Schlagwort-Archiv: treci beograd

Umbruch: Kommen und gehen

Ich finde inzwischen fast schon Vergnügen an dieser Unruhe. Kaum etwas bleibt an seinem Platz. Nichts ist bloß, was es zu sein scheint. Das fordert uns freilich im Kommunikationsverhalten. Es fällt mir momentan eher schwer, meine Sachen beinander zu halten.

Hat neue Aufgaben übernommen: Sandra Kocuvan (Kulturabteilung des Landes)

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Präzisierung für 2013

Vor einem Weilchen habe ich von einer Session in Wien erzählt, da wir auf der Rückfahrt quasi von Insidern erfuhren, der Steiermark stehe in Budgetfragen ein „Tal der Tränen“ bevor: [link] Von der Finanzlandesrätin wurde das kürzlich bestätigt. Vollath: „Für 2014 brauchen wir ein Wunder“ [link]

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Kollektive Aktionen: Rückschau

Wir haben bei “kunst ost” ein Rahmenkonzept für den Jahreslauf erarbeitet, das sich bewährt. Das „April-Festival“ ist jeweils der Schwerpunkt des ersten Halbjahres. Da liegt der Fokus auf den Beiträgen regionaler Kräfte. Im zweiten Halbjahr setzen wir den Schwerpunkt stets auf Kunstprojekte im internationalen Kontext. Den „Angelpunkt“ des ganzen Jahres bildet der „FrauenMonat“, den wir rund um den Juni entfalten: [link]

Von links: Mirjana Peitler-Selakov, Selman Trtovac und Sabine Häsngen

Dieses Grundmuster schafft Fixpunkte, die durch kleine, sehr flexible Aktivitäten verbunden werden. Der herbstliche Kunstschwerpunkt war nun 2011 erstmals außerhalb der Landesgrenzen angelegt. „Virtuosi of Deception. An insight into the universe of the group Collective Actions.” als ein Ereignis in Serbien, zu Gast bei “The Third Belgrade 2011”; das hat seine Wurzeln in unserem 2010er-Herbstschwerpunkt.

Mit „the track: virtuosen der täuschung“ boten wir: „Einen Einblick in das Universum der Gruppe ‚Kollektive Aktionen'“: [link] Damit hatten wir eine der international bedeutendsten Konzeptkunst-Formationen der Gegenwart zu Gast. Und nicht nur das, es entspann sich daraus eine längerfristige Kooperation. Die führte uns im Herbst 2011 an die Ufer der Donau.

Von links: Sergej Letov, Mirjana Peitler-Selakov und Sabine Hänsgen

Das hatte dann eine Reflexionsebene mit einigen Stationen in der Oststeiermark, das spielte sich ferner on the road ab und das löste sich in einer großen, mehrteiligen Station in Beograd ein, bei der die Gruppe „Treci Beograd“ federführend war. Siehe „the track: archive (to recover some context)“: [link]

Fußnote: Der serbische Künstler Selman Trtovac, einer der maßgeblichen Akteure von “Treci Beograd”, wird heuer als Artist in Residence im Grazer “Rondo” ordinieren: [link] In der Zeit werden wir uns mit ihm auch in der Oststeiermark etwas vornehmen. Das wird seine künstlerische Praxis betreffen, aber auch sein kulturelles Engagement; eine weitere Erörterung des Themas „Kollaborative Arbeitsweisen zur Gegenwartskunst“; siehe: [link]

Aber zurück zu den „Kollektiven Aktionen“. Sergej Letov hat nun begonnen, jene Tage und Ereignisse in Serbien auf der KA-Website zu dokumentieren:
>>The installation „Virtuosi of deception“ in “3. Beograd” (October 2012) consisted of a photo- and text-documentation, 2 video projections (Russian World / 1985; The tenth notebook / 1994) and an arrangement of definition texts (the terms of the „Collective Actions“) from the “Dictionary of Moscow conceptualism” shown on the windows of the exhibition hall. Curated by Sabine Hänsgen (D) & Mirjana Peitler-Selakov (A/SRB)<<

Hier der Link zu dieser Dokumentation: [link]
Siehe dazu auch: „altes ufer, neue optionen“ [link]

gleisdorf-session: virtuosen der täuschung

unser abend am 20. oktober 2011 in der gleisdorfer galerie „einraum“ wird sehr verschiedenen aspekten gewidmet sein: [link] dazu eine kleine vorgeschichte.

als in „treci beograd“ die session mit den „kollektiven aktionen“ aus moskau eröffnet wurde (eine weitere station der „virtuosen der täuschung“), sage ein künstler zu mir: „konzeptkunst interessiert mich überhaupt nicht. ich bin maler.“

er ist ein maler, der zum beispiel monate an einem ölbild arbeitet, schicht um schicht, der also ausdauernd in zeit und in material verwoben ist, bis so ein werk entstanden ist.

die vernissage auf dem areal von "treci beograd"

das ist selbstverständlich eine radikal andere verfahrensweise, als eine kunstform, die primär über denken und über text entsteht, um sich dann in aktionen einzulösen und über dokumentar-material evidenz zu erlangen. (siehe dazu auch: „beuys verstand das denken als „quellpunkt aller kreativität“. [link]) es wäre freilich töricht, eines dieser genres gegen das andere auszuspielen.

wenn wir nun im rahmen der „talking communities“ einen schritt der reflexion über solche abläufe setzen, führt das unausweichlich auf mehrere ebenen. für die einen ist künstlerische praxis im herkömmlichen sinn vorrangig, sie fühlen sich dabei nicht auf diskurse angewiesen. für andere ist die debatte über kunst und deren bedingungen ein zentrales feld ihres künstlerischen tuns.

sergej letov ("kollektive aktionen") bei der vernissage: "ich bin kein künstler, ich bin musiker."

zusätzlich fallen noch kulturpolitische fragestellungen an, wo wir allenfalls der auffassung sind, daß kunstgeschehen nicht nur am markt orientiert sein dürfe, daß es deshalb wünschswert erschiene, die öffentliche hand möchte den kunstbetrieb unterstützten, mitfinanzieren.

so oder so, im kern geht es freilich um unsere wahrnehmung und unsere möglichkeiten, aus eingespielten konventionen des sehens und denkens immer wieder auszusteigen, sich quasi selbt zu „entfremden“, um so für neue erfahrungen empfänglich zu werden.

dem sind die abende der „talking communities“ gewidmet; stark gesprächsbezogen, auf die debatte offener fragen gerichtet.

+) eine anregung zu diesem abend von sabine hänsgen: [link]
+) einige offene fragen: [link]
+) the track: archive [link]

altes ufer, neue optionen

diese jüngste reise nach beograd ist von einer irritierenden erfahrung geprägt. zwei leute eines künstlerkollektivs machen ihr privates erbe zum ausgangspunkt eines kraftvollen statements gegenüber der kommune und der gesellschaft. einiges geld, ein grundstück, die kompetenzen eines architekten und zahllose handgriffe schufen das haus von treci beograd, wie es nun am ufer der donau steht; nahe der pancevo-brücke.

das geschah in tagen, wo alle maßgeblichen museen in beograd geschlossen sind, andere kulturelle einrichtungen, wie etwa „remont“, ihre räume aufgegeben haben. eine gruppe kunstschaffender nimmt sich das mandat, die gegenwartskunst nicht nur persönlich zu vertreten, sondern dieser aufgabe auch eine feste struktur zu geben.

das haus von „treci beograd“ an der donau

man blickt von diesem ufer aus auf die ränder der alten stadt. lastkähne werden auf dem breiten fluß bewegt. einige gehminuten entfernt schafft eine schwimmende fördernalage kies aus der donau, der oben verarbeitet und per lkw abtransportiert wird.

ursprünglich standen hier bloß hütten als unterstände für fischer. aus den massiven krisen eine postkriegs-gesellschaft hat also die gegenwartskunst in beograd ein neues ufer erreicht. ich hänge da auch emotional tief drinnen. heute werden wir die vernissage einer weiteren station der „virtuosen der täuschung“ erleben. die kollektiven aktionen aus moskau setzen einen weiteren akzent in dieser unserer geschichte des ringens um neue positionen.

neue positionen als kunstschaffende in einer gesellschaft, die nun ein halbes jahrhundert absolviert hat, das eingen teilen europas einen davor nie gekannten wohlstand gebracht hat, der ganzen welt eine mediensituation, deren konsequenzen wir noch gar nicht ermessen können.

in der zeit unmittelbar nach dem zweiten weltkrieg hat der österreichische philosoph günther anders, angeregt durch seine erfahrungen in der amerikanischen gesellschaft, eine medienkritik formuliert, die im kern besagte, wir würden systeme schaffen, deren dimension und komlexität unsere auffassungsgabe übersteige.

die zweite hälfte des 20. jahrhunderts ist eine ära, in welcher die tv-entwicklung und der tv-konsum unsere gesellschaft verändert haben. im letzten jahrzehnt dieses jahrhunderts, anfang der 1990er-jahre, wurde österreich an das tcp/ip angebunden, das internet-protokoll, über welches zahlreiche edv-gestützte netze zu einem weltumfassenden internet zusammengefaßt wurden.

der serbische künstler selman trtovac

am mittwoch, dem 12. oktober 2011, saß ich mit selman trtovac beim kaffee im „dunavski pirat“. er hatte die deprimierende nachricht gebracht, daß sergej romashko in sehr schlechter gesundheitlicher verfassung sei, deshalb sein kommen absagen mußte. wir sprachen über einige positionen von joseph beuys (siehe dazu: was ist kunst? #20!), mit dessen arbeit sich selman aus seiner zeit in düsseldorf sehr vertraut fühlt. (trtovac war dort schüler von klaus rinke, was eine sehr persönliche verbindung zur arbeit von beuys bedeutet.)

wir debattierten einige aspekte unserer arbeit, notwendigkeiten, bedingungen, optionen. welche art boden ist zu gewinnen? was verlangt es von uns? was bringen wir dafür auf und was tragen wir bei? das 20. jahrhundert liegt nun schon ein gutes jahrzehnt hinter uns. auf selmans weg in diese gegenwart hat sich auch ein brutaler krieg ereignet, der noch einmal alles durchspielte, was europa in fragen der nationalismen und ethnischen konfliktpotenziale an falschen wegen aufzubieten hatte. ich betone hier ausdrücklich: europa, nicht der balkan. in diesem teil der geschichte hängen wir alle drinnen.

worin mir selman zustimmte: der einsame held, der sich in das rad der geschichte wirft, um den lauf der welt zu ändern, ist ein rollenmodell, das sich erledigt hat. dieser typ ist ein wasserträger der tyrannis. wir haben an anderen optionen zu arbeiten.

aber wozu sind kollektive in der lage und was kann kollektive krativität leisten? liegen darin auch emanzipatorische möglichkeiten? denn ist ja unübersehbar, daß demokratische gewaltentrennung im staat sehr durchlässig geworden ist. in österreich gibt es außerdem beklemmende beispiele, wie sich spitzenpolitik der wirtschaft und manchen medien angedient hat.

das leben und die kunst. die kunst und der markt.
wie soll sich all das zu einander verhalten?

[the track: archive]

was ist kunst? #20

ich habe im vorigen beitrag behauptet, es würde in meiner näheren umgebung gerade auffallend „beuyseln“. darum noch einige sätze zu diesem thema. das westliche kunstgeschehen hat von marcel duchamp, andy warhol, john cage und joseph beuys im 20. jahrhundert außergewöhnlich starke impulse bezogen.

duchamp hat praktische alle damals bekannten regeln des kunstbetriebes aufgemischt, verworfen. spätestens ab da ist eine irritierende parallelität verschiedener stile und konzepte etwas ganz selbstverständliches. bei beuys angekommen scheint dann auch klar zu sein, daß es im leben kunstschaffender nicht nur um die eigene person und das eigene werk gehen kann.

beuys nutzt, wie andere kunstschaffende auch, seine kompetenzen für eine betrachtung, analyse und kritik bestehender gesellschaftssyseme, poltischer verhältnisse und wirtschaftsformen. er geht dann aber sehr viel weiter und setzt eben diese kompetenzen ein, um — gemeinsam mit anderen — neue ökonomische und gesellschaftliche modi zu entwickeln, die auf dem anspruch begründet sind, sich in der praxis zu bewähren. in diesem zusammenhang besteht die vorstellung eines „erweiterten kunstbegriffs“, der also offensichtlich kein ästhetisches konzept ist, sondern ein politisches.

Joseph-Beuys-Poster für die von dem New Yorker Galeristen Ronald Feldman organisierte US-Vortragstournee Energy Plan for the Western Man von 1974. (GNU license)

wenn joseph beuys proklamiert hat, jeder mensch sei ein künstler, hat er von PORTENZIALEN gesprochen. schöpferische gaben und die möglichkeit des gestaltens von lebenssituationen, von gesellschaftlichen verhältnissen. er sagte dabei ausdrücklich, es gehe nicht darum, daß jeder mensch ein bildhauer, maler oder sänger werde, sondern IN SEINEM FELD schöpferisch und gestaltend tätig werde.

beuys hat seinen erweiterten kunstbegriff auf eine gesamtgesellschaftliche situation und ihre institutionen gemünzt. die soziale skulptur oder plastik, er verwendete beide begriffe, sei eine „neue kunstdisziplin“. was er da entwickelt hat, war AUCH eine kritik am „reduzierten modernen kunstbetrieb“, den er seiner erfahrung nach ähnlich einschränkend empfand wie den wissenschaftsbetrieb.

ich halte es aus solchen gründen für problematisch, wenn schlampig gelesener beuys als konzeptuelle basis für schlampige künstlerische praxis herhalten muß, wenn also künstlerische klitterung, die keiner ausführlicheren debatte standhalten würde, mit beuys’schen kategorien gerechtfertigt würde.

gerade wo beuys seinen „erweiterten kunstbegriff“ erläutert hat, betonte er oftmals, daß es schwierig sei, weil das von einem grundlegenden umdenken und von einem umdeuten vieler begriffe handle. er sagte ausdrücklich, es sei überhaupt nicht möglich, diese dinge bei erstem hören oder erstem lesen zu verstehen. dazu forderte er, man müsse die von ihm und seinen leuten eingeführten begriffe ernst nehmen und ihren gebrauch „üben“, was einlassung und längerfristige befassung verlangt.

beuys deutete seinen erweiterten kunstbegriff anthropologisch, also jeden menschen betreffend. das bezog er, wie erwähnt, auf potenziale, auf menschliche möglichkeiten. daraus leitete er nicht ab, daß die nutzung dieser potenziale zu einer künstlerexistenz, zu einer künstlerischen profession führen müsse. wenn er beispielsweise hervorhob, sein erweiterter kunstbegriff sei identisch mit einem erweiterten ökonomiebegriff, wird deutlich, daß er hier keineswegs ein bestimmtes künstlerisches genre meinte, sondern eine gesamtgesellschaftliche situation.

die kritik, um die es ihm offenbar ging, kennen wir ähnlich, seit kant seinen aufsatz zur frage was „aufklärung“ sei publiziert hat. dort hieß es, aufklärung ist der ausgang aus selbstverschuldeter unmündigkeit. diese unmündigkeit definierte kant so, daß jemand nicht bereit sei, sich seines verstandes ohne anleitung anderer zu bedienen.

beuys verstand das denken als „quellpunkt aller kreativität“. nach seiner überzeugung haben herrschende systeme, wie sie gerade existieren, das selbstständige denken der menschen systematisch verschüttet. medienpraxis, unterhaltungsgeschäft, informationspolitik, all das würde belegen, daß es herrschaftssysteme am liebsten mit schafen zu tun hätten.

dieser text, die folge #20, entstand in beograd, während wir mit einem team der „kollektiven aktionen“ aus moskau bei „treci beograd“ eine weitere station der „virtuosen der täuschung“ erlebten. dabei ging es auch sehr wesentlich um eine künstlerische praxis, die sich nicht primär dem markt verpflichtet, sondern grundlegendere ziele verfolgt. (von links: sergej letov, anica vucetic, mirjana peitler-selakov, selman trtovac und sabine hänsgen)

wenn ich mich also mit jemandem über das thema „erweiterter kunstbegriff“ und „soziale plastik“ unterhalte, führe ich volkommen andere gespräche, als wenn ich mich mit einer kollegin, einem kollegen über meine oder ihre künstlerische praxis unterhalte.

aber! ich habe kein näheres einvernehmen mit kolleginnen und kollegen, die sich NUR für ihre künstlerische praxis interessieren und dabei die befassung mit dem größeren ganzen, mit den gesamtgesellschaftlichen zusammenhängen, ausschlagen. solche leute interesseiren mich nicht. sie müßten schon zu einem bemerkenswerten werk fähig sein, damit mich ihre arbeit fesseln könnte. doch sie selbst langweilen mich, wie mich bohemiens langweilen und noch mehr bohemiens, die sich für rebellen halten.

solche spaßvögel geistern ja in unserem metier immer noch häufig herum. stößt man auf ein geistreiches exemplar, ist etwas kurzweil gesichert. doch diese großspurigen bajazzos im kleinformat, denen man schon allein aufgrund ihres outfits anmerken möchte: „hier kömmt ein künstler!“, schaffen meist nicht einmal drei gerade sätze zum thema kunst.

wir haben aber über kunst zu reden, über ihre aufgabenstellungen, strategien, auch darüber, was heute das geistige bestehen von kunstschaffenden in dieser gesellschaft bedingt und welche rahmenbedingungen das kunstschaffen verlangt, darüber hinaus: welche positionen wir gegenüber den eingeführten institutionen einzunehmen gedenken und welche felder wir besetzen möchten, sie als das terrain unserer praxis und existenz beanspruchen müssen.

[überblick]

markierungen

es ist ein kurioser zufall. gestern kam mit der post die dokumentation „erfolgreich markieren“ von IEFS kiesling & stolberg: [link] das bezieht sich auf ein projekt aus dem jahr 2010, welches hier in der region stattgefunden hat. ursula kiesling und maki stolberg hatten mit „subtile transfers“ eine arbeit im öffentlichen raum realisiert: [link]

die dokumentation zum projekt von 2010

die abschließende präsentation fand als „ein intermezzo im kultursalon von kunst ost“ statt. und zwar in der galerie „einraum“ in gleisdorf: [link] das waren gerade die tage, als die „kollektiven aktionen“ [link] aus moskau bei uns zu gast gewesen sind. der „einraum“ fungierte in diesem zusammenhang als lokale ralais-station.

und so ist es gerade wieder, denn seit heute gehört uns der „einraum“ abermals für ein weilchen als eben solche relais-station; und zwar erneut genau im zusammenhang mit den kollektiven aktionen. diesmal geht es um „the track: archive“ (to recover some context): [link]

ursula kiesling (links) und maki stolberg

diese station ist wieder den „kollektiven aktionen“ gewidmet, die in rund zwei wochen eine serbische station realisieren werden; zu gast bei „treci beograd“: [link] anläßlich dieses ereignisses gibt es unseren gleisdorfer bezugspunkt der geschichte, welcher der reflexion gewidmet ist.

am donnerstag, dem 20. oktober, werden wir im „einraum“ ab 19:00 uhr den „salon“ abhalten: [link]

the track: archive

Kommen, um Werke zu sehen? Selbstverständlich. Eine Vernissage als soziales Ereignis? Nett, aber nicht zwingend notwendig. Ich bevorzuge die Salon-Situation. Das enthält natürlich einen ironischen Querverweis auf den bürgerlichen Salon vergangener Zeiten. (Dafür waren Menschen meiner Herkunft freilich nicht vorgesehen.) Wir werden aber jenseits des Landeszentrums keine urbanen Konzepte aus vergangenen Jahrhunderten reproduzieren.

Salon, das heißt für mich: Diskurs. Debatte. Nicht als Teil eines Stolzierens, sondern als Ausdruck von Wißbegier in der Begegnung mit anregenden Menschen. Das ist eigentlich mein Hauptgrund, mich für Kunstveranstaltungen zu engagieren. Ich brauche ein lebendiges geistiges Klima, um zu existieren. Das läßt sich sehr gut zwischen solchen Ereignissen entfalten. Ohne derlei Veranstaltungen diffusiert es zu sehr, wenn das Jahr lang ist.

von links: sergei letov, sergei romashko, sabine hänsgen und mirjana peitler-selakov

Sie verstehen meine Intention? Repräsentationsakte haben Funktionen, die ich verstehe, denen ich aber nicht die höchste Priorität einräume. Es ist die Befassung mit Kunst, durch die mein Leben wesentlich an Tragfähigkeit gewinnt. Also nicht die Kunst selbst, sondern, wie erwähnt, die Befassung mit Kunst. (Ist der Unterschied klar?)

In dieser Befassung mit Kunst habe ich stille Zeiten ohne die Anwesenheit anderer Menschen. Aber ebenso die lebhaften Momente der Erörterung, Auseinandersetzung, vor allem auch des Zuhörens. Als vor fast genau einem Jahr die Crew der Kollektiven Aktionen auf meiner Strecke erschien, habe ich besondere Augenblicke der Konzentration solcher Möglichkeiten erlebt. Es waren vor allem Sabine Hänsgen und Sergei Romashko, deren Denkweisen und Überlegungen mich auf Monate beschäftigt haben.

Was in jenen Tagen zur Sprache kam, hat gewissermaßen Ausläufer bis in die Gegenwart. Dieses Prozeßhafte, das sich auf die Vorleistungen anderer stützt, um einen selbst im besten Fall zu neuen Positionen zu führen, ist für mich ein zentrales Ereignis künstlerischer Praxis.

Das bedeutet auch, nichts interessiert mich weniger, als der einsame Held, der sich in das Rad der Geschichte werfen möchte, um den Lauf der Welt zu beeinflussen. Dagegen elektrisiert mich das hohe Spannungspotenzial kollektiver Kreativität.

selman trtovac ("treci beograd")

Nun verzweigt sich das gerade weiter. Wie viele Begegnungen hatte ich mit Selman Trtovac von der Formation „Treci Beograd“? Ich denke, es waren gerade einmal zwei. Und ich ahne, wir werden auf Jahre zu tun haben. Das sind Optionen, denen ich anhängen mag.

[the track: archive]

unser projekt-modus

wir haben als kunstschaffende die freiheit, a) auf dem freien markt zu reüssieren und/oder b) in weitgehende abhängigkeit der öffentlichen hand zu gelangen. das hat so seine schlüssigkeit, weil es im kunstbetrieb seit jahrhunderten nie anders war.

spätestens seit malewitsch wissen wir, daß es für eine künstlerexistenz vorteilhaft wäre, wohlhabend zu sein. eigentlich war schon mit flaubert klar, daß eine gut situierte familie einigermaßen hilfreich sein kann, falls sie geneigt ist, unsereinen durchzufüttern beziehungsweise mit einem stattlichen erbe zu versehen.

kunsthistorikerin mirjana peitler-selakov und techniker horst fickel

zwischenzeitlich gab es feuchte träume von einem dasein als bohemien, dessen existenz von der bourgeoisie als derart hinreißend empfunden wird, daß sie von besitzenden mit gutem geld ausgestattet wird. aber solche bilder sind mumpitz.

und überhaupt: es ist doch lächerlich, sich in völlig veralteten bildern zu inszenieren. das 21. jahrhundert ist ja nicht mehr ganz jung, es sollten uns also andere rollenbilder gelingen, sollten zeitgemäße vorstellungen des berufs als künstlerin, als künstler kursieren.

auf der höhe der zeit verfolgen wir also auch noch andere optionen, statt bloß davon zu träumen, eine internationale „marktgröße“ zu sein, beziehungsweise staatliche vollversorgung anzustreben.

künstler gerhard flekatsch

das bedeutet in meinem fall, ich meide den kunstmarkt, also verdiene ich mir mein brot in kunstNAHEN bereichen. eine vergleichbare, wenn auch etwas andere position nimmt künstler gerhard flekatsch ein, der dem engeren kreis unserer kulturspangeangehört.

mirjana peitler-selakov, kuratorin von „kunst ost“, repräsentiert eine weitere rolle in solchen zusammenhängen. dabei ist es kein zufall, daß wir nun eine nächste session mit dem techniker horst fickel absolviert haben.

ein angelpunkt dieser entwicklung: wo ich die ergebnisse meiner künstlerischen praxis nicht auf den markt tragen möchte, mir aber mein brot verdienen muß, habe ich KOMPETENZEN, die ich u.a. aus künstlerischer praxis erwerbe. und DIE kann/will ich sehr wohl auf den markt tragen.

darin liegt also die unterscheidung: als künstler bleibe ich autonom und fühle mich nicht marktabhängig. als kompetenter mitbürger kann ich im gemeinwesen mein geld verdienen. das ermöglicht mir auch gegenüber politik und verwaltung eine andere position als alte konzepte es zuließen.

in solchem zusammenhang entstehen projekte, bei denen wir die kooperation mit kommunen und diversen unternehmen suchen. hier ist es wiederum nicht ein simples „verkaufsschema“, auf das wir abzielen. ausgangspunkt bleibt folgende überlegung: welche fragen und welche aufgabenstellungen zum status quo teilen wir mit den aktuerinnen und akteuren der anderen metiers?

erst die positive beantwortung dieser frage(n) führt zu einem gemeinsamen projekt. das ist in unserem fall an einer konkreten region orientiert, der oststeiermark. dafür haben wir schon vor einer weile folgenden themenbogen festgelegt:

„zwischen landwirtschaft und high tech“

im entwickeln von projekten ist nun der KUNST sozusagen grundsätzliche „parteienstellung“ eingeräumt. das bedeutet, wir setzen zwar überwiegend nicht bei kunstprojekten an, sondern bei vorhaben, die aktuelle fragestellungen zum leben in der region betreffen. dabei werden aber kunstschaffende als eine von mehreren „deutungseliten“ in die bearbeitung einbezogen.

das heißt, künstlerische strategien und verfahrensweisen werden teil der arbeitsprozesse, kunstwerke KÖNNEN, aber müssen nicht zwingend zu beiträgen der projekte geraten. kunstschaffende haben demnach die freiheit, dabei entweder bloß ihre kompetenzen, oder aber auch ihre künstlerischen werke in die waagschalen der vorhaben zu werfen.

das zielt in summe auf KOOPERATION, wo die unterschiedlichen strategien der beteiligten nicht hierarchisch angeordnet werden. dieser zugang, auf aktuelle fragestellungen der gesellschaft gemünzt, erweist sich offenbar als sehr tragfähig. daraus wntwickeln wir nun unsere aktuellen themen- und projektschwerpunkte.

eine crew der "kollektiven aktionen" auf unserer strecke südlich von gleisdorf

post scriptum:
in all dem ist die gegenwartskunst keineswegs bloß randposition. mehrmals im jahr setzen wir besondere akzente. das tun wir momenten in kooperation mit der gruppe „treci beograd“ bei der umsetzung einer station mit den „kollektiven aktionen“ aus moskau. der ereignisbogen seit vorigem herbst zieht sich nun von gleisdorf über venedig nach belgrad, mit veruweigung nach gleisdorf; siehe: the track: archive“!

post post scriptum:
der bereich der agrarischen welt haben wir gemeinsam mit tierarzt karl bauer in arbeit: [link]