Oper Sieg über die Sonne, 1913

Das frühe zwanzigste Jahrhundert war von einer enormen Welle wissenschaftlicher Erkenntnisse und technologischer Innovationen geprägt. Diese Phänomene fanden ein markantes Echo unter den Kunstschaffenden. Das hat sich über die folgenden Jahrzehnte vertieft und ausdifferenziert.

Ich bin vor einigen Jahren von Medienkünstlerin Victoria Vesna auf eine exponierten Bezugspunkt in dieser Sache gebracht worden. Sie selbst ist ein starkes Beispiel dafür, wie in der Kunst Fragen und Verfahrensweisen der Wissenschaft aufgegriffen werden, wie aber auch umgekehrt Strategien der Kunst im Wissenschaftlichen Resonanz finden.

Victoria Vesna beim Bau ihres "Quantum Tunnel"

Sie erzählte mir von Richard Buckminster Fuller, der schon in den 1930er-Jahren überzeugt gewesen sei: „Je fortgeschrittener Wissenschaft ist, desto näher kommt sie der Kunst. Je fortgeschrittener Kunst ist, desto näher kommt sie der Wissenschaft.“ [Quelle] Zu Buckminster Fuller siehe: [link]

Kontakt und Wechselwirkung von Wissenschaft und Kunst haben also eine erhebliche Vorgeschichte. Aus diesem Zusammenhang ergibt sich auch eine auffällige Entwicklung, in der nicht mehr „das schöne Bild“ oder „das wohlgefällige Werk“ im Blickfeld steht, sondern das Bearbeiten von Frage- und Aufgabenstellungen. Prozesse statt Werke als Artefakte, das nahm in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts enorm zu.

In diesem Zusammenhang ist es auch zu verstehen, daß etwa kunst ost über die ausdrückliche Einrichtung eines „Labors“ solche Optionen berührt hat: [link] Heute ist dieser Prozeß bei uns schon in einer nächsten Phase. Das führte uns etwa zur Themenstellung „Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft“: [link]

Das führt uns auch zu jenem von Mirjana Peitler-Selakov entworfenen „Tech_Lab“, an das wir mit dem kommenden FrauenMonat [link] von kunst ost ein Stück näher rücken werden. In Summe bedeutet das etwa, wir bemühen uns, auf der Höhe der Zeit zu klären, wie diese drei Genres — Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft – fruchtbar interagieren und in der Folge kooperieren können.

Das soll uns zweierlei bieten. Erstens ein lebhaftes und anregendes Betätigungsfeld, auf dem Menschen mit höchst unterschiedlichen Kompetenzen einen interessanten Möglichkeitsraum vorfinden. Zweitens eine Arbeitsansatz, in dem sich neue Optionen abzeichnen, wie die drei Sektoren Staat, Markt und Zivilgesellschaft kooperieren können.

Unruhe durch Umbrüche

Der Informationsabend zum Thema Gemeindezusammenlegungen war von einer Brisanz, die ich weit unterschätzt habe. Vor allem war mir nicht klar, wie bald schon neue Faktenlagen auf gesetzlicher Ebene den Zustand der Steiermark verändern werden. Der Tag steht inzwischen fest. Es ist der 31.12.2014.

Angesichts der Tatsache, daß Fusionen kommen werden und auch gegen Widerstände durchgesetzt werden sollen, erscheint es mir etwas gespenstisch, wie wenig öffentlicher Diskurs in der Sache bisher stattfindet. Die Konsequenzen dieses Prozesses und seiner Ergebnisse werden auch für uns Kulturschaffende fundamental sein.

Bürgermeister Christoph Stark (links) und Kunstsammler Erich Wolf beim Diskussionsabend zum Thema "Gemeindezusammenlegung"

Vor allem aber werden unsere langjährigen Bemühungen dort leiden, wo wir auf Kooperationen mit den Gemeinden aus sind, denn wo Unfriede und womöglich Konfusion herrschen, bekommt der Kulturbetrieb als erstes Schläge und Abfuhren. Das haben die letzten Jahre deutlich gezeigt.

Der erste Teil meine Notizen zu einem der Diskussionsabende ist im Projekt-Logbuch zusammengefaßt: [link]

Ich bin durchaus beunruhigt und meine, wir sollten uns wappnen, vor allem aber in der Netzwerkbildung und in praktischen Kooperationen vorankommen. Ähnliche Unruhe kommt nämlich längst auch in den diversen LEADER-Managements auf, weil schon eine Weile klar ist, daß die steirischen LEADER-Regionen beizeiten über Fusionen in der Anzahl verringert werden.

Auch diese Unruhe betrifft uns, weil es eine neue LEADER-Periode geben wird, für die der Pionierbereich „LEADER Kultur“ in die Gänge kommen muß, um weiter in diesem Rahmen arbeiten zu können.

Historiker Robert F. Hasumann beim Diskussionsabend zum Thema "Gemeindezusammenlegung"

Ich hab allerdings auch gute Nachrichten auf Lager. Seit heute ist klar, daß kunst ost eine Kooperation mit dem BG/BRG Gleisdorf [link] eingeht, um, den Themenschwerpunkt „Frauen und Technik“ längerfristig zu bearbeiten. Unsere Kuratorin Mirjana Peitler-Selakov und Schulleiter Nikolas Schweighofer haben sich eben über Details geeinigt. (Zum Themenschwerpunkt „Tech_Lab“ siehe:Gleisdorf als Angelpunkt!)

Von unserem kommenden Kunst-Symposion hab ich schon mehrfach erzählt. „Regionalität und Realität // Globalität und Virtualität“ wird am 7. und 8. September dieses Jahres in Gleisdorf stattfinden. Außerdem will sich die Grazer Geschichtswissenschaft in das regionale Kulturgeschehen der Steiermark einbringen; davon habe ich im Beitrag „Kulturgeschichte und Kulturgeschehen“ berichtet: [link]

Dabei fiel mir auf, daß es zwischen diesen beiden Themenkomplexen vielleicht Schnittpunkte geben könnte, die eventuell das Potential für eine längerfristige Kooperation hätten. Um das herauszufinden, werde ich in den nächsten Tagen mit Kunstsammler Erich Wolf und mit Historiker Robert F. Hausmann ein gemeinsames Arbeitsgespräch führen.

Es muß überhaupt erst einmal abgeklopft werden, was diese meine Idee taugt, aber ich bin eigentlich sehr zuversichtlich, daß wir mindestens auf einige relevante Fragestellungen kommen, die uns für das regionale Kulturgeschehen interessieren, daraus könnten sich dann auch durchaus ein paar gemeinsame Aufgaben ableiten lassen. Schauen wir einmal, dann sehn wir schon.